IMI-Analyse 2009/025

Kollateralkrieg zwischen Tschad und Sudan

Der Wille zur militärischen Integration hat den Konflikt im Tschad internationalisiert

von: Christoph Marischka | Veröffentlicht am: 5. Juni 2009

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Anfang Mai entbrannte ein neuer Krieg an der Grenze zwischen Tschad und Sudan. Ein internationaler Konflikt, der zwei Bürgerkriege integriert. Tschadische Rebellen marschierten aus der sudanesischen Krisenprovinz Darfur in Richtung der Hauptstadt N´Djamena, wie das bereits 1990 der heutige Machthaber des Tschad, Idriss Déby, tat. Dieser war damals erfolgreich und ist nun seit achtzehn Jahren Präsident. Seine Macht stützt sich auf eine kleine Minderheit der Volksgruppe Zaghawa, Repression gegenüber jeglicher Opposition, die politische und militärische Unterstützung Frankreichs und seit 2006 auf Einnahmen aus dem Export von Erdöl. Seit der Bürgerkrieg in Darfur 2003 ausbrach, unterstützten Vertraute Débys die Aufständischen, während dieser offiziell weiterhin gute Kontakte zur sudanesischen Regierung pflegte, die er erst Ende 2005 abbrach. Seither unterstützt wiederum Khartum die Rebellen im Osten des Tschad, die bereits mehrfach versuchten, die Hauptstadt einzunehmen, vor deren Toren aber aufgrund französischer Unterstützung stets scheiterten.

Krieg im Grenzgebiet

Diesmal, Anfang Mai 2009, konnten die Rebellen aber bereits im östlichen Tschad, nahe der Stadt Abéché aufgehalten und vernichtend geschlagen werden, die Armee setzte Hubschrauber ein und warf Bomben ab. Bei diesen Gefechten wurden nach Angaben der Regierung in N´Djamena 225 Rebellen getötet und 212 gefangen genommen (darunter mindestens 85 Minderjährige), über zweihundert Fahrzeuge seien zerstört bzw. von den Rebellen erbeutet worden. Auf Seiten der Regierungstruppen sind demnach während der tagelangen Kämpfe in der Wüste 22 Soldaten verletzt und 31 verwundet worden. Frankreich formulierte einen Entwurf für eine UN-Erklärung, die einseitig den Vormarsch der Rebellen verurteilte und vom Sicherheitsrat verabschiedet wurde. Die Rebellen zogen sich nach den Gefechten in Richtung sudanesischer Grenze zurück. Déby hingegen flog in Kampfausrüstung nach Goz Beida, wo zahlreiche UN-Organisationen ihren Sitz haben und auch die UN-Truppe MINURCAT stationiert ist, versammelte seine Soldaten um sich und befahl ihnen, das Wüstengebiet in Richtung der 100 km entfernten Grenze nach den versprengten Rebellen zu durchkämmen. Zu weiteren Gefechten zwischen Rebellen und der Armee des Tschad kam es in den folgenden Tagen auch im südlicher gelegenen Grenzgebiet zur Zentralafrikanischen Republik. Eine knappe Woche später flogen tschadische Kampfflugzeuge Angriffe auf sudanesischem Gebiet. Khartum bestellte den Botschafter des Tschad ein und drohte mit ernsthaften Konsequenzen, verhielt sich aber diesmal zurückhaltend. Eine Verurteilung des Angriffs durch die UN erfolgte diesmal nicht, lediglich ein Sprecher des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moons trat vor die Kameras, äußerte dessen Besorgnis über die Lage im Grenzgebiet und forderte beide Parteien auf, jegliche Handlungen zu unterlassen, die zu einer weiteren Eskalation führen könnten. Etwa zeitgleich startete die sudanesische Rebellenorganisation Justice and Equality Movement (JEM), die dem gleichen Stamm angehört wie Déby und von diesem offensichtlich unterstützt wird, eine neue Offensive gegen die Regierungstruppen im Sudan. Diese begann am Tag nach den ersten Luftschlägen mit einem Angriff auf die strategisch wichtige Stadt Kornoi, in der über tausend sudanesische Soldaten stationiert sind. Die JEM vermeldete einen überragenden Sieg, während das sudanesische Militär zunächst behauptete, den Angriff zurückgeschlagen zu haben. Übereinstimmend berichteten beide Seiten und Mitarbeiter der UN, dass die JEM mit schweren Waffen ausgerüstet gewesen sei. Die Anschuldigungen Sudans, wonach die Armee des Tschad an dem Angriff beteiligt gewesen seien soll, wurde zwar von der Regierung zurückgewiesen, von Presseberichten und dem Verteidigungsminister des Tschad jedoch indirekt bestätigt. Die JEM griff mindestens eine weitere wichtige Stadt im Grenzgebiet, Umm Baru, an und bezichtigte die sudanesische Regierung, großflächige Bombardements in der Region durchzuführen. Ende Mai dann schlug die sudanesische Regierung zurück und nahm Kornoi wieder ein. Die JEM habe sich freiwillig zurückgezogen, um die Zivilisten zu schonen, vermeldete diese. Nach offiziellen Angaben kamen bei all diesen Gefechten in Darfur etwa 60 Soldaten und Rebellen um. Die tatsächlichen Opferzahlen dürften deutlich höher liegen, denn zeitgleich erhöhte sich die Zahl der Überfälle durch nicht identifizierbare Kämpfer sowohl in Darfur als auch im Tschad.

Über diesen neuen Wüstenkrieg wurde in den deutschen Medien nur äußerst spärlich und zusammenhangslos berichtet, wobei wie üblich meist der Sudan als Aggressor dargestellt wurde. In kaum einem Medienbericht wurde erwähnt, dass in eben dieser Grenzregion zwischen Tschad, Sudan und der Zentralafrikanischen Republik bis März eine EU-Militärmission stattfand und bis heute europäische Soldaten im Rahmen der diese ablösenden UN-Mission MINURCAT stationiert sind. Grund genug also, tatsächliche und mögliche Zusammenhänge zwischen der EUFOR-Mission und der gegenwärtigen Eskalation genauer zu beleuchten.

Mobilisierung

Bereits Mitte 2007 wurde in Brüssel ein neuer Einsatz in Zentralafrika in Erwägung gezogen. Den offiziellen Anlass hierfür lieferte im Juni 2007 der französische Diplomat Jean-Marie Guehenno, der als Vorsitzender des UN-Büros für „Friedenseinsätze“ dem Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee der EU konkrete Vorschläge für einen solchen und die Zusammenarbeit mit der UN vorstellte. Die Planungen für einen UN-Einsatz in der Region bestanden bereits seit Ende 2006, doch die Regierung des Tschad verweigerte sich diesem. Einen knappen Monat später, am 13.7.2008, sprach Guehenno vor dem UN-Sicherheitsrat über die Möglichkeiten eines EU- bzw. UN-Einsatzes im Tschad. Wenige Tage später signalisierte Déby seine Zustimmung zu einem Einsatz der EU unter französischer Führung und der EU-Militärstab wurde beauftragt, Konzepte für einen solchen Einsatz auszuarbeiten.

Zu diesem Zeitpunkt standen die Zeichen für eine Verbesserung der Lage im Tschad und dessen Beziehungen zum Sudan eigentlich gut. Im Februar 2007 wurde in N´Djamena ein innenpolitischer Dialog mit Teilen der Opposition aufgenommen, der in Wahlen 2009 münden sollte. Für Oktober desselben Jahres war eine Friedenskonferenz über Darfur geplant, an der die sudanesische Regierung und diejenige des Tschad unter Vermittlung von UN und Afrikanischer Union (AU) teilnahmen. Wie beide Prozesse ohne das von Frankreich vermittelte militärische Engagement der EU verlaufen wären, lässt sich heute leider nicht mehr erahnen. Vieler solcher Initiativen und auch weitergehende Friedensabkommen bleiben wirkungslos. Doch die europäischen Pläne für einen Militäreinsatz, die sich im September konkretisierten, waren zweifellos geeignet, den Friedensprozess zu torpedieren. Die Rebellengruppen im Osten des Tschad befürchteten, dass sich die EU-Truppe „zwischen uns und die Hauptstadt“ stellen könnte. Sollte sie sich nicht neutral verhalten, so drohten Rebellenführer mit „einem totalen Krieg“. Höchstwahrscheinlich unter der Vermittlung der sudanesischen Regierung, die eine solche Vereinigung bereits seit Jahren anstrebte, schlossen sich darauf hin die drei größten und an sich verfeindeten Rebellengruppen im Tschad zusammen. Déby selbst schien diese Eskalation durchaus recht zu sein, gab sie ihm doch die Möglichkeit, den Dialog mit der Opposition abzubrechen und härter gegen diese vorzugehen. Just am Tag, nachdem die EU- Außen und Verteidigungsminister den EUFOR-Einsatz offiziell beschlossen hatten, verhängte er den Ausnahmezustand inklusive Nachrichtensperre über weite Teile des Landes, zahlreiche Mitglieder der Opposition wurden verhaftet. Bereits Ende 2007 berichteten UN-Mitarbeiter, dass es offensichtliche Kriegsvorbereitungen gäbe. Sowohl die Rebellengruppen als auch die Armee des Tschad würden wieder Kindersoldaten rekrutieren, diesmal nicht nur in den östlichen Regionen, sondern im ganzen Land. Auch dass der nächste und bislang massivste Rebellenangriff auf die Hauptstadt Ende Januar 2008 gerade in dem Zeitraum erfolgt ist, als die wesentlichen Elemente der EUFOR nach N´Djamena verlegt werden sollten, ist kein Zufall. Der Angriff, der von Khartum aus koordiniert wurde, wäre fast erfolgreich gewesen, die tschadische Armee sah sich zum Rückzug gezwungen. Erst im letzten Moment konnten die Rebellen durch französische und libysche Unterstützung zurückgedrängt werden, nachdem Frankreich im UN-Sicherheitsrat erwirkt hatte, dass der Angriff verurteilt und damit ausländische Unterstützung legitimiert wurde. Wieder nutzte Déby die Gunst der Stunde und ließ im Nachgang der Gefechte hunderte der führenden Oppositionellen, die mit den Rebellen überwiegend nichts zu tun haben, verhaften. Von vielen fehlt bis heute jede Spur, selbst wenn ihre Verhaftung eingeräumt wurde, Gerüchte über Massenerschießungen machen die Runde. Die EU stoppte daraufhin vorübergehend die Verlegung ihrer Truppen in den Tschad.
Die Verlegung der Truppen hatte sich schon zuvor mehrfach verzögert. Ein wesentlicher Grund hierfür bestand darin, dass einige wichtige Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, über die politische und finanzielle Unterstützung hinaus zögerlich waren, Soldaten zu entsenden. Das Eskalationspotential des Einsatzes wurde immerhin von einigen europäischen Strategen wahrgenommen, insbesondere, da eine Truppe unter Frankreichs Führung schwerlich neutral agieren könne. Frankreich forderte wegen dieser Problematik jedoch, dass die französischen Truppen nicht mehr als die Hälfte der Soldaten des Einsatzes stellen dürften. Dass der Einsatz überhaupt zustande kam, liegt einerseits an der Tatsache, dass ein Rückzug die „Glaubwürdigkeit“ der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU beschädigt hätte, woran kein Staat ein Interesse hatte, und dass sich nach letztendlich fünf Truppenstellerkonferenzen Staaten wie Polen, Irland und Österreich, die bisher in der EU-Sicherheitspolitik weniger in Erscheinung getretene waren, bereiterklärten, Soldaten beizusteuern und weitere Kapazitäten aus Drittstaaten, darunter Albaniens und Russlands eingekauft werden konnten. Zudem trägt Frankreich einen die anderen Staaten weit überragenden Anteil an den Kosten.

Entsprechend ungeklärt blieb auch das eigentliche Ziel des Einsatzes. In der politischen Diskussion in Frankreich wurde teilweise eindeutig erklärt, dass es um die Befriedung Darfurs ginge womit auch klar wäre, dass der Einsatz gegen das Regime in Khartum gerichtet ist. Ein entsprechender Hinweis findet sich auch im damals bereits verabschiedeten UN-Mandat der Nachfolgemission MINURCAT, welche „dazu beitragen soll, Sicherheitsbedingungen zu schaffen, die dazu beitragen, eine freiwillige, sichere und nachhaltige Rückkehr der Flüchtlinge [aus Darfur] und der Vertrieben zu ermöglichen“. Solche offensiv auf das Nachbarland zielenden Formulierungen provozierten die Regierung des Sudan freilich, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. In der Sicherheitspolitischen Diskussion wurde als Grund des Einsatzes häufig genannt, dass ein Überschwappen des Konfliktes auf den Tschad bzw. die „Darfurisierung“ der gesamten Region verhindert werden sollte. In Deutschland und anderen truppenstellenden Ländern konzentrierte sich die öffentliche Diskussion jedoch auf das, was den Kern des offiziellen Mandates ausmachte: Den Schutz der Flüchtlingslager und die Absicherung der humanitären Hilfe.

Die humanitäre Lage während des Einsatzes

Die Kontrolle der Grenze gehörte nicht zum Auftrag der europäischen Soldaten. Hiergegen gab es heftigen Widerstand nicht nur aus Khartum, sondern auch aus Regierung und Militär des Tschad. Letztlich war die EUFOR vor allem eines: vor Ort, aber handlungsunfähig. Sie hatte zwar schwere Schützenpanzer, aber nicht ausreichend Hubschrauber, um ihre Truppen in der weitläufigen Wüstenlandschaft zu verlegen. Ihre Lager hatte sie nicht in unmittelbarer Nähe der Flüchtlingslager, weil das diese gefährden hätte können. Einige humanitäre Organisationen hielten die Stationierung insgesamt für kontraproduktiv und wahrten Distanz. Camps errichteten die europäischen Soldaten in der Hauptstadt, in Abéché, Farchana, Goz Beida und Iriba, größeren Städten entlang der Grenze zum Sudan, in N´Djamena und der Provinzhauptstadt Abéché in Sichtweite von Lagern der Armee des Tschad. Einige Soldaten wurden auch in den bereits vorhandenen französischen Lagern und Regierungsgebäuden untergebracht. Gegen die hochmobilen Rebellengruppen war die EUFOR hilflos. Wie um die europäische Truppe herauszufordern oder zu demütigen griffen sie im Juni 2008 das UNHCR in Goz Beida an und besetzten sie mehrere kleine Siedlungen in deren Umgebung für kurze Zeit. Doch vor allem kleinere Überfälle häuften sich mit dem Beginn des EUFOR-Einsatzes, der offiziell am 28.1.2008 begann und dessen erste Phase der Stationierung am 15.3.2008 abgeschlossen war. Am 16.5.2008 äußerte das UNHCR seine „Sorgen über die zunehmende Gewalt im Osten“ bei einer Pressekonferenz: „In den letzten Drei Monaten haben wir eine Eskalation bei der Zahl an Sicherheitsvorfällen beobachten können“.
Ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem EUFOR-Einsatz und den zunehmenden Übergriffen auch auf humanitäres Personal besteht, kann nur vermutet werden. In diesem Zeitraum entstanden neue Rebellengruppen und es gab Abspaltungen von den größeren. Möglich, dass jede von diesen das Verhalten der europäischen Soldaten testen wollte. Auch die großen Gruppierungen gingen wegen der EUFOR-Präsenz und der verstärkten Aufklärungsmittel, welche die französische Armee bereitstellte, zu einer anderen Taktik über, indem sie sich mehr in vorübergehend autonomen Kleingruppen bewegten. Jedenfalls kann die zunehmende Unsicherheit mit der allgemeinen Militarisierung der Region begründet werden. Denn auch die Armee des Tschad, die zuvor um die Hauptstadt herum konzentriert war und dort auch die vorangegangenen Rebellenangriffe zurückgeschlagen hatte, hat während des EUFOR-Einsatzes große Kontingente in den Osten verlegt. Die offensichtlich rekrutierten Kindersoldaten erhalten jedoch keinen Sold und sind deshalb auf andere „Erwerbsquellen“ angewiesen. Auch die anderen Truppenteile, insbesondere der Nomad and National Guard (GNNT), scheren immer wieder aus der Armee aus um als Banditen tätig zu sein. Einige der Übergriffe auf die Flüchtlingslager und humanitäre Organisationen gingen jedoch auch nachweislich auf wenig organisierte Menschen aus der ansässigen Bevölkerung zurück.
Die Verlegung tschadischer Truppen im Schatten des EUFOR-Einsatzes war jedenfalls Vorraussetzung dafür, dass diese den jüngsten Rebellenangriff bereits nahe der sudanesischen Grenze vereiteln und die JEM dabei unterstützen konnte, sudanesische Stützpunkte in Darfur anzugreifen. Die Hilfsorganisationen, deren Sicherheit der EUFOR-Einsatz eigentlich gewährleisten sollte, mussten sich aufgrund dieser Ostverlagerung der Gefechte zwischen der Regierung und den Rebellen des Tschad alleine im Mai zwei Mal aus dem Umfeld der Flüchtlingslager in die größeren Städte Abéché und Goz Beida zurückziehen. Diese Städte werden nun von den Streitkräften des Tschad und den MINURCAT-Truppen gemeinsam geschützt, die dadurch endgültig ihren neutralen Status verlieren dürften. UN-Organisationen und einige NGOs, die bereits zuvor auf Eskorten durch EUFOR, MINURCAT und die neue von der UN aufgebauten Gendarmerie-Kräfte DIS (Détachement intégré de sécurité) zurückgriffen, sind nun bei ihren Transporten in die Lager erst Recht auf militärischen Begleitschutz angewiesen, für den es aber häufig an Treibstoff mangelt. Erstaunlicher Weise deutet selbst die UN-Nachrichtenagentur IRIN an, dass die anderen NGOs nicht mit denselben Sicherheitsproblemen konfrontiert sind.

Humanitärer wäre das Sieben von Sand

Bereits im April 2008 lagen dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana Berichte vor, wonach sowohl der Tschad als auch der Sudan jeweils ihre eigenen Armeen und die Rebellengruppen mit Waffen aufrüsten. Insbesondere Déby habe festgestellt, wie nützlich Kampfhubschrauber seien und stehe in Verhandlungen über die Anschaffung von russischen und französischen Modellen. Geld hierfür erhält er unter anderem aus dem European Development Fund (EDF), der insgesamt über 22 Bn. Euro umfasst. 299 Mio. Euro hieraus wurden dem Tschad von der EU-Kommission im Oktober 2007 versprochen, kurz nachdem die Regierung der Stationierung der EUFOR zustimmte. Besiegelt wurde das Geschäft mit einem Vertrag zwischen EU-Entwicklungskommissar Louis Michel und dem Außenminister des Tschad dann am 9.12.2007. Kaum einen Monat später und kurz vor Beginn des Einsatzes reiste Michel dann nach Goz Beida, um 10 Mio. Euro für weitere Projekte zu versprechen, mit denen der Osten des Landes „stabilisiert“ und der EUFOR-Einsatz „untermauert“ werden sollen.
Weitere Einnahmen erhält Déby aus dem Export von Erdöl. Diese sollten nach einer Vereinbarung mit der Weltbank zu mindestens 80% in die Armutsbekämpfung und öffentliche Infrastruktur investiert werden. Den Fond dafür löste die Regierung mit Zustimmung des Parlaments jedoch Ende 2005 – zeitgleich mit dem Bruch mit dem Sudan -auf und nutzt die Einnahmen seither für den eigenen Machterhalt und die Aufrüstung der Armee.
In dieser Verteilungspolitik liegt das wahre „Sicherheitsproblem“ im Tschad, denn die Masse der Bevölkerung ist arm. Die Indikatoren für Menschliche Entwicklung und Lebenserwartung platzieren das Land auf Platz 170 von 177 erfassten Staaten. Deshalb entstehen stetig neue Rebellenbewegungen, deshalb treffen diese auch zunehmend auf Verständnis und Unterstützung durch die zivile Opposition und deshalb fällt es allen bewaffneten Gruppen einschließlich der Armee und der Banditen so leicht, Mitglieder zu rekrutieren. Die Armut der Bevölkerung ist auch ein wesentlicher Grund für die Unsicherheit der etwa 250.000 Flüchtlinge aus Darfur und der 160.000 Binnenvertrieben. In den Lagern erhalten sie tägliche Nahrungsrationen aus Zucker, Öl, Salz, Hirse und Soja mit genau 2.100 Kalorien. Das ist zwar das international definierte Minimum, das einen Menschen mittelfristig einigermaßen bei Gesundheit hält, bereits das weckt aber den Neid der ebenfalls häufig hungernden ansässigen Bevölkerung. Die geringste Abwechslung vom täglich gleichen Essen müssen sich die Flüchtlinge anderweitig beschaffen. Durch Anbau, Tausch oder Diebstahl. Bei all dem kommen sie unter den widrigen wirtschaftlichen Bedingungen mit den Anwohnern in Konflikt. Das größte Problem stellt aber das Feuerholz dar. Bevor die Flüchtlinge kamen, reichte es der Bevölkerung, totes Holz zu sammeln, nun werden aber auch lebende Bäume und Sträucher benutzt. Das treibt die Verwüstung voran. Eine NGO, die für eines der Camps Feuerholz gesammelt hat, eben weil es bei der Suche nach Holz oft zu Übergriffen auf die Flüchtlinge kam, warnte im April, dass sie bald ihre Arbeit einstellen wird, da sie mittlerweile über 70 Kilometer fahren muss, um Holz zu sammeln. Dasselbe gilt für die Bewohner der umliegenden Dörfer, die sicherlich darüber befremdet sind, dass Hilfsorganisationen mit Jeeps in ihrer Umgebung Holz für die Flüchtlinge sammeln, zu deren Schutz nun auch noch wohlgenährte Soldaten aus aller Welt kommen. Die EU und Frankreich hätten besser daran getan, Bäume zu Pflanzen oder die Halbe Billionen Euro, die der Einsatz gekostet hat, plus die 300 Mio., mit der er erkauft wurde, direkt an die Bevölkerung zu verteilen, hätte sie die humanitäre Lage verbessern wollen. Sie hätte sogar besser daran getan, in der Wüste Sand zu sieben, denn die pure Anwesenheit ihrer Soldaten hat die Situation eskalieren lassen. Wie bei den vorangegangenen EU-Missionen in Afrika ging es jedoch nicht darum, irgendwelche Konflikte zu entschärfen, sondern alleine darum, die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie die Präsenz in Afrika auszubauen. Getrieben von diesem Wunsch hat sich die EU diesmal zusätzlich vor den französischen Karren spannen lassen. Dass sie trotz allem den Erfolg des Einsatzes beschwört, lässt befürchten, dass sie auch zukünftig die koloniale Politik Frankreichs auf EU-Ebene fortführt. Durch die Unterstützung von Diktatoren wie Kabila, Bozizé und Déby, durch Militärberater wie im Kongo, Tschad, Guinea-Bissau und bald vermutlich auch Somalia sowie eine möglichst flächendeckende Präsenz, welche, die französischen Stützpunkte eingeschlossen, nur noch wenige Lücken in Süd- und Ostafrika aufweist.