IMI-Standpunkt 2009/051 - in: AUSDRUCK (Oktober 2009)

Dubioses Vorgehen der Bundeswehr vor Somalia

Die Festnahme und wieder Freilassung von mutmaßlichen Piraten durch die Fregatte Brandenburg wirft zahlreiche Fragen auf

von: Jonna Schürkes | Veröffentlicht am: 15. September 2009

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Am 7. September tötete die Bundeswehr einen mutmaßlichen Piraten, als sie ein Boot mit fünf bewaffneten Männern beschossen, um es zu stoppten. Das Boot sollte kontrolliert werden. Die Insassen des Bootes ignorierten jedoch nach Angaben der Bundeswehr die Warnschüsse, woraufhin das Boot – und offensichtlich auch die Männer- beschossen wurden. Die vier überlebenden mutmaßlichen Piraten wurden festgenommen. Von Seiten der Bundeswehr hieß es, die mutmaßlichen Piraten hätten ihre Waffen nach dem Schusswechsel über Bord geworfen.[1] Dem widersprechen aber die Aussagen des Hauptquartiers der EU-Operation Atalanta. Diesem zufolge sollte das Boot kontrolliert werden, nachdem ein Hubschrauber der Fregatte Brandenburg losgeschickt worden war, um Luftaufnahmen des Bootes zu machen und aufgenommen hatte, wie die Männer Waffen und Leitern über Bord geworfen hätten.[2]

Am 13. September beschlossen das AA, das BMVg, das BMI, und das BMJ, die vier Männer wieder freizulassen. Dies geschah am 14. September in „Sichtweite der somalischen Küste.[3] Der tote Mann soll nach Somalia überführt werden (im Wortlaut des Hauptquartiers der EU-Operation Atalanta: repatriate).[4] Begründet wird die Freilassung der mutmaßlichen Piraten damit, dass das Hauptquartier der EU-Operation Atalanta einer Überlieferung der Männer nach Kenia nicht zustimmen wollte, da „nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die vier Piraterieverdächtigen in Kenia verurteilt würden“ und da die Bundesregierung keine Strafanzeige stellen wollte, da „keine gewichtigen Rechtsgüter mit hinreichendem deutschen Bezug geschädigt wurden“.[5]

Das Hauptquartier der EU-Operation Atalanta berichtet auf seiner Homepage, die Ausrüstung der mutmaßlichen Piraten (inklusive deren Waffen) seien beschlagnahmt worden und würden zerstört werden.[6]

Der „Vorfall“ wirft einige Fragen auf:

– Wann haben die mutmaßlichen Piraten die Waffen über Bord geworfen und vor allem wie ist es möglich, dass obwohl sie ihre Waffen und Leitern über Bord warfen (wie dies die Aufnahmen des Hubschraubers ja dokumentieren sollen), diese anschließend beschlagnahmt wurden und zerstört werden sollen?

– Was heißt, die mutmaßlichen Piraten seien in Sichtweite der Küste Somalias ausgesetzt worden? In einem Boot? Wieso nicht in Somalia selbst? Der getötete mutmaßliche Pirat soll doch auch nach Somalia überführt (repatriate) werden?

– Wieso kann ein Boot beschossen und ein Mann erschossen werden, wenn das Boot doch offensichtlich flüchtete und laut Bundesregierung „keine gewichtigen Rechtsgüter mit hinreichendem deutschen Bezug geschädigt wurden“?

– Wenn die mutmaßlichen Piraten in Kenia vor Gericht gestellt werden sollen, wieso lehnt das Hauptquartier der EU-Operation Atalanta dann die Auslieferung mit der Begründung ab, sie würden „nicht mit hinreichender Sicherheit“ verurteilt werden? Gilt hier die Unschuldsvermutung nicht?

– Wurden die Personalien des Getöteten und der Freigelassenen aufgenommen, damit der Fall auch zu einem späteren Zeitpunkt noch untersucht werden kann? Ist es angebracht, die Waffen und Ausrüstungsgegenstände zu vernichten, wo diese doch Beweise in einem Tötungsdelikt darstellen könnten. Es drängt sich der Eindruck auf, dass alle Zeugen, die nicht der Bundeswehr angehören und alle Beweismittel beseitigt werden sollen.

[1] Atalanta: Fregatte Brandenburg stoppt verdächtiges Skiff; Pressemitteilung des BMVg 07.09.09; Url: http://tinyurl.com/pekkkc
[2] EU NAVFOR warship BRANDENBURG stops suspected pirates (http://www.eunavfor.eu/)
[3] Atalanta: Ressortübergreifende Entscheidung; Pressemitteilung des BMVg 14.09.09; URL: http://tinyurl.com/r5mwg9
[4] Suspected pirates released by EU NAVFOR (http://www.eunavfor.eu/)
[5] s. Fussnote 3
[6] s. Fussnote 4