Pressebericht - in: Islamische Zeitung, 18.08.2003

Hintergrund: Krieg für Elektronikbauteile

Wie sehen die Interessen der EU im Kongo aus?

von: Islamische Zeitung | Veröffentlicht am: 2. September 2003

Drucken

Hier finden sich ähnliche Artikel

Der Krieg gegen den Irak war nur einer von vielen, denn weltweit finden momentan mindestens 45 kriegerische Auseinandersetzungen statt. Meist werden sie von der Öffentlichkeit kaum wahr genommen. Einer dieser „vergessenen“ Kriege wird in der Demokratischen Republik Kongo geführt. Zwischen 3 und 4,7 Millionen Menschen sind nach Schätzungen der Organisation International Rescue Committee seit 1998 ums Leben gekommen. Nach einem Bericht der UN-Untersuchungskommission geht es bei diesem Krieg vor allem um die Kontrolle der im Kongo erheblich vorhandenen Ressourcen an Gold, Diamanten, Uran, Tropenhölzern und Coltan (Colombo-Tantalit). 80 Prozent der weltweit bekannten Coltan-Ressourcen liegen im Kongo.

Unentbehrlich ist der Rohstoff für die Herstellung von Hightechprodukten. In Spielkonsolen und in jedem Handy findet sich Coltan. Militärisch relevant ist es für die Nutzung in der Raumfahrt- und Kommunikationstechnologie. Die Krieg führenden Armeen und „Warlords“ finanzieren sich und den Krieg durch die Einnahmen aus dem Coltan-Abbau. Unterstützt u.a. von Uganda und Ruanda, bewaffnen die kongolesischen „Warlords“ Kinder und Erwachsene und lassen sie um Diamanten- und Goldminen kämpfen. In den europäischen Medien (z.B. Thilo Thielke im Spiegel 25/2003) werden diese Verteilungskriege meist unter der Rubrik der „ethnischen Konflikte“ abgehandelt, wobei die ökonomischen und sozialen Hintergründe außer Acht gelassen werden. „Ethnische Zuordnungen dienen lediglich als Trennlinien und Legitimationsmuster in einem mit Waffengewalt ausgetragenen Kapitalismus und einem Kampf um Güter, die westliche Wohlstandsbedürfnisse befriedigen“, so Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen. Nachdem Belgien den Kongo in die Unabhängigkeit entlassen musste, „blieb (…) ein Staat übrig, der keiner war, mit einer zerstrittenen und zersplitterten Parteienlandschaft, der bis heute keinen Frieden erlebt hat. Ständig mit westlicher Nachfrage nach Luxusgütern konfrontiert und vom Ausland mit Waffen versorgt, wurde die Gesellschaft zunehmend militarisiert, sodass heute schon Sechsjährige, vollgepumpt mit Drogen, in Uniform und mit Gewehren bewaffnet für die Interessen eines Rohstoffhändlers morden und plündern, ohne dessen Namen überhaupt zu kennen.“ (Christoph Marischka) Mitverantwortlich für die kriegerischen Konflikte im Kongo sind auch deutsche Unternehmen, die Geld oder Waffen in die Region transferieren. Ein Beispiel dafür ist H.C. Starck, Weltmarktführer bei der Tantalit-Verarbeitung. Diese Tochter des deutschen Chemiekonzerns Bayer hat nach Angaben einer Kommission der Vereinten Nationen mit ihren Rohstoffgeschäften in Zentralafrika zur Finanzierung der Krieg führenden Armeen und „Warlords“ beigetragen. Die Bundesregierung hält das „wirtschaftliche Potential des Landes“, das „seit der Unabhängigkeit nie voll ausgeschöpft werden“ konnte, für „enorm“. In einem Positionspapier des Auswärtigen Amtes („Außenpolitische Strategie für Zentralafrika“) heißt es, die Demokratische Republik Kongo werde in Zukunft „aufgrund ihrer Größe, des Rohstoffreichtums und der zentralen Lage an politischem und wirtschaftlichem Gewicht erheblich gewinnen“. Der UN-Sicherheitsrat entschied, eine 1.400 Soldaten starke multinationale „Friedenstruppe“ unter französischer Führung in die Region zu entsenden, „um die Zivilbevölkerung zu schützen“. Am 5. Juni beschloss der EU-Ministerrat die „Mission“. Einen Tag später landete ein französisches Vorauskommando mit 100 Soldaten und zwei Flugzeugen in Bunia. Am selben Tag befasste sich der Bundestag mit dem Fall. SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU-Fraktion waren sich einig: Die Bundesrepublik unterstützt den Militäreinsatz. Dass Frankreich mehr als die Hälfte der „Friedenstruppe“ stellt und die Führung des Militäreinsatzes im Kongo übernimmt, ist angesichts der französischen Verbrechen in Afrika sowohl in der kolonialen Epoche als auch in jüngster Vergangenheit ein makabrer Treppenwitz der Geschichte. Das neue französische Militär-Engagement weckt in Ruanda, einem Nachbarland des Kongo, böse Erinnerungen an die Zeit, als Frankreich den Massenmord der Hutu an den Tutsi durch Unterlassung unterstützte.