IMI-Standpnukt 2006/083 - Rede in Biblis, den 4.11.2006
„Nur eines ist sicher: AKWs sind es nicht! Biblis sofort abschalten!“
Das Endlagerprojekte Bure/F oder wie EURATOM und EU-Verfassung Atomkraft fördern
von: Markus Pflüger | Veröffentlicht am: 4. November 2006
Ich will als vorletzter Redner den Blick nochmal etwas weiten – in Richtung Frankreich ins lothringische Bure und nach Eropa wegen des EURATOM-vertrages und dem G-8 und damit auch verdeutlichen, dass es AtomkraftgegenerInnen um mehr geht. – Um was geht es uns?
Eine kleine Geschichte soll verdeutlichen um was es hier angesichts dieses Atomkraftwerkes und angesichts der bevorstehenden Atommülltransporte nach Gorleben geht: Bei einer Castorblockade vor einigen Jahren in Saarbrücken fragte ein Journalist einen kleinen Jungen der zufällig in der Nähe stand: „Weißt Du was hier passiert? sein Antwort: „Ja hier soll ein Atomkraftwerk durchfahren, das ist gefährlich.“ Ich glaube der Junge hat intuitiv mehr begriffen als manch Politiker oder Anwohner: Jeder Castortransport dient dem Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Und jede Atomanlage dient dem Profit weniger Konzerne, Reibach für die herrschenden Klasse.
Natürlich ist ein Atomkraftwerk ein vielfaches gefährlicher wie diese Transporte – obwohl auch jeder Castor kräftig strahlt weshalb ja beispielsweise Polizistinnen auch mehr Abstand vom Castor halten sollen.
Castoren dienen der Verschleierung der Unlösbarkeit des Atommüllentsorgung. Kein Mensch weiß wie der Strahlenmüll wirklich sicher gelagert und von der Biospähre abgeschirmt werden soll. In Deutschland wird er in eine Scheune nach Gorleben geprügelt Zwischenlager genannt. In Frankreich lagert er oberirdisch neben der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague und auch in Frankreich braucht die Atomindustrie eine Scheinlösung.
Bure wurde auserkoren. Bure das ist ein kleines 100 Seelendorf in der dünn besiedelten Hochebene Lothringens, 150 km von der deutsch-französischen Grenze. Am 15. Juni 2006 stimmte das französische Parlament mehrheitlich für eine unterirdische Endlagerung des Strahlenabfalls- 19 von 577 Abgeordneten waren anwesend. Hunderte von Generationen werden uns noch verfluchen weil dieser hochgiftige Abfall eine teure Hypothek für tausende von Jahren ist. Hält die Verpackung, hält das Gestein darum, wie soll es solang bewacht und vor Mißbrauch geschützt werden, wie soll sichergestellt werden, dass zukünftige Menschen wissen was da strahlt? Diese Fragen werden einfach nicht gestellt weil es keine Antworten gibt – aber es gibt ordentlich Profit für die Atomindustrie.
19 von 577 Abgeordneten in Frankreich fällten also diese undemokratische Vorentscheidung für Bure. Von drei gesetzlich vorgeschriebenen Standorten wird nur noch Bure untersucht. Hier wird seit 1999 ein riesiges über 15 Hektar großes festungsähnliches Endlagertestgelände ausgebaut und betrieben, obwohl unabhängige Geologen unterirdische Verwerfungslinien feststellten. Auch der zunehmende Ablehnung der Bevölkerung wird bisher ignoriert: Die Petition von 50 000 Menschen (20 % der Bevölkerung) für ein Referendum wurde einfach abgelehnt, dabei dokumentieren zahlreiche Demonstrationen und das Widerstandshaus „Bure Zone Libre“ gegenüber der staatlichen Informationsstelle in Bure den zunehmenden Widerstand. 2015 soll die endgültige Entscheidung für ein Endlager im Parlament fallen. Nach Cattenom, dem pannenanfälligsten AKW an der deutsch-französischen Grenze, ist das Atommüllendlager Bure das zweite große Atomprojekt im strukturschwachen Lothringen. Ähnlich wie beim Bau von Cattenom, fließen auch in Bure Millionen von Euro als Subvention in die Region. Dieses Jahr wurde zudem bekannt, dass es um Bure eine 200 km² großes, 25 Dörfer umfassendem „Transpositionszone“ gibt unter der eine spätere unterirdische Atommülllagerung möglich ist. nach dem Motto Fraternité, egalité, radioactivité?
Das Endlager Bure im Saar-Lor-Lux-Raum hat europäische Dimension, so berichtete die Schweizer Nachrichtenagentur SDA am 28. 02.06: „Ein multinationales Endlager für radioaktive Abfälle ist laut dem EU-Projekt „Sapierr“ machbar und brächte Einsparungen von mehreren Milliarden Euro“. Niedersachsens Umweltminister meinte schon vor Jahren in einem Interview: „Export (von Atommüll) in EU-Staaten in einem zusammen wachsendem Europa wäre kein Export mehr. (..) die Staaten der europäischen Union bilden den nationalen Rahmen. Vielleicht gibt es ja bald ein europäisches Entsorgungskonzept, mit dem dann der deutsche Atommüll sicher endgelagert werden kann.“
Aus Deutschland erhalten die französischen Anti-Atom-Initiativen zunehmend Unterstützung, trotzdem ist die Vernetzung an diesem europäischen Endlager-Standort noch wenig entwickelt, Bure kaum bekannt: Obwohl es für die halbe Bundesrepublik näher liegt als das deutsche Pendant in Gorleben sind bisher nur wenige deutsche AtomkraftgegnerInnen zu den Protesten nach Lothringen gekommen. Die Bürgerinitative Lüchow-Dannenberg praktiziert mit einer Partnerschaft Solidarität mit Bure, ebenso wie einige Gruppen aus Süddeutschland. Doch wenn nicht mehr deutsche AtomkraftgegnerInnen „Bure“ auf ihre Tagesordnung setzen, könnte dort ein europäisches Endlager ausgebaut und schneller in Betrieb genommen werden wie in Gorleben.
Eine gute Antwort darauf ist das internationale Widerstandshaus“Bure Zone Libre“ mitten in Bure lädt es zu Protest und Widerstand ein. Alle sind aufgefordert das Thema auf ihre Agenda zu setzen und sich einzumischen.
Konkret: Am 16 Dezember , 6. Januar und am 24 Februar 2007 lädt der Verein ins Haus ein Vorgestern besetzte ein Atomkraftgegner 8 Stunden lang den Laternenmast vor dem Enlagerprojekt in Bure. Er protetsierte dagegen, dass 4 junge Atomkraftgegner, die beim Widerstandfestival im Juli, einige der nächtlich strahlenden Laternen nachhaltig ausschalteten zu mehreren tausend Euro Strafe verurteilt werden sollen, am 13.11. wird dagegen in Bar-Le Duc demonstriert. Auch die nächsten Tage sind in Frankreich Protest geplant dabei wird auch der Opfer der Atomenergie gedacht .Am 7.11 ist der 2 Jahrestag des Todes von Sebastian Briat – er wurde vor 2 Jahren vom Castortransport nach Gorleben gegen den er protestierte überrollt. Seine Band hat in Gorleben und im Widerstandshaus in Bure gefeiert und Musik gemacht. Wir rufen solidarisch nach Bure: Weder Gorleben , noch Bure! Die einzige Lösung ist die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen!
EURATOM
12 Jahre Widerstand und das Atommüllprojekt der Großregion ist in Deutschland immer noch kaum Thema. Obwohl wir seit Jahren auf die zweitgrößte Atomanlage der Region nach Cattenom hinweisen, hüllen sich die Regierungen der Nachbarländer weiterhin in Schweigen .Statt dessen fließen 7,3 Millionen Euro Forschungsgelder über ESDRED, Engineering Studies and Demonstration of Repository Design im Rahmen des 6. EURATOM-Forschungsprogrammsg in das „Forschungslabor“ – wie der Werbeprospekt der Betreibergesellschaft ANDRA verrät. Von den 7,3 Millionen Euro für Bure über EURATOM zahlt Deutschland rund ein Viertel. Und deutsche Firme beteiligen sich aktiv an den Untersuchungen in Bure. – beispielsweise die Deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe sowie die Atomfirmen GRS und DBE. – Konkret 7,3 Mio. Euro Das neue 7. EURATOM-Forschungsprogramm wird ab 2007 um 200% erhöht: .So sollen die Gelder für die Atom-Fusionsforschung von 824 Millionen auf 2,167 Milliarden € steigen, die Gelder für Atomspaltung, Endlager und Strahlenschutzforschung von 209 auf 395 Mio. € und die Gelder für die atomaren Joint Research Forschungszentren von 319 auf 541 Mio. €. steigen. Insgesamt sollen also die Atomforschungsmittel der EU von 1,352 Milliarden auf 3,103 Milliarden € erhöht werden. Der deutsche Steuerzahler finanziert also Milliarden Euro für den Erhalt und Ausbau des Dinosauriers Atomkraft mit, obwohl Deutschland offiziell aussteigt und nur eine Minderheit der EU-Länder Atomkraftwerke betreibt.
50 Jahre Atomenergieförderung, Milliardensubventionen für Forschung und Ausbau sind genug!
Wir fordern das Ende des anachronistischen EURATOMvertrages!
Keine EU-Gelder für die Atomenergie – Wir fordern EURENEW statt EURATOM!
Ab dem 6.11.06 findet übrigens die Klimaschutzkonferenz in Nairoby statt, deswegen demonstrieren heute in 48 Ländern quer durch alle Kontinente auf der Erde Menschen für den Klimaschutz. Wir grüßen alle, die heute für eine ökologische Energiewende ohne Atomkraft demonstrieren. Wir fordern die weltweite Abschaltung aller Atomanlagen!
Es geht aber nicht nur um die Gefahr und die tödlichen Folgen der Risikiotechnologie Atomkraft– die wird gerne herunter gespielt und verdrängt. Das ist nicht neu für uns. Es geht auch um Profit und Machterhalt.
Dafür treffen sich die Mächtigen regelmäßig und stricken an für ihrem neoliberales Projekt wo alles und jeder der Verwertungslogik unterworfen wird – wo die Schere zwischen Arm und Reich zunimmt und die Umweltzerstörung an der Börse gehandelt wird. 2007 sind drei wichtige Ereignisse dazu in Deutschland, die auch für alle AtomkraftgegnerInnen von Bedeutung sind:
Erstes Event:
Im ersten Halbjahr 2007 wird Deutschland mit Merkel die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen Zu Beginn dieser Ratspräsidentschaft ist geplant das ‚Grünbuch zur gemeinsamen Energiepolitik‘ und der relativ ambitionierten ‚Aktionsplan zur Energie-Effizienz‘ im Januar 2007 vorlegen. Auf dem Frühjahrsgipfel am 8. /9. März in Brüssel werden die Staats- und Regierungschefs dann über einen ‚Aktionsplan für eine europäische Energiepolitik‘ entscheiden, der die Grundzüge der europäischen Energiepolitik festlegen wird. Die Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, ob während ihrer Präsidentschaft eine zukunftsfähige Energiepolitik beschlossen wird, die auf Energieeffizienz, Energieeinsparung und erneuerbare Energien setzt oder ob der Energieaktionsplan von den Themen Versorgungssicherheit und dem Rückgriff auf fossile und atomare Energiestrategien dominiert wird. Doch mir schwant nichts gutes: Merkel will die EU-Militärmacht und das neoliberale Wirtschaftmodell wie es in der Verfassung festgeschrieben wird weiterbringen. Und der EURATOMvertrag wird ebenso wie eine Aufrüstungsverpflichtung in der EU-Verfassung festgeklopft. Der EURATOM-Vertrag, welcher eine Förderung der Atomenergie beinhaltet, bleibt einerseits als einziger EU-vertrag außerhalb des EU-Verfassungsvertrages bestehen und wird andererseits angepasst und Teil des Verfassungsvertrages. Dieser ist militaristisch, undemokratisch und neoliberal – Ökologie wird darin dem Profit geopfert und Atomkraft gefördert. So sind in Europa neue Atomkraftwerke in Planung: der Europäische Druckwasser-Reaktor EPR als europäisches Modell für AKW-Neubauten soll von Siemens und Framatom In Frankreich und Finnland gebaut werden, dagegen kündigen wir Widerstand an: nächstes Jahr sind in ganz Frankreich Demonstrationen gegen den EPR so am 17. März 2007 in Straßburg – unsere Solidarität gegen diese deutsch-französische Projekt ist gefordert. Das passt gut zum zweiten Event
Zweites Event:
Am 25. März feiert der EURATOM-Vertrag sein 50jähriges Bestehen. Merkel lädt nach Berlin und zu Feierlichkeiten an anderen Orten– Der verlogenene deutsche Atomkonsens, der den Namen Ausstieg nicht verdient, spielt dabei die Rolle die er scheinbar in Wirklichkeit hat: er ist irrelevant: die Atomenergie wird in Deutschland gefeiert – 50 Jahre Milliarden Steuergelder für diese Irrsinnstechnologie. Wir sind aufgefordert mitzufeiern, den 50 Jahre EURATOM sind genug, EURATOM gehört abgeschafft!
Drittes Event:
Der G-8 Gipfel in Heiligendamm. Hier treffen sich Anfang Juni die selbsternannten Chefs der Reichsten und effektivsten Ausbeuterstaaten zu ihrem Treffen. Schon jetzt wird eine Hochsicherheitszone vorbereitet, damit sich die Regierungschefs möglichst ungestört treffen können. Aber auch die Widerstände organisieren und vernetzten sich. Wir sind gefragt bei Gegengipfel und Blockaden Sand im Getriebe zu sein und den G-8 zu verhindern, den sie hecken mit ihrer Energiepolitik eine Renaissance der Atomenergie aus. – die Politik organisiert in der neoliberalen Ordnung und Ideologie den Wettbewerb für die Wirtschaft, dazu setzt die Politik Sozialabbau, Repressionen, Privatisierung und Freihandel durch. Der Zugang zu den endlichen Ressourcen wird mit militärischen Mitteln geführt- unnütze Flüchtlinge die nicht an den Grenzen getötet werden, erleben eine Politik der Ausgrenzung und Abschiebung. Und was im neuen Weißbuch der Bundeswehr und in der EU-Verfassung steht ist erschreckend und dreist: Offen wird darin die offensive Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen und die militärische Kontrolle der Rohstoffversorgung zu zentralen Aufgaben der Bundeswehr und EU-Kriegsmacht erklärt. Oder auch vereinfacht: Krieg nach innen und aussen-für den Wohlstand der Reichen – zulasten der Armen und zulasten der Umwelt.
Widersetzen wir uns diesem Krieg, denn wir wollen eine andere, gerechte & friedliche Welt, ohne Atomkraft und ohne Atomwaffen. Wir sind lieber heute aktiv als morgen radioaktiv und setzen heute und die nächsten Tage ein klares Zeichen gegen Castor und Atomkraft!.
Ich will mit einem Gedanken von Adorno enden, er schrieb: „Man sollte soweit es nur irgend möglich ist so leben, wie man in einer befreiten Welt glaubt leben zu wollen, gleichsam durch die Form der eigenen Existenz mit all den unvermeidbaren Widersprüchen und Konflikten, die das nach sich zieht. Dieses Bestreben ist notwendig zum Scheitern und zum Widerspruch verurteilt, aber es bleibt nichts anderes übrig, als diesen Widerspruch bis zum bitteren Ende durchzumachen. Die wichtigste Form die das Heute hat, ist der Widerstand.“
Jeder Tag an dem die Atomanlagen laufen ist ein Tag zuviel – Jeden Tag kann ein SuperGau geschehen – jeden Tag gibt es Opfer. Atomkraft tötet. Für die sofortige Stillegung der herrschenden Klasse!
Stromwechseln, Castorstoppen, der Kampf geht weiter – la lucha sigue!
Redebeitrag von Markus Pflüger, Stop Bure Gruppe Trier (mail@markus-pflueger.de) am AKW -es gilt das gesprochene Wort Biblis, den 4.11.2006-