Pressebericht / in: Engelszunge, April 2003, S. 7
Rezension
Jürgen Wagner - Das ewige Imperium
von: Pressebericht / Engelszunge / Ali el-Asrouti | Veröffentlicht am: 17. September 2003
Es ist erfreulich, daß unter den vielen Büchern, die nach dem 11.September 2001 zum Thema USA und ihre Außenpolitik erschienen sind, sich einige ernsthafte und wissenschaftliche Bearbeitungen des Themas befinden. Dazu gehört ohne Zweifel Das ewige Imperium von Jürgen Wagner, welches hervorragend recherchiert ist.
Nach Wagner hat sich in der US-Außenpolitik nach den Anschlägen von New York nichts verändert, Washington setzt weiterhin auf die „imperiale Strategie“, die zur Festigung des neoliberalen Wirtschaftssystem führen soll. Interessant ist, daß Jürgen Wagner in seiner Einleitung auf den griechischen Historiker Thukydides verweist, der in seinem Werk der Peleponnesische Krieg beschrieb, wie die damalige Großmacht Athen mit der Insel Melos verfuhr. Diese Insel hatte eine strategisch wichtige Bedeutung, deswegen verlangte Athen von ihr, daß sie dem Seebund beitreten sollte. Die Melier lehnten jedoch ab und wollten sich weder auf die Seite der Athener noch auf die Seite der Spartaner stellen, um so ihre Neutralität zu wahren. Die Konsequenz dieser Ablehnung war, daß die Athener die männlichen Einwohner Melos’ hinrichteten und ihre Frauen und Kinder in die Sklaverei verkauften. Nach Robert Gilpin und vielen anderen wird diese Art der Politik „als eine zeitlose Darstellung des politischen Realismus“ gefeiert. Denn „Macht macht Recht“ und dies ist vor und nach dem 11. September die zentrale Kategorie des amerikanischen außenpolitischen Denkens und Handelns. Durch die Gleichsetzung von Krieg und Terrorismus wurde ein permanenter Kriegszustand ausgerufen. Nach Jürgen Wagner ist eben diese Strategie der Motor für die Entstehung asymmetrischer Kriegsführung und „verschärft zahlreiche Konflikte der internationalen Beziehungen“. Die US-Außenpolitik basiere auf der Theorie des sogenannten „offensiven Realismus“. Demnach könne ein Staat eine optimale Sicherheit nur dann erreichen, wenn sein oberstes Ziel die Anhäufung von Macht sei. Denn Überlegenheit verspreche Sicherheit. Durch die Machtakkumulation entstehe die Globalisierung, die ein Wirtschaftssystem verbreitet, von dem schwächere Staaten nicht profitieren können. Die USA sind die größten Nutznießer der Globalisierung und nur deshalb sei es in ihrem Interesse dieses System auszuweiten. Folglich besteht die Rolle des US-Militärs darin, die grundlegende Machtstruktur bereitzustellen, auf der das System basiert. Zum Erhalt der US-Hegemonie gelte es also sowohl die ökonomische als auch die militärische Machtmaximierung zum obersten Ziel zu machen. Diese Art der Politik richte sich in erster Linie gegen Rußland und China, die für den Hegemon USA eine ernsthafte Konkurrenz seien. Eine wahrhaftige internationale Zusammenarbeit, so Wagner, werde von den Vereinigten Staaten nur dann in Anspruch genommen, wenn sie den eigenen Interessen diene. Dabei wüßte man inzwischen sehr genau, daß eine Eindämmung des Terrorismus nur dann erreicht werden könne, wenn die egoistische und rücksichtslose Außenpolitik der USA eine radikale Wandlung erfahre. Die Entstehung von Terrorismus gerade in islamischen Ländern erklärt sich Wagner durch die Hinnahme von Krisen und Misständen seitens der Amerikaner, die sie zum größten Teil selber verursacht haben. Überdies bemerkt er zu Recht, daß man den Eindruck habe, muslimische Menschenleben seien weniger Wert. Tatsächlich glaubt man in der arabischen Welt, für die Menschen im Westen seine Muslime nichts wert. Nachdem die damalige USAußenministerin Madeleine Albright auf die Frage, ob das Embargo gegen den Irak den Tod von einer Million Menschen (davon 500.000 Kinder) rechtfertige, mit einem klaren Ja antwortete, ist es nicht verwunderlich, daß viele Menschen in der arabischen Welt den Amerikanern nicht gerade besonders freundlich gesinnt sind. Die Priorität der amerikanischen Politik sei mit Sicherheit nicht die Förderung von Demokratie, so Wagner.
Bei den Regierungen von Ägypten oder Tunesien, die von den Amerikanern massiv unterstützt werden, handelt es sich sicherlich nicht um Demokratien. Hier soll ein Wirtschaftssystem funktionieren, welches den neoliberalen Grundsätzen gehorcht. Doch positive Entwicklungen wird dieses System nicht in diesen Ländern hinterlassen, denn „es verursacht große Einkommensunterschiede und löst somit destabilisierende interne Migrationsströme aus“, die Extremismus, in welcher Form auch immer, erst recht gedeihen ließen. Damit dies in der Zukunft verhindert werden kann, müsse die EU nach Wagner eine starke Union werden, die jedoch ihre Stärke nicht durch militärische Konkurrenz zu den Vereinigten Staaten erreichen solle. Wagner will eine Gegenmacht zu den USA als eine zivile Gegenmacht verstanden wissen. Da die EU bereits Schritte begonnen zu habe, die in Richtung Militarisierung der Außenpolitik gehen, solle sie diese zurücknehmen und auf eine zivile Konfliktlösung setzten, mit welcher man dann die USA zu einer radikalen Neugestaltung ihrer Außenpolitik bewegen müsse. Im Moment herrsche noch ein Mißklang zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, so verweist Wagner auf die ständigen Versuche der USA jegliche Autonomiebestrebungen zu verhindern. Sowohl das europäische Satellitenprogramm Galileo, als auch die Aufforderung der USA den europäischen Airbus A400M nicht zu bauen, sondern die amerikanische Boing C-17 zu kaufen, zeugte nicht gerade von einer Unterstützung, die eine starke und vor allem unabhängige EU schaffen soll. Wagner wagt einen Blick in die Zukunft und sagt voraus, daß Handelskriege zwischen den USA und der EU keine Seltenheit sein werden. Die Vereinigten Staaten, heißt es weiterhin, ver- suchten nicht aber wenn sie die eigene politische Vorherrschaft und ökonomischen Interessen gefährde. Sollte es zu einer gefährlichen Konfrontation der beiden Pole kommen, so sei ein neuer Kalter Krieg nicht ausgeschlossen. Die NATO bleibt letztlich für viele Staaten bedeutungslos, denn während beispielsweise die von den USA betriebene Pseudo-Annäherung zwischen der NATO und Rußland nur dazu dienen soll ihnen keine Gelegenheit zu bieten eine selbständige Politik zu formulieren, könne Washington mit seinem Vetorecht alles blockieren. Außerdem könne die NATO die USA an kriegerischen Auseinandersetzungen ohnehin nicht hindern. Die NATO diene den Vereinigten Staaten freilich als Instrument dazu ihre geopolitische Dominanz in Europa aufrecht zu erhalten.
Um einen Ausweg aus diesem veralteten Prinzip der Machtakkumulation zu finden- und spätestens hier wird klar, daß auch Wagner aus der Friedensbewegung kommt- müsse sich die Außenpolitik der Europäischen Union auf die Lösung von Problemen und Krisen konzentrieren anstatt eine militärische Gegenmacht zur USA aufzubauen. Die wäre laut Wagner ein eindeutiger Gegenentwurf zur amerikanischen Interventionspolitik, die oft mehr Schaden anrichte als zur Konfliktlösung beitrage. Anstelle der Androhung von militärischer Gewalt, „könnte die EU mittels ziviler Alternativen Ländern Möglichkeiten verschaffen, sich der Einflußnahme der Vereinigten Staaten zu widersetzen“. Außerdem wäre auch eine Neuorientierung der Wirtschaftspolitik, die sich an den Bedürfnissen der Menschen und nicht am Kapital anpasse, notwendig. Wenn die Europäische Union dies durchsetze, könne die USA schrittweise zu einer Änderung ihrer Politik veranlaßt werden.
Jürgen Wagner, Das ewige Imperium. Die US-Außenpolitik als Krisenfaktor. 172S., VSA Verlag, Hamburg 2002