Pressebericht / in: junge Welt vom 17.07.2003

Kongo-Einsatz der Bundeswehr: Was macht die Friedensbewegung?

jW fragte Ekkehard Lentz, Sprecher des Bremer Friedensforums, Interview: Wolfgang Pomrehn

von: Junge Welt / Wolfgang Pomrehm / Ekkehart Lentz | Veröffentlicht am: 19. Juli 2003

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F: Das Bremer Friedensforum fordert die Bundesregierung auf, nein zum Einsatz im Irak zu sagen. Werden da nicht Eulen nach Athen getragen. Immerhin hat Bundeskanzler Schröder schon erklärt, daß er gegen eine deutsche Beteiligung an den Besatzungstruppen ist.

Unsere Rolle ist auch ein bißchen die des Mahners. Das war vor dem Krieg so und ist es auch danach. Es kann nicht angehen, daß die USA die Verantwortung, die sie mit dem Krieg übernommen haben, an andere Länder delegiert, schon gar nicht an jene, in denen die Ablehnung des Kriegs am größten war. Ich denke, es kann nichts schaden, die Bundesregierung weiter unter Druck zu setzen, damit sie bei einem konsequenten Nein bleibt.

F: Gibt es nicht dringlichere Aufgaben? Inzwischen sind 800 französische Soldaten im Kongo. Die Bundeswehr hat die Logistik der Operation übernommen.

Es ist sehr bedenklich, daß alle Probleme mit militärischen Mitteln gelöst werden sollen. Insofern gibt es jeden Tag Anlaß für Proteste. Ob das von Frankreich angeführte erste militärische Eingreifen der EU unabhängig von der NATO ein Schritt in die richtige Richtung ist, muß wohl mehr als bezweifelt werden, wenn man die Ergebnisse im Irak und in Afghanistan betrachtet.

F: Sie meinen, die Bundeswehrsoldaten sollen Probleme lösen? Immerhin ist es ein gemeinsamer deutsch-französischer Einsatz, und Frankreich ist in den diversen Stellvertreterkonflikten in Zentralafrika seit langem Kriegspartei.

Das ist richtig. Ich hege große Skepsis gegenüber dem geplanten militärischen Einsatz. Beim Krieg in Zentralafrika geht es nicht nur um Stammesfehden, sondern um Gold, Diamanten und vor allem das Erz Coltan, aus dem Tantal für die Chips in unseren Handys gewonnen wird. Zu offensichtlich sind auch hier die wirtschaftlichen Interessen, diesmal der EU-Staaten.

F: Sollte da das Thema Kongo nicht mehr als nur eines unter vielen sein?

Seit Jahren wurde die Chance vertan, Druck auf die sich im Kongo einmischenden Nachbarländer auszuüben und den Waffenexport ins Land zu unterbinden. Die Friedensbewegung hat sich bisher zu wenig um diese Probleme gekümmert.

F: Ähnlich vergessen scheint auch der Afghanistan-Kampfeinsatz der Elitetruppe KSK zu sein. Am Hindukusch führen deutsche Soldaten noch immer Krieg – und die deutsche Friedensbewegung schweigt?

Diesen Eindruck kann ich so nicht teilen. Bei näherem Hinsehen läßt sich in Afghanistan eineinhalb Jahre nach dem offiziellen Ende des Kriegs keinerlei Fortschritt in Richtung wirtschaftlicher Aufbau, Demokratie und Menschenrechte ausmachen. Nicht nur am wieder zunehmenden Zwang für Frauen, sich zu verschleiern, läßt sich das Scheitern des Krieges als »Akt der Befreiung« ablesen. Die Taliban sind längst nicht außer Gefecht gesetzt. Wir haben auf unseren Demonstrationen und Kundgebungen immer gesagt, daß Soldaten, erst recht deutsche Soldaten, dem Land keinen Frieden bringen können. Afghanistan zeigt, daß militärische Gewalt keine Konflikte löst.

F: Was steht für das Bremer Friedensforum in den nächsten Monaten auf dem Programm?

Eine ganze Menge. Zum einen planen wir unsere traditionelle Mahnwache am 6. August, dem 58. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroschima. Dann bereiten wir den Antikriegstag vor; geplant ist eine Veranstaltung mit Tobias Pflüger am 2. September zum Thema verteidigungspolitische Richtlinien der Bundeswehr. Und schließlich haben wir in diesem Jahr auch einen Grund zum Feiern: Das Friedensforum wird 20 Jahre alt, und aus diesem Anlaß zeigt am 4. November in Bremen das Aktionstheater Berliner Compagnie seine neue Produktion »human bombing«.

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Original-URL: http://www.jungewelt.de/2003/07-17/017.php