IMI-Analyse 2008/031 - in: AUSDRUCK (Oktober 2008)
„Homeland-Security“ an der „Südflanke“
US-Militär in Lateinamerika
von: Jonna Schürkes | Veröffentlicht am: 8. Oktober 2008
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Die Monroe Doktrin von 1823 formulierte mit dem Satz „Amerika den Amerikanern” den Hegemonialanspruch der USA in Lateinamerika. Diesen Anspruch haben die USA lange mehr oder minder erfolgreich realisiert. Im März 2008 kam der Council of Foreign Relations jedoch zu dem Ergebnis: „Wenn es einmal eine Zeit der Hegemonie der USA in Lateinamerika gegeben hat, so ist sie nun vorüber”.[1] Die Autoren des Berichts werfen der Bush-Regierung vor, Lateinamerika seit dem 11. September 2001 zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben, weshalb die dortigen Regierungen sich außenpolitisch umorientieren und sich offen anti-amerikanisch zeigen konnten. Ob und wie weit dies zutrifft, sei dahingestellt.
Fakt ist, dass in Lateinamerika in den letzten Jahren Regierungen an die Macht gekommen sind, die nicht den Vorstellungen der USA von einer „guten Regierung“ entsprechen. Diese veränderte Situation hat dazu geführt, dass die USA ihre Interessen in der Region gefährdet sehen und einen ganzen Potpourri an Bedrohungen identifizieren. So betrachten sie durch die Neuverhandlungen der Konzessionen zur Erdöl- und Erdgasförderung in einigen Ländern Lateinamerikas ihre wirtschaftlichen Interessen und ihre Energieversorgung als gefährdet. Auch die außenpolitische Neuorientierung vieler lateinamerikanischer Regierungen macht den USA zu schaffen. Besonders kritisch wird der zunehmende – vor allem wirtschaftliche – Einfluss Chinas in der Region gesehen. Chinesische Infrastruktur in Lateinamerika könnte sich zudem bei einem möglichen militärischen Konflikt mit den USA für China als nützlich erweisen.[2] Auch die nicht vorhandenen Berührungsängste einiger lateinamerikanischer Präsidenten mit dem Iran werden von den USA derartig als Bedrohung wahrgenommen, dass der US-Kongress im November 2007 eine Resolution zu dem Thema verabschiedete, in der die Treffen zwischen lateinamerikanischen Staatschefs und dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad minutiös dargestellt werden.[3] Die Heritage Foundation betrachtet die Beziehung als Gefahr eines islamischen „Hintertürterrorismus“.[4] Das zunehmende Engagement Russlands in der Region entspricht nicht den Vorstellungen der USA. Ebenfalls unerfreulich für die USA ist, dass Nicaragua Abchasien und Südossetien anerkannte, dass Venezuela und Russland gemeinsame Militärübungen in und vor Venezuela durchführen und dass der bolivianische Präsident Morales aufgrund diplomatischer Probleme mit den USA erklärte, die wirtschaftliche Hilfe zur Drogenbekämpfung könne durchaus auch aus Russland kommen.[5]
Eine weitere Gefährdung der Interessen wird im „radikalen Populismus“ gesehen. Dieser wurde vom ehemaligen Oberbefehlshaber des Regionalkommandos für Lateinamerika und die Karibik (SouthCom), James Hill, in einer Rede vor dem US-Senat 2004 per se als Sicherheitsproblem erklärt.[6] Vor allem dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez wird vorgeworfen, Terroristen über seine Verbindungen zu Ahmadinedschad in Lateinamerika Raum zu bieten und einheimische Terroristen, wie die kolumbianische Guerilla-Organisation FARC, zu unterstützen.
Indigene Bevölkerung und Organisationen gelten als gefährlich. So erklärte der Kongressabgeordnete Conni Mack, islamistische Terroristen hätten indigene Organisationen infiltriert, um ein Netzwerk in Lateinamerika zu etablieren.[7] Dem National Intelligence Council (NIC) zufolge könnten „politisch organisierte indigene Gruppen die regionale Stabilität gefährden […] Territoriale Forderungen irredentistischer indigener Gruppen können die Vorraussetzungen für bewaffnete Aufstände und politische Gewalt schaffen”.[8] James Hill hingegen sieht eine enge Verbindung zwischen indigenen Organisationen, Drogenanbau und Terrorismus.[9]
Bedroht sehen sich die USA auch durch kriminelle Banden in lateinamerikanischen Städten, die „Massenmigration“ in die USA, die Armut und die Folgen von Naturkatastrophen.[10]
Angesichts der vielfältigen „Bedrohungen“ kommt die Heritage-Foundation zu dem Schluss, die USA sollten die Ausbildung von Polizei und Militär in Lateinamerika übernehmen, da die Staaten entweder unfähig oder unwillig seien, Kriminelle, Subversive und Terroristen auf ihrem eigenen Territorium zu bekämpfen. Außerdem müsse das SouthCom „wiederbelebt“ und nicht nur zur Drogenbekämpfung, sondern auch zur Bekämpfung aller anderen Bedrohungen eingesetzt werden. Des Weiteren sollten die geheimdienstlichen Aktivitäten der USA in Lateinamerika verstärkt werden.
Die politischen Veränderungen in Lateinamerika und die veränderte Bedrohungswahrnehmung in den USA haben dazu geführt, dass die USA ihre Strategie für die Region verändert haben. Dies gilt insbesondere für die Militärpolitik.
Zum einen wehren sich einige lateinamerikanische Regierungen zunehmend gegen die Einmischung der USA in interne Angelegenheiten und gegen die Präsenz von US-Militär in ihren Ländern. Dies zeigt sich etwa an der bevorstehenden Schließung der Militärbasis in Manta, Ecuador.
Das hat die USA dazu veranlasst, ihren Operationsschwerpunkt vor die Küsten von Lateinamerika zu verlagern. Zum anderen ist der Blickwinkel auf die oben genannten „Bedrohungen“ ein sicherheitspolitischer. Die Probleme in Lateinamerika würden die Sicherheit in den USA bedrohen, weshalb in der Region „Homeland-Security“ betrieben wird.[11] Dies wiederum führt zu einer Vermischung von militärischen und polizeilichen Aufgaben und Aktivitäten. Diese Aspekte werden im Folgenden näher betrachtet.
Zunehmend unerwünscht: Militärbasen in Lateinamerika
Die USA unterhalten derzeit offiziell drei so genannte vorgelagerte Operationsstützpunkte (Forward Operating Locations: FOL) in Lateinamerika: in Ecuador (Manta), El Salvador (Comalapa) und Aruba und Curacao. Weitere Basen sind die Marinebasis in Guantánamo auf Kuba und die Militärbasis Soto Cano in Honduras, auf der vor allem Soldaten der US-Airforce stationiert sind. Die von honduranischem und US-amerikanischem Militär genutzte Basis diente in den 80er Jahren der USA vor allem der Bekämpfung unliebsamer Regierungen, heute offiziell der Durchführung humanitärer Einsätze in Zentralamerika und der Karibik. Des Weiteren unterhalten die USA in verschiedenen Ländern, vor allem aber in Peru und Kolumbien, Radar-Stationen.
Das Netz von Militärbasen besteht in dieser Form seit 1999. Damals endete der Vertrag über den Panama-Kanal, der den USA bis dato nahezu unbeschränkte Rechte in der Kanalzone zusicherte. Mit der auslaufenden Frist wurden die Hoheitsrechte über das Territorium an Panama übergeben. Der einzige permanente Luftwaffenstützpunkt in Lateinamerika war die Howard Air Force Base in der Zone des Panama-Kanals. Diesen mussten die USA schließen und ihr Personal abziehen. Die USA waren daher auf der Suche nach neuen Stützpunkten in Lateinamerika. Es sollten jedoch keine Militärbasen sein, auf denen eine große Anzahl militärischen Personals und Ausrüstung permanent stationiert sind, wie noch bei der Howard Air Force Base. Es wurden vielmehr FOLs errichtet, die der Überwachung und Datenerhebung, der kurzzeitigen Stationierung einer größeren Anzahl von Soldaten und vor allem als Koordinationspunkt für Einsätze im überwachten Raum dienen. Mit den Regierungen Ecuadors, El Salvadors und den Niederlanden (Aruba und Curacao) konnten sich die USA auf die Errichtung solcher Basen einigen. Der Überwachungsradius konnte mit diesen drei neuen FOLs im Vergleich zu der Zeit vor 1999 deutlich vergrößert werden (siehe Karte). Gleichzeitig waren die neuen Basen wesentlich kostengünstiger als die Howard Air Force Base.[12]
In allen drei Fällen wurden den USA die vollen Nutzungsrechte der Militärbasen zugesichert, die Art der Operationen jedoch auf die Bekämpfung des Drogenanbaus und –handels beschränkt.[13]
Das Auge und Ohr des Plan Colombia: die Militärbasis in Manta
Der Vertrag, der dem US-Militär die Nutzung des Militärflughafens in Manta für zehn Jahre zubilligt, läuft 2009 aus und wird nicht verlängert.
Auf der Basis sind nur ca. ein Dutzend Soldaten permanent stationiert. Sie ist Standort für Überwachungstechnologien und logistischer Stützpunkt.[14] Die Daten, die vor allem durch die Aufklärungsflüge der dort stationierten AWACS aufgenommen werden, werden direkt an das Hauptquartier des SouthCom in Florida gesendet.
Die Nutzung der Basis ist beträchtlich. Einem Sprecher des SouthCom zufolge starten täglich durchschnittlich zwei AWACS zu Überwachungszwecken von der Basis aus. Seit 1999 seien von dort mehr als 3.330 Operationen gegen den Anbau und den Handel mit Drogen durchgeführt worden, bei denen mehr als 5,2 Tonnen illegaler Drogen im Wert von 2 Mrd. US$ beschlagnahmt wurden.[15]
Die Unterzeichnung des Vertrages über die FOL in Manta erfolgte im selben Jahr wie der Beginn des „Plan Colombia“. Damit wurde die FOL, ca. 400 km von der kolumbianischen Grenze entfernt, zu einer der wichtigsten Basen in Lateinamerika und gleichzeitig zu einem wichtigen Bestandteil dieses Programms, weshalb sie als „Auge und Ohr“ des Plan Colombia bezeichnet wird.[16] Die Unterzeichnung des Vertrages war in Ecuador höchst umstritten. Neben der undemokratischen und verfassungswidrigen Art der Ratifizierung[17] wurde befürchtet, mit Manta würde das Land tiefer in den Konflikt in Kolumbien verstrickt werden, was sich auch bestätigte.[18] Auch der Inhalt des Vertrages selbst sorgte für Unmut. Durch ihn können die USA den Luftstützpunkt Eloy Alfaro, den Hafen von Manta und weitere mit der Basis verbundene Installationen kostenlos nutzen. Die USA erhielten zudem die Genehmigung, den ecuadorianischen Luftraum zu durchfliegen. „Für die Angestellten in der Militärbasis wurde ein juristischer Sonderstatus vereinbart, der dem von amerikanischen Botschaftsangestellten gleicht. Nicht permanent in Manta stationiertes Personal wurde befähigt, ohne Pässe und Visa, sondern lediglich mit ihrer Identifikation als Amerikaner in Ecuador ein- und auszureisen. Ecuador erklärt in dem Abkommen seinen Verzicht auf jegliche Entschädigungen für mögliche Verletzungen oder Todesfälle von Personen oder für Schäden, Verlust oder Zerstörung von Regierungsgütern“.[19]
Die im Vertrag festgelegten Rechte gelten ausdrücklich nur für die Drogenbekämpfung, was jedoch offensichtlich nicht eingehalten wurde. Vor allem im Zusammenhang des Konfliktes in Kolumbien wurde Manta mehrfach zur Bekämpfung der Guerillaorganisationen genutzt. „Die USA sind mit militärischer Unterstützung und der Bereitstellung von Geheimdienstinformationen für die Regierung in Bogota in deren Krieg gegen die Guerilla tief verstrickt. […] US-Offiziere sprechen von ‚Narcoguerilla’ oder ‚Narcoterroristen’ […]. Die Unterscheidung zwischen Aufstands- und Drogenbekämpfung ist so weit verschwommen, dass sie fast bedeutungslos geworden ist“[20], so das Transnational Institut (TNI) in einer sehr guten Studie zu den Militärbasen in Lateinamerika. Zusätzlich zur Aufstandsbekämpfung in Kolumbien seien „die Kontrolle des illegalen Waffenhandels in der Region, die Migrationskontrolle und möglicherweise die Unterstützung des Putsches gegen Venezuela […] Anzeichen dafür, dass die FOL zu anderen Zwecken genutzt wird, als dies in den Verträgen festgelegt wurde“.[21]
Die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Bombardierung von FARC-Guerilleros auf ecuadorianischem Territorium Anfang März 2008 scheinen die Befürchtungen des TNI zu bestätigen. Die Nachrichtenagentur IPS zitiert einen ecuadorianischen Militär, die Informationen über den Ort des FARC-Lagers stammten von der Basis in Manta. Auch seien die Flugzeuge, die das Lager bombardiert haben, US-amerikanische gewesen.[22]
Doch nicht nur die FARC, sondern auch Migranten sind ins Visier von Manta geraten. Im Juni 2005 veröffentlichte die Latin American Human Rights Association (ALDHU) einen Bericht, nach dem seit 2001 acht zivile Schiffe durch die US-Marine versenkt worden seien. Fünf dieser Schiffe hätten Migranten ohne Papiere an Bord gehabt, die anderen seien Fischerboote gewesen. Der Generalsekretär der ALDHU sagte nach Vorlage des Berichtes, die Kriegsschiffe der US-Marine durchsuchten die Fischerboote gezielt nach Migranten. Das Personal, das sich der US-Botschaft in Quito zufolge permanent in Manta aufhält, ist für das Abfangen von Migranten auch bestens ausgebildet. Es seien vor allem Angehörige „des Zolles, der Küstenwache und des Department of Homeland Security“.[23]
Die verzweifelte Suche nach Alternativen zu Manta
Auch wenn sich die USA um eine Verlängerung des Vertrages über die Nutzung der Militärbasis in Manta bemüht haben, er läuft 2009 aus und wird nicht mehr verlängert werden. Ende September 2008 wurde in Ecuador eine neue Verfassung per Referendum angenommen. Artikel 5 besagt: „Ecuador ist ein Territorium des Friedens. Die Etablierung von ausländischen Militärbasen oder anderen militärischen Einrichtung ist verboten. Nationale Militärbasen dürfen ausländischen Streitkräften oder Sicherheitseinrichtungen nicht zur Verfügung gestellt werden“.
Die USA suchen nun nach einem Standort für eine neue Basis, um das seit 1999 gut funktionierende Netz von Überwachung und Kontrolle nicht zerreißen zu lassen. Dies gestaltet sich jedoch derzeit schwierig. Verschiedenen Zeitungsberichten zufolge, laufen Verhandlungen mit Kolumbien und Peru. Angesichts der Präsenz von US-Militär in Kolumbien und der Möglichkeit, mit einer Basis in Peru auch Bolivien in den Überwachungsradius einzubeziehen, scheint die Präferenz der USA auf Peru zu liegen.
Kolumbien und Peru sind grundsätzlich bereit, eine Militärbasis errichten zu lassen, andere lateinamerikanische Regierungen versuchen dies jedoch zu verhindern. So hat Morales die möglichen Gespräche über eine Militärbasis in Peru scharf kritisiert. Eine solche Entscheidung könne nicht von einer einzelnen Regierung getroffen werden, da in einem solchen Fall Bolivien im Überwachungsradius der Basis läge.
Doch sind die Militärbasen nicht die einzige Möglichkeit, um in Lateinamerika mit militärischem Personal und Ausrüstung präsent zu sein. Über Übungen und Einsätze – im allgemeinen als „humanitär“ betitelt – waren dieses Jahr fast permanent US-amerikanische Soldaten und militärische Ausrüstung in und vor Lateinamerika präsent (s. Karte).
Durch diese Übungen und Einsätze können US-amerikanische Soldaten und Kriegsgerät in der Region temporär stationiert sein, ohne dass dies als eine allzu große Einmischung in interne Angelegenheiten wahrgenommen wird. Andererseits müssen Manöver mit einer Kriegsflotte vor den Küsten Lateinamerikas als Warnung an „nicht-befreundete“ Regierungen verstanden werden. Gleiches gilt für Einheiten der US-Armee, die auf dem Festland Übungen und „humanitäre Einsätze“ durchführen. Im Rahmen von „Nuevas Horizontes“ in Peru beispielsweise sind die US-Soldaten ausgerechnet in einer Region eingesetzt, die als Coca-Anbaugebiet gilt und in der noch vereinzelt Guerilla-Gruppen aktiv sind. Die Präsenz der US-Soldaten wird von der dort lebenden Bevölkerung als Bedrohung wahrgenommen.[24]
An den Marineübungen sind meist auch Flugzeugträger beteiligt, die die Funktion von FOLs übernehmen können. So könne sie als Basis für Aufklärungsflugzeuge oder anderes militärisches Gerät dienen, zudem sind sie mit Überwachungstechnik ausgerüstet.
Allerdings müssen die Übungen immer wieder aufs Neue mit den betroffenen Regierungen in Lateinamerika ausgehandelt werden. Daher wurde die IV. Flotte wiederbelebt.
Die IV. Flotte
Sie wurde während des zweiten Weltkrieges zum Schutz der lateinamerikanischen Küste und der Karibik vor deutschen U-Booten geschaffen und 1950 wieder aufgelöst. Die jetzt neu aufgestellte Flotte untersteht dem SouthCom und ist seit Juli 2008 im Einsatz. Sie umfasst u.a. einen Flugzeugträger und U-Boote und soll in der Karibik und an der Küste Lateinamerikas patrouillieren.[25]
Die Wiederbelebung der IV. Flotte ist nicht nur Reaktion auf die zunehmenden Schwierigkeiten an Land, sondern eine konsequente Umsetzung der 2007 veröffentlichten Strategie der Marine, der Marineinfanterie und der Küstenwache.[26] Darin wird die zunehmende Bedeutung der Meere und der Küsten zur militärischen Durchsetzung von Interessen begründet. Die Marine könne Zugang zu Regionen schaffen, die ansonsten nur schwer zugänglich seien. Die militärische Präsenz vor den Küsten sei zudem im Gegensatz zur Präsenz auf fremdem Territorium billiger und von politischen und sozialen Veränderungen unabhängiger. Zudem diene die Marine vor den Küsten von Einsatzgebieten der Unterstützung militärischer Operationen. Besonders notwendig sei ein verstärkter Einsatz vor Afrika und Lateinamerika. Gefahren der Sicherheit der USA müssten weit weg von den eigenen Küsten gebannt werden.
Frank Mora, Professor am National War College, meint: „[die IV. Flotte] gibt der Navy ein stärkeres Profil in der Region […] Es sendet eine Nachricht an die Region, dass sie wichtig ist, in einer Zeit, in der es scheint, wir würden uns nicht um sie kümmern“.[27] Zudem würde die IV. Flotte das SouthCom wieder aufwerten, wie es der Miami Herald schrieb: “ [Sie] hebt das SouthCom wieder auf Augenhöhe mit anderen Außenposten des Pentagons, die ein höheres Budget und größere Muskeln haben“.[28]
Die USA versuchen die Flotte als eine schwimmende Hilfsorganisation zu verkaufen. Der Oberbefehlshaber des SouthCom, James Stavridis, beteuert, die Aufgaben seien humanitäre Hilfe, Katastrophenschutz und Umweltschutz (sic!). Sie diene der Zusammenarbeit beim Kampf gegen den Drogenhandel und bei der Regulierung und Abwehr von Massenmigration in die USA, vor allem in der Karibik.[29]
Die Regierungen in Lateinamerika sind angesichts der Zusammensetzung der Flotte nicht überzeugt, dass dies die wahren Motive sind. So erklärte u.a. der brasilianische Präsident Lula: „Mich beunruhigt die IV. Flotte. […] Die IV. Flotte wird genau dort sein, wo wir erst vor kurzem Erdöl entdeckt haben. Also, wenn die USA sagt, dass die IV. Flotte im Gesundheitsbereich helfen soll, dann verstehe ich nicht warum, denn wir haben um eine solche Hilfe nicht gebeten“.[30] Einige Tage später kündigte er an, die brasilianische Marine zum Schutz der Ölplattform zu mobilisieren: „Die Männer der IV. Flotte sind schon da, praktisch direkt über den Erdölfeldern […] Unsere Marine ist der Schutz unserer Ölplattform, denn ansonsten kommt jemand vorbei und sagt, das ist mein [Erdöl], denn es befindet sich am Meeresgrund“.[31]
Besorgnis hat auch die Aussage des Oberkommandierenden der Marine des SouthCom ausgelöst, der erklärte, man werde mit der IV. Flotte nicht nur im blauen, sondern auch im braunen Wasser (gemeint sind Flüsse) Übungen durchführen.
Die militärische Antwort auf soziale Probleme: die Strategie des SouthCom und die Militärhilfe
Die Vermischung von polizeilichen und militärischen Aufgaben und Aktivitäten wurde bereits mehrfach angedeutet. Besonders deutlich zeigt sich diese Entwicklung jedoch in der neuen Strategie des SouthCom. Die „Command Strategy des SouthCom 2016“ vom März 2007 zeigt, wie weit die Befugnisse des Kommandos ausgebaut werden sollen. Es versteht sich, der Strategie zufolge, als eine „führende gemeinschaftliche und überbehördlich orientierte Organisation“, die US-Interessen in Lateinamerika militärisch verteidigt. SouthCom hat demnach den Anspruch, die Aktivitäten verschiedener staatlicher (militärischer und ziviler) und nicht-staatlicher Akteure der USA in der Region im Kampf gegen die zahlreichen Bedrohungen zu koordinieren. Die Gefahr von zwischenstaatlichen Kriegen in der Region sei sehr gering, es gäbe jedoch zahlreiche andere „Herausforderungen“, die die Sicherheit der USA und die Stabilität der Region gefährdeten: Armut, Korruption, Terrorismus, Kriminalität, Drogen und Naturkatastrophen. Es sei notwendig, die Aktivitäten unterschiedlicher Akteure zur Bekämpfung dieser Probleme – auch der Armut – unter militärischer Führung zusammenzufassen.[32]
Die spezielle Form der Militär- und Polizeihilfe bewirkt wiederum, die Grenzen zwischen militärischen und polizeilichen Aufgaben in den Ländern Lateinamerikas weiter zu verwischen. Offiziell gibt es Polizei- und Militärhilfe, da die Staaten nicht in der Lage seien, gegen Kriminelle, Migranten und Terroristen vorzugehen. Auch wenn erkannt wird, dass die Ursache von Konflikten Armut und Ungleichheit sind, ist die Antwort auf die Probleme die Stärkung des Militärs und der Polizei, die gemeinsam die innere Sicherheit gewährleisten sollen. Damit wird, nicht einmal 20 Jahre nach dem Ende der letzten Militärdiktatur in Lateinamerika, darauf gedrängt und finanziell unterstützt, das Militär wieder als innenpolitischer Akteur zu stärken.
Militär- und Polizeihilfe der USA an Lateinamerika sind seit 2005 kontinuierlich gestiegen. Waren es 2005 noch 800 Mio US$, sind für 2009 1,2 Mrd. beantragt worden. Auch wenn dieses zusätzliche Budget im Rahmen der Merida-Initiative vor allem nach Mexiko fließt, wurde auch für die meisten anderen lateinamerikanischen Staaten das entsprechende Budget erhöht.
Die Merida Initiative ist ein Abkommen zwischen Mexiko, den zentralamerikanischen Staaten und den USA, das Mittel zur militärischen und polizeilichen Aufrüstung enthält, die offiziell der Bekämpfung des Drogenhandels, transnationaler Kriminalität und illegale Migration dienen soll. Für das Abkommen beantragte die US-Regierung 550 Mio. US$ im Nachtragshaushalt für 2008, der Kongress genehmigte 450 Mio., wovon 400 an Mexiko und 50 Mio. an die Länder Zentralamerikas gingen. Für 2009 hat die Regierung erneut 550 Mio. beantragt, der Kongress hat bisher nicht darüber entschieden. Das Paket enthält Mittel zur Sicherheitssektorsreform, zur Drogenbekämpfung und zur Herstellung der öffentlichen Sicherheit und der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit. Begründet wird die Initiative mit dem Drogenimport über Mexiko in die USA und der zunehmenden Kriminalität in Mexiko. Da es sich hierbei um soziale Probleme handelt, gibt es harsche Kritik an der Initiative, die auf diese Probleme ausschließlich militärisch und polizeilich reagiert. In Anlehnung an den „Plan Colombia“, der mit ähnlichen Mitteln seit 1999 offiziell versucht, Kriminalität und Drogen in Kolumbien zu bekämpfen und dabei hoffnungslos scheitert, wird vom „Plan Mexiko“ gesprochen.
Mitglieder des mexikanischen Kongresses kritisierten die Initiative, da man sich den Interessen der USA weiter unterordne. Sie diene auch dem Schutz der USA vor terroristischen Angriffen aus Mexiko und der Abschottung der Südgrenze Mexikos, um die Migration aus Lateinamerika in die USA zu verringern, so die mexikanische Außenministerin. „Warum sollten wir zulassen, dass sich die Drogenbekämpfung mit dem Thema der Migration vermischt und die Illegalen an der Süd- und Nordgrenze wie Terroristen behandelt werden?“[33], fragt sich Senator Ricardo Monreal Àvila. Laura Clasen von Foreign Policy in Focus kritisiert: „[es] wird nicht zwischen internationalen Terroristen, Wanderarbeitern, politischen Demonstranten und Drogenhändlern unterschieden […] Der Plan Mexiko zielt auf alle diese Gruppen gleich ab.[34]
Sorge bereitet auch eine mögliche Stationierung von US-Soldaten in Mexiko. Zwar behaupten beide Seiten, dies sei nicht vorgesehen, es ist jedoch fraglich, wie das Training von Militär und Polizei, die Einarbeitung im Umgang mit den Überwachungstechnologien und anderer Ausrüstung durch das US-Militär funktionieren soll, ohne in Mexiko präsent zu sein. Immer wieder wird der Vergleich zum Plan Colombia gezogen und man befürchtet, in Mexiko könnten Konflikte erst durch die Präsenz des US-Militärs entstehen.
Die Heritage Foundation begrüßt hingegen die Initiative, und fordert mehr Zugeständnisse Mexikos. So solle das US-Militär mexikanische Schiffe auch außerhalb der US-Hoheitsgewässer kontrollieren können. Auch solle auf schärfere Kontrollen an der Grenze zu Guatemala gedrängt werden“.[35]
Die Merida-Initiative zeigt, wie die Militarisierung im Innern von Außen massiv gefördert wird. Beide Präsidentschaftskandidaten in den USA begrüßen diese Form der Lateinamerikapolitik. So empfahl Obama, die Merida-Initiative auf ganz Lateinamerika auszuweiten.[36]
Anmerkungen
[1] CFR (2008): U.S.-Latin America Relations: A New Direction for a New Reality; URL: http://tinyurl.com/4we9we
[2] Ellis, R.Evans (2006): The military-strategic dimensions of chinese initiatives in Latin America; URl: http://tinyurl.com/3e63zt
[3] H.Res. 435; URL: http://tinyurl.com/3pzcno
[4] Walser, Ray (2008): Terrorism, insurgency, and drugs still threaten America`s southern flank; URL: http://author.heritage.org/Research/LatinAmerica/bg2152.cfm
[5] “Russia courts leftists in Latin America, Washington Times, 19.09.08; URL: http://tinyurl.com/4lxpkj
[6] Rede von James Hill vor dem US-Senat 2004; URL: http://tinyurl.com/3hga2p
[7] Statement on H.Res.435; URL: http://tinyurl.com/3od8j6
[8] TNI (2004): Latin America 2020; URL: http://tinyurl.com/4skfqc
[9] Rede von James Hill vor dem US-Senat 2004; URL: http://tinyurl.com/3hga2p
[10] United States Souhern Command Command Strategy 2007; URL: http://www.southcom.mil/AppsSC/files/0UI0I1175252190.pdf
[11] Hill, James (2003): Colombia: Key to Securita in the Western Hemisphere; URL: http://www.heritage.org/Research/LatinAmerica/HL790.cfm
[12] Rede des Generals Charles Wilhelm vor dem Senat, September 1999; URL: http://drugcaucus.senate.gov/colombia99wilhelm.html
[13] General Accounting Office (2000): International Counterdrug Sites being developed; URL: http://www.gao.gov/new.items/d0163br.pdf ; 15
[14] Ana Ester Cecena: Álvaro Uribe y la base de Manta; URL: http://tinyurl.com/4zgu6f
[15] Logan, Sam (2007): US faces eviction from Ecuadorian Base; URL: http://www.globalpolicy.org/empire/challenges/general/2007/0112ecuadorevict.htm
[16] “Washington busca en Colombia y Peru reemplazo a la base de Manta”; ABN, 15.05.08 URL: http://www.abn.info.ve/reportaje_detalle.php?articulo=764
[17] Edwards, Sandra (2007): The U.S. Forward Operating Location in Manta: The Ecuadorian Perspective; URL: http://www.wola.org/media/March%202007%20Manta%20Memo.pdf; S. 3
[18] Burbach, Roger (2007): Ecuador´s leftist new leader sizes up the U.S.; URL: http://tinyurl.com/4m592f
[19] Jäger, Thomas u.a. (2007): Die Tragödie Kolumbiens: Staatszerfall, Gewaltmärkte und Drogeneökonomien, Wiesbaden; S. 263.
[20] Amira Armenta u.a. (2003): Forward Operation Location in Latin America: Transcending Drug Control; URL: http://www.tni.org/reports/drugs/debate8.pdf; S. 3
[21] Ders.; S. 20
[22] “El dilema de la base de Manta”, IPS, 19.03.08; URL: http://ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=87834
[23] Stellungnahme auf der Seite der US-Botschaft in Bogota, URL: http://ecuador.usembassy.gov/topics_of_interest/manta-fol.html
[24] “EE.UU. ‘no planea base en Perú’”, 19.07.08 BBC; URL: http://news.bbc.co.uk/hi/spanish/latin_america/newsid_7462000/7462705.stm
[25] “US fleet on Latin American patrol”, BBC 23.07.08; URL: http://news.bbc.co.uk/2/hi/americas/7484039.stm
[26] “Fourth Fleet reborn to provide maritime security in Latin America”, 23.07.08; ULR: http://tinyurl.com/4btwmn
[27] “Navy Mulls Reviving the Fourth Fleet”, Miami Herald, 15.01.08; URL: http://www.military.com/NewsContent/0,13319,160064,00.html
[28] ders.
[29] “Quo vadis Cuarta Flota?”, Pagina 12, 09.07.08; URL: http://www.pagina12.com.ar/diario/elpais/1-107473-2008-07-09.html
[30] “Preocupación por el pase en la IV Flota, tras el hallazgo de petróleo”, Clarin, 07.09.08; URL: http://www.clarin.com/diario/2008/09/07/um/m-01755406.htm
[31] “Nueva advertecia de Lula contra la IV Flota de EE.UU”, Clarin, 19.09.08; URL: http://www.clarin.com/diario/2008/09/19/elmundo/i-01763138.htm
[32] United States Souhern Command Command Strategy 2007; URL: http://www.southcom.mil/AppsSC/files/0UI0I1175252190.pdf
[33] “Proteger del terrorismo a EU, otro fin de la Iniciativa Mérida”, La Jornada, 25.10.07; URL: http://tinyurl.com/4q65mq
[34] Carlsen, Laura (2007): Plan Mexico; URL: http://www.fpif.org/fpiftxt/4684
[35] Walser, Ray (2008): Mexico, drug cartels, and the Merida Initiative: a fight we cannot affort to lose; URL: http://www.heritage.org/research/LatinAmerica/upload/bg_2163.pdf
[36] Obama, Barack (2008): A New Partnership for the Americas; URL: http://tinyurl.com/4mo6ej