Pressebericht in: Neues Deutschland, 21.09.2007
Aufrüstung durch die Hintertür
EU-Reformvertrag schreibt Militarisierungspläne fest
von: Peter Nowak / Neues Deutschland | Veröffentlicht am: 24. September 2007
Von Peter Nowak
Die Regelungen der gescheiterten Verfassung, die die Militarisierung der EU fördern, finden sich im Entwurf des Reformvertrags in neuem Gewand wieder.
Der Reformvertrag, der die nach den Nein-Voten in Frankreich und den Niederlanden ad acta gelegte EU-Verfassung ersetzen soll, nimmt Gestalt an. Eine erste Arbeitsgrundlage wurde kürzlich auf dem Treffen der EU-Außenminister vorgelegt. Schon beim nächsten EU-Gipfel am 17. Oktober in Lissabon soll der Text verabschiedet werden.
Mitarbeiter der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) warnen jetzt in einer Studie vor den Militarisierungstendenzen in diesem Papier. So habe die stark kritisierte Aufrüstungsverpflichtung der EU-Verfassung auch in den Entwurf des Reformvertrags Eingang gefunden. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich in Artikel 27, Absatz 3, zur »schrittweisen Verbesserung ihrer militärischen Fähigkeiten«. Auch ein eigener Haushalt für Militäroperationen mit dem unverfänglichen Titel »Anschubfonds« ist im Entwurf vorgesehen. Dieser Fonds soll dann genutzt werden, wenn eine geplante Operation aus rechtlichen Gründen nicht aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert werden kann. Eine Kontrolle des Europäischen Parlaments oder der nationalstaatlichen Parlamente über den Fonds ist nicht vorgesehen.
Daneben soll eine »Verteidigungsagentur« die »Maßnahmen zur Bedarfsdeckung« im Militärbereich unterstützen und für die »Stärkung der industriellen und technologischen Basis« im Rüstungssektor sowie die Förderung der Rüstungsforschung mitverantwortlich sein. Im Artikel 188 des Reformwerks wird zudem der Einsatz von Militär innerhalb der EU-Staaten geregelt. So soll festgeschrieben werden, dass die EU »alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel« mobilisieren könne, um »terroristische Bedrohungen im Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten abzuwenden«.
»Es ist wohl als einmalig in der Geschichte internationaler Verträge anzusehen, dass ein völkerrechtlicher Vertrag zu verstärkten Rüstungsanstrengungen anhält«, kritisieren die Autoren der IMI-Analyse, darunter Tobias Pflüger. Letzter warnt als parteiloses Mitglied der Linksfraktion im EU-Parlament seit Jahren vor den europäischen Aufrüstungsbestrebungen.
Die IMI-Studie soll auch Antikriegsbewegungen in Europa für die Thematik sensibilisieren. So wird in der deutschen Friedensbewegung die EU-Militarisierung bisher noch immer stiefmütterlich behandelt.