IMI-Standpunkt 2006/059 - in: Wissenschaft und Frieden 3/2006
Energie ist Macht
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 26. Juli 2006
Energie! Jenes Elixier, das die menschliche Entwicklung vorangetrieben hat, um das aber auch seit frühester Zeit Kriege geführt wurden, ist das Thema dieser Ausgabe von W&F. In der heutigen Zeit, sind es Öl und Gas, von denen die Menschheit – vermeintlich – abhängig ist. Daniel Yergin, der Verfasser der Chronik des Öls (Der Preis, Frankfurt 1991, S. 964), über dessen Bedeutung für die modernen Industriegesellschaften: „Die Kontrolle des Öls oder zumindest der Zugang zu ihm, war immer ein großes strategisches Ziel. Das Öl erlaubt den Nationen, Besitz anzusammeln, ihre Wirtschaft anzutreiben, Güter zu produzieren und zu verkaufen, Waffen zu kaufen oder herzustellen, Kriege zu gewinnen.“
Energie, so war es immer, ist Macht, und diese wird notfalls auch militärisch gesichert. Im Lichte schwindender (Öl)Ressourcen wird die Verfügungsgewalt über das »Schwarze Gold« immer wichtiger. Nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern bei sämtlichen Großmächten nimmt die militärische Versorgungssicherung inzwischen einen zentralen Stellenwert in den strategischen Planungen ein. Dies gilt auch und besonders für Deutschland und die Europäische Union. So kommentierte »Die Welt« (12.5.06) den Entwurf für ein neues Weißbuch der Bundeswehr folgendermaßen: „Die Feststellung, die Bundesregierung werde zur Wahrung ihrer Interessen auch militärische Mittel einsetzen, ist nur konsequent. Und mit der Formulierung, dass sich die Regierung besonders jenen Regionen zuwenden werde, in denen Rohstoffe und Energieträger gefördert werden, begibt sich Deutschland endlich auf gleiche Augenhöhe mit anderen Ländern, in denen dieses Verhalten eine Selbstverständlichkeit ist.“
Zusätzlich zu den von Yergin benannten Punkten, die das »Schwarze Gold« machtpolitisch so wichtig machen, wird ein weiterer Aspekt immer bedeutsamer: Die Fakturierung, also die Frage, mit welcher Währung Öl (und auch Gas) auf dem internationalen Markt erworben werden kann. Da Öl bislang ausschließlich in Dollar gehandelt wurde, erzeugt dies eine gigantische Nachfrage nach der US-Währung, die zentral zu Washingtons Dominanz des Weltfinanzsystems beiträgt. Inzwischen liebäugeln aber mehr und mehr Öl produzierende Länder (z.B. Venezuela, Saudi Arabien, Iran und der Irak bis zum US-Einmarsch) mit einem Wechsel zum Euro. Der hierdurch zwangsläufig entstehende Nachfrageeinbruch würde es Washington nahezu unmöglich machen, sein gigantisches doppeltes Defizit von Haushalt und Handelsbilanz weiterhin über das Drucken von Papierschnipseln (Schulden in Form von Staatsanleihen) zu finanzieren. Nicht wenige sehen in dieser Herausforderung der US-amerikanischen Vorherrschaft die eigentliche Triebfeder für die beispiellose Militarisierung der US-Außenpolitik.
Dazu der republikanische Kongressabgeordnete Ron Paul (Texas) vor dem US-Repräsentantenhaus (Februar 2006): „Unser gesamtes wirtschaftliches System hängt davon ab, dass das gegenwärtige Dollar-Recycling-System Bestand hat. Wir leihen uns jährlich 700 Mrd. Dollar von unseren ‘großzügigen Wohltätern’, welche dafür hart arbeiten und unsere Dollarnoten für ihre Produkte annehmen. Weiter borgen wir uns all die Gelder aus, die wir für die Sicherung des Empires brauchen (Verteidigungsbudget: 450 Mrd. Dollar) und noch mehr. Die Militärmacht, welcher wir uns ‘erfreuen’, wird zu der ‘Deckung’ unserer Währung …Am wichtigsten ist, dass die Dollar-Öl-Beziehung aufrecht erhalten wird, um ihn als überragende Währung zu sichern. Jeder Angriff auf diese Beziehung wird machtvoll beantwortet werden – so wie es immer schon geschehen ist.“
Ein Ausbruch aus dem Energiedilemma muss also zwei Komponenten umfassen. Zum einen müssen alternative und zukunftssichere Energien konsequent gefördert werden. Nur hierdurch kann verhindert werden, dass in absehbarer Zukunft militärisch um den letzten Tropfen Öl gekämpft wird. Andererseits ist dies allein aber nicht ausreichend. Denn selbst wenn ein solcher Aufbruch in die erneuerbaren Energien gelingt, bleibt das Problem der Verfügungsgewalt. Um den Teufelskreis aus Energie, Macht und im schlimmsten Fall Krieg zu durchbrechen, muss der Zugang der Menschheit zu Energie pluralisiert und demokratisiert werden. Energie ist keine gewöhnliche Handelsware, die beliebig den Kräften des Marktes sowie den Profit- und Machtlogiken der jeweilig interessierten Akteure unterworfen werden kann und darf. Ob Esso, Chevron – oder wie sie alle heißen – Öl oder irgendeinen anderen Energieträger verkaufen, das wird für den Nutzer wahrscheinlich viel weniger positive Folgen haben, als viele sich erhoffen. Denn solange die Verfügungsgewalt in den Händen der Großkonzerne bleibt, werden sie diesen Vorteil stets zu nutzen wissen. Deshalb ist nicht nur die Abkehr von Energiedinosauriern wie Öl und Gas sowie von der Atomkraft dringend notwendig, wir müssen generell Umdenken. Im wahrsten Sinne des Wortes: »Power to the People!«