IMI-Standpunkt 2005/032

Rede von Tobias Pflüger in Mittenwald, 14. Mai 2005


von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 23. Mai 2005

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Rede in Mittenwald

Ja, liebe Mittenwalderinnen und Mittenwalder,

ich will mich kurz vorstellen: Ich bin dieser Abgeordnete, der die Räume belegen wollte, der beantragt hat, dass diese Anhörung von Zeitzeugen heute morgen in Räumlichkeiten der Gemeinde stattfindet. Die Gemeinde hat aber beschlossen, dass dies nicht möglich ist, und deshalb fand das ganze in einem Zelt statt.

Liebe Demonstrantinnen und Demonstranten,
was hier heute geschieht, ist das, was ich in Bayern regelmäßig erlebe: es wird versucht, mit Polizeiübergriffen vom Thema der Demonstration bewusst abzulenken und bewusst die Situation zu eskalieren. Ich kann nur ganz klar sagen: Wir haben gute Gründe, warum wir demonstrieren!

Wir haben gute Gründe, warum wir demonstrieren, und die liegen darin, dass sich hier nach wie vor Traditionsverbände treffen, und dass sich Leute treffen, die – um es juristisch korrekt zu sagen – allerhöchstwahrscheinlich an Kriegsverbrechen beteiligt waren. Und es ist bekannt, was die Gebirgsjägertruppe, die hier stationiert war, gemacht hat. Sie war unter anderem beteiligt an der Deportation von griechischen Jüdinnen und Juden nach Auschwitz. Dazu kann ich nur sagen: Hier ist eine ernsthafte Geschichtsaufarbeitung notwendig!

Bis heute ist es so, dass wir uns von Passantinnen und Passanten – nicht von allen – anhören müssen, es wäre nicht richtig, hier zu demonstrieren:
Wir werden so lange kommen, bis diese Traditionstreffen auf dem Hohen Brendten aufhören, wir werden so lange kommen und gegen diese Treffen demonstrieren!

Liebe Freundinnen und Freunde, es gibt auch das, was Wolf-Dieter Narr angesprochen hat: Kontinuitäten.

Eines der Mitglieder dieses Traditionsverbandes ist der bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Wir haben im Vorfeld die Forderung aufgestellt, dass er endlich seine Mitgliedschaft in diesem Traditionsverband beendet und endlich aus diesem Traditionsverband austritt.

Aber es wundert mich nicht, dass er in diesem Traditionsverband ist, und dass er regelmäßig diese Treffen politisch unterstützt. Das hat damit zu tun, dass es bis heute in der Bundesrepublik normal ist, Verbrechen der Wehrmacht gesund zu reden.
Und es hat damit zu tun, dass es normal ist hier in dieser Republik, dass eine ganze Reihe von Menschen, die im Nationalsozialismus eine wesentliche Rolle gespielt haben, später wesentliche Posten in dieser Bundesrepublik übernommen haben. Ich erinnere nur an den ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes, aus dem ich herkomme, an Herrn Filbinger, oder an Herrn Kiesinger, den ehemaligen Bundeskanzler.

Am Beispiel von Herrn Filbinger: Herr Filbinger war, nach allem was historisch nachgewiesen ist, als Marinerichter beteiligt an Urteilen insbesondere gegen Deserteure. Und er wurde problemlos jetzt wieder benannt als CDU-Vertreter bei der Neuwahl des Bundespräsidenten.
Ich kann nur sagen: Eine CDU, die dieses zulässt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie in ihren Reihen Leute hat, die konkrete Verbrechen im Nationalsozialismus begangen haben!

Liebe Freundinnen und Freunde, bei den Traditionstreffen sind auch Vertreter der Bundeswehr. Heute gibt es Gebirgsjäger der Bundeswehr, die eine ganz spezifische Rolle im Bereich der Bundeswehr spielen. Sie gehören zu den so genannten „Einsatzkräften“, zu denjenigen Truppen, die unter anderem auf Interventionen vorbereitet werden.

Ich habe mir im letzten Jahr gemeinsam mit anderen einen Teil der Traditionsräume angeschaut. Es ist bis heute so, dass in diesen Traditionsräumen Bezug genommen wird auf Gebirgsjäger der We

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hrmacht. Und dieser Bezug wird bewusst genommen. Das hat ein Geistlicher, der bei der Bundeswehr arbeitet, sehr schön formuliert. Er sagte, was er für eine Erfahrung macht, ist, dass heute bei der Bundeswehr regelmäßig nicht auf die Väter Bezug genommen wird, sondern auf die Großväter, weil diese Großväter etwas haben, was die Bundeswehr heute bräuchte, nämlich den Umgang mit Kriegserfahrung.

Und genau das zeigt, dass es Kontinuitäten gibt zwischen Bundeswehr und Wehrmacht. Daher können wir immer und immer wieder fordern, dass endlich die Namen der Kasernen und der Einheiten nicht mehr nach Wehrmachtsverantwortlichen heißen.

Ich kann aber nur sagen: es hat seine innere Logik, dass es genau diese Namen gibt im Bereich der Bundeswehr. Und deshalb müssen wir uns beschäftigen mit dem, was die Gebirgsjäger damals gemacht haben, und wir müssen uns beschäftigen mit dem, was die Gebirgsjäger heute machen. Diese Gebirgsjäger gehen demnächst, habe ich heute gehört, in den Kosovo, das heißt, sie sind an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt. Dazu kann ich nur ganz klar sagen:

Wir wollen keine Bundeswehr im Ausland – wir wollen gar keine Bundeswehr!

Ein letzter Aspekt: Ich sitze ja inzwischen im Europäischen Parlament, und wir hatten jetzt eine Debatte über die so genannte 8.-Mai-Resolution. In dieser 8.-Mai-Resolution ist es dem Kollegen Landsbergis, dem ehemaligen litauischen Ministerpräsidenten, im Auswärtigen Ausschuss gelungen, eine geschichtsrevisionistische Formulierung in die verabschiedete Fassung hineinzubekommen. Er hat nämlich seinen Kollegen Laschet von der CDU aufgefordert, bei der Formulierung „Kritik an dem sowjetischen Regime und an dem nationalsozialistischen Regime“ das Adjektiv „tyrannisch“ vor die Bezugnahme auf das „sowjetische Regime“ zu setzen. So dass die Schlussformulierung lautete: „Kritik an dem tyrannischen sowjetischen Regime und am Nazi-Regime“. Es war also eine Formulierung, die konkret beinhaltet hat, dass das sowjetische Regime schlimmer war als der Nationalsozialismus.

Einem sozialdemokratischen Kollegen und mir ist das aufgefallen, und wir haben das thematisiert. Das Ergebnis der Debatte – dem wir nicht zugestimmt haben – war dann, dass bei beiden Regimen „tyrannisch“ davor gesetzt wird.

Ich kann nur sagen: Nein, genau wie es gerade eben Wolf-Dieter Narr gesagt hat: der Nationalsozialismus war in seiner Form leider spezifisch einmalig. Er stellt eine spezifisch deutsche Geschichte dar. Da eine Gleichsetzung vorzunehmen mit der Sowjetunion ist nichts anderes als Geschichtsrevisionismus, und den weisen wir ganz klar zurück!

Was wir jetzt im Europäischen Parlament auch diskutiert haben, was auch hier kurz angesprochen wurde und was jetzt der Bundestag beschlossen hat, ist der EU-Verfassungsvertrag, der eine ganze Reihe von kriegsfördernden Elementen enthält: Aufrüstungsverpflichtung, Rüstungsagentur, Kampfeinsätze, Ständige Strukturierte Zusammenarbeit usw.

Es ist die Aufgabe von uns heute, uns mit dem auseinanderzusetzen, was die Geschichte bedeutet, und uns mit dem auseinanderzusetzen, was in der Gegenwart passiert. Und das bedeutet für mich ganz klar, dass wir Nein sagen zu diesem EU-Verfassungsvertrag, weil er Militarisierung vorantreibt und eine neoliberale Wirtschaftordnung. Deshalb klar Nein zu diesem EU-Verfassungsvertrag!

Das bedeutet auch das, was Peter Gingold vorher formuliert hat, dass die Verpflichtung aus der Geschichte lautet:

Nie wieder Auschwitz! Und: Nie wieder Krieg!

Und dafür werden wir hier kämpfen.

Vielen Dank.

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