Dokumentation - in: Stattzeitung für Südbaden, Nr. 54

Amüsantes aus Karlsruhe

Eine juristische Kriegsnachlese besonderer Art

von: Patrick Schreiner | Veröffentlicht am: 4. Juli 2003

Drucken

Hier finden sich ähnliche Artikel

Alle Jahre wieder, so beginnt ein albernes Weihnachtslied – und in mittlerweile ähnlichen Abständen beginnt oder unterstützt Rot-Grün seine Kriege. Solche Kriege sind Anlass genug, die Bundesregierung wegen ihrer völkerrechtswidrigen Handlungen anzuzeigen – wie es Tausende gemacht haben während des Krieges gegen Jugoslawien („Kosovo-Krieg“), während des Krieges gegen Afghanistan und jetzt zuletzt während des Krieges gegen den Irak.

Gäbe es nicht die traurigen, für viele tödlichen Anlässe, die zu den Anzeigen führen, es hätte den Charakter eines lustigen Maskenballs: FriedensaktivistInnen tun so, als ob der Rechtsstaat funktioniere; damit zwingen sie die Generalstaatsanwaltschaft, so zu tun, als würde sie die Gesetze anwenden auf eine Bundesregierung, die so tut, als handle sie gesetzeskonform.

Wenn man schon einmal dabei ist, Strafanzeigen zu schreiben, kommt es auf die eine oder andere nicht mehr an – und so erscheint es interessant, der Anzeige anlässlich der rot-grünen Kriegsunterstützung während des Irak-Krieges eine weitere hinzuzufügen, die den Angriffskrieg auf Jugoslawien 1999 wieder ins Gedächtnis rückt. Gedacht, getan: mit einer wichtigen Änderung gegenüber den Anzeigen aus dem Jahr 1999. Damals lief die Antwort der Staatsanwaltschaft im Wesentlichen darauf hinaus, Schröder und Co. hätten das richtige intendiert und könnten deshalb nicht bestraft werden – ein anderes Handeln als die „Luftoperation“ sei nicht möglich gewesen.

Im Licht der Erkenntnisse, die die Öffentlichkeit seither machen musste, erscheint diese Darstellung heute anachronistisch: die WDR-Dokumentation „Es begann mit einer Lüge“ zeigte, wie frank und frei sich Scharping und Konsorten ihren Krieg herbeilogen (die großmäulig angekündigte Anzeige des ehemaligen Kriegsministers wegen angeblicher Falschaussagen in dem Film unterblieb – weshalb wohl?) Äußerungen aus den Regierungsfraktionen legten nahe, dass selbst Abgeordnete über die Ereignisse in Kosovo und während der Verhandlungen von Rambouillet falsch informiert wurden. Noch wenige Tage vor Beginn des Krieges wurden Flüchtlinge nach Kosovo abgeschoben, weil die Lage gemäß Berichten aus dem Auswärtigen Amt dort sicher sei. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der PDS (BT-Drs 14/1946) sprach sie von hochgerechnet etwa 4000 Toten – über Gräueltaten wie „gegrillte Föten“, „Konzentrationslager“ und andere Behauptungen besaß die Regierung nach eigener Aussage nie Kenntnis (BT-Drs 14/2011). Allesamt Hinweise darauf, dass die Situation im Kosovo weit weniger dramatisch war, als die Bundesregierung glauben machte. Alles Punkte, die in der erneuten Strafanzeige vom 20. März 2003 aufgezählt wurden.

Allerdings: was ein ausgebuffter Staatsanwalt ist, der lässt sich auch von Fakten nicht schrecken, wenn es darum geht, die Herrschenden zu schützen. In der Antwort, die vom 7. Mai 2003 datiert, weist er ungeachtet der Zweifel zunächst erneut darauf hin, dass die Bundesregierung mit gutem Willen gehandelt habe: „[…] haben die für den Einsatz der Bundeswehr Verantwortlichen im Rahmen des ihnen zustehenden politischen Ermessens zusammen mit ihren Bündnispartnern ausschließlich in dem Bestreben gehandelt, eine völker- und menschenrechtswidrige Unterdrückung und Vertreibung der Kosovo-Albaner abzuwenden und zu beenden (vgl. § 220a StGB).“

Es folgen als Beleg eine ganze Reihe von Zitaten aus einer Bundestagsrede des Kanzlers vom 26. März 1999, in dem dieser die mittlerweile äußerst zweifelhaften Gründe schildert, weshalb die Regierung nicht anders handeln könne, als Bomben zu werfen. Und, als Fazit, als ob man es heute, drei Jahre später, nicht besser wüsste: „Sie [die der Strafanzeige zugrunde liegende Einschätzung] lässt außer Betracht, dass es der Bundesregierung und ihren NATO-Partnern allein darum ging, die Führung der Föderativen Republik Jugoslawien nach langen vergeblichen Verhandlungen zu bewegen, von der Unterdrückung der albanischen Volksgruppe im Kosovo abzulassen und zu einer friedlichen Politik zurückzukehren.“

Immerhin eine halbe von insgesamt drei Seiten widmet sich den Erkenntnissen, die in der Zwischenzeit gemacht wurden. Nicht, dass deren Richtigkeit bestritten würde, zu sehr scheint auch der Staatsanwalt selbst von Zweifeln geplagt zu sein, was das kriegerische Handeln der Bundesregierung angeht – er enthält sich an diesem Punkt einer Bewertung. Allerdings: „Die Bewertung der Frage, welche tatsächlichen Umstände vorliegen müssen, um eine humanitäre Intervention zu rechtfertigen, obliegt in erster Linie den für die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland zuständigen Organen. Es kann insoweit nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft sein, jenseits rechtlich normierter Vorgaben in diesem Bereich ihre Einschätzung an die Stelle der Bewertungen und Erwägungen der zuständigen politischen Organe des Bundes zu setzen. Insoweit ist es der Staatsanwaltschaft auch grundsätzlich verwehrt, auf der Grundlage von isolierten Äußerungen einzelner Regierungsstellen, Veröffentlichungen in den Medien oder öffentlicher Bekundungen Einzelner die politische Entscheidung der Bundesregierung zu hinterfragen.“ Stellen wir uns vor, wir ohrfeigen einen Polizisten mit der Begründung, er habe uns beleidigt: keine Staatsanwaltschaft und kein Gericht würde uns selbst die Bewertung überlassen, ob eine Beleidigung tatsächlich vorgelegen habe. Für die Bundesregierung scheinen diesbezüglich andere Regeln zu gelten. Manche sind gleicher als andere.

Allerdings, etwas nervös scheint der zuständige Staatsanwalt durchaus gewesen zu sein, als er die oben stehende Bankrotterklärung des Rechtsstaats verfasst hat. Nicht nur, dass er von einer „Bewertung“ einer „Frage“ spricht (s.o.), Fragen aber beantwortet, jedoch nicht bewertet werden. Er schließt darüber hinaus seine Darlegung mit dem folgenden Satz, der inhaltlich überhaupt keinen Sinn macht: „Anders wäre dies nur zu beurteilen, wenn – was vorliegend nicht der Fall ist – die Voraussetzungen für eine humanitäre Intervention offensichtlich und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vorgelegen haben.“

Anmerkung: Die Strafanzeige kann, zusammen mit der Antwort der Generalstaatsanwaltschaft, gegen Rückporto bei der Redaktion der Stattzeitung in Kopie bestellt werden. (Adresse: Redaktion Stattzeitung für Südbaden, Postfach 645, 79006 Freiburg, Tel. 07843/1695, Fax 07843/84125)