IMI-Standpunkt 2003/034 - gekürzt in: Zeitung gegen den Krieg Nummer 14 // ISSN 1611-2725
Die Strategie hinter dem Irak-Krieg und die Bundeswehr
Das Präventivkriegskonzept - ab Mai in den Verteidigungspolitischen Richtlinien?!
von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 3. April 2003
Der Krieg gegen den Irak wird im wesentlichen aus folgenden Gründen geführt: Zementierung einer neuen Hegemonialordnung für den Nahen und Mittleren Osten durch Krieg, der Zugang zum Öl des Irak (und damit einhergehend die Schwächung Saudi-Aarbiens und der OPEC und der Kampf um die weltweite Leitwährung ($ oder EURO), aus innenpolitischen Gründen in den USA und als Testlauf für die neue „Nationale Sicherheitsstrategie“ (NSS) der USA vom 17.09.2002 mit dem Kernpunkt des Präventivkrieges.
Das Präventivkriegskonzept besagt, dass die US-Regierung bereit ist, Staaten oder nichtsstaatliche Akteure mit Krieg zu überziehen, wenn sie durch diese ihre Interessen oder Hegemonie bedroht sieht.
„Präventive Kriege sind eine Aggression“, so heißt es dagegen in der Erklärung der deutschen katholischen Bischofskonferenz. Die Bischofskonferenz liegt mit ihrer Einschätzung damit im Mainstream der öffentichen Meinungen der Welt. Bei westlichen Militärs dagegen, wird das Präventivkriegskonzept als Konzept der Zukunft diskutiert.
Für die NATO wurde beim Gipfel im Prag am 21./22.11.2003 „en passant“ diskutiert, inwieweit das Präventivkriegskonzept in ihren Kernteilen für alle NATO-Staaten verbindlich werden könnte. (vgl. dazu IMI-Analyse 86b, „Präventivkriege – jetzt auch deutsche Politik?“, imi-online.de)
Am 22.11.2002 befragte ich den stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Gernot Erler für die Zeitschrift „Wissenschaft und Frieden“: „Es ist ja im Rahmen des Nato-Gipfels von US-Seite vorgeschlagen worden, dass so was ähnliches wie die „National Security Strategy“, also die Bush-Doktrin, für die Nato gelten soll. Wolfgang Schäuble hat jetzt im Bundestag das Gleiche vorgeschlagen, man solle sich die Kernelemente dieser Strategie zu eigen machen, z. B. sogenannte Präventivkriege. Die Bundesregierung hat bisher keine Position bezogen. Wurde da der Nato-Gipfel nur abgewartet?“. Erlers Antwort war u.a.: „… Ich denke schon, dass jede Änderung der amerikanischen Doktrinen eine mittelfristige Auswirkung auf die Strategiedebatte der Nato hat. … Eine einfache Übernahme dieser Doktrin, die übrigens eine sehr amerikanische Doktrin ist und also so eins zu eins gar nicht Nato-Doktrin werden könnte, steht nicht zur Debatte. Hindernisse, wie der Parlamentsvorbehalt in Deutschland, würden das sowieso ausschließen, aber das ist eher eine Einzelheit in diesem Kontext. Dementsprechend ist auf dem Prager Gipfel auch nichts in dieser Richtung beschlossen worden. Vielleicht gab es am Rande des Gipfels Gespräche zu diesem Thema.“ Meine Nachfrage war: „Also mittelfristig kommt das?“, seine Antwort: „Mittelfristig wird die Debatte kommen.“
Überraschend ist eigentlich nur noch wie kurz Gernot Erlers „mittelfristig“ ist.
Die Veränderung der Bundeswehr zu einer „Armee im Einsatz“ sprich zu einer kriegsführungsfähigen und kriegsführungswilligen Armee ist währenddessen weiter im vollen Gange. Mit dem Satz „Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt“ stellte Peter Struck jüngst die neuen Planungen für die Bundeswehr vor.
Zentraler Punkt dabei sind im strategischen Bereich die in Arbeit befindlichen neuen „Verteidigungspolitischen Richtlinien“, die im Mai vorgelegt werden sollen: Wolfgang Schneiderhan teilte in diversen Interviews teils verklausuliert, teils offen mit, dass Teil der neuen „verteidigungspolitischen Richtlinien“ das Präventivkriegskonzept sein soll. Genau das Präventivkriegskonzept das ein wesentlicher Grund für den Irakkrieg ist.
Damit ist die Frage: „Präventivkriege – jetzt auch deutsche Politik?“ klar beantwortet: Ja, „mehr oder weniger unterschwellig wird die Debatte hierzulande aber schon geführt“, so die Süddeutsche Zeitung.
Noch am 26.02. bezeichnete Wolfgang Thierse einen Präventivkrieg gegen den Irak als völkerrechtswidrig. Inzwischen hüten sich fast alle Repräsentanten von rot-grün genau vor dieser Aussage. Würden sie den Irakkrieg nämlich als das bezeichnen, was er ist als barbarisch und völkerrechtswidrig, würden sie zugeben, dass sie sich mit der umfangreichen Kriegsunterstützung strafbar machen nach Grundgesetz und Völkerrecht. Und sie würden die eigenen Militärpläne, die eigenen Präventivkriegskonzepte ins Blickfeld rücken.
Die Kampagne „Stopprt den Krieg gegen Irak – keine deutsche Beihilfe zum Krieg“; die von der ATTAC AG Gllobalisierung und Krieg und der Informationsstelle Militarisierung jetzt gestartet wurde, trifft deshalb genau den Punkt. Gegen den Krieg, gegen deutsche Kriegsunterstützung und gegen Präventivkriegskonzepte auch bei der Bundeswehr.
Deshalb: Wer die us-amerikanische und britische Kriegspolitik berechtigterweise kritisiert, darf zur deutschen Kriegsunterstützungs und Kriegspolitik nicht schweigen.
Weitere Informationen: www.imi-online.de