Pressebericht / in: junge Welt vom 14.03.2003

Proteste gegen Schnelle Eingreiftruppen: Die Bundeswehr nicht vergessen?

Ein Bündnis linker Gruppen organisiert am morgigen Samstag in Münster eine Antikriegsdemonstration. Der Soziologe Edo Schmidt gehört zu den Organisatoren

von: Peter Nowak / Edo Schmidt / Dokumentation / Pressebericht | Veröffentlicht am: 11. März 2003

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F: Sie organisieren am Samstag eine bundesweite Antikriegsdemonstration im westfälischen Münster. Was ist der Schwerpunkt der Aktion?

Wir wollen mit der Demonstration vor allem das Deutsch-Niederländische Korps bundesweit in der antimilitaristischen Bewegung bekannt machen. Es wurde 1995 als Teil der militärischen NATO-Struktur in Europa gegründet und nach der Unterzeichnung des Washingtoner NATO-Vertrages von 1999 in den vergangenen Jahren zu einem »High Readiness Forces Headquarter« umgebaut. Es soll also die Schnellen Eingreiftruppen der NATO führen. Das Korps umfaßt zwar nicht mehr als 1500 Soldaten, jedoch können seiner hochflexiblen Kommandostruktur bis zu 60000 NATO-Soldaten unterstellt werden. Die Schnellen Eingreiftruppen der NATO können innerhalb von sieben bis zwanzig Tagen an jeden Ort der Welt verschoben werden.

F: Welche Rolle hat das Korps beim drohenden Irak-Krieg?

Es spielt eine indirekte Rolle. Seit Februar hat das Deutsch-Niederländische Korps die Führung der in den hiesigen Medien als »Schutztruppe« bezeichneten ISAF in Afghanistan inne. Diese Funktion übten zuvor die US-Streitkräfte sowie türkische Militäreinheiten aus, denen während des längst stattfindenden Irak-Krieges neue Aufgaben zukommen. Insofern ermöglicht der erste Einsatz des Korps als Hauptquartier – in diesem Fall von UNO-Truppen in Afghanistan – die Freistellung von Militäreinheiten, die dringend zur Führung des Angriffskrieges gegen den Irak benötigt werden.

F: Woran liegt es, daß solche Zusammenhänge in der Bewegung gegen den Irak-Krieg bisher wenig thematisiert werden?

Es ist wichtig, zwischen der Friedensbewegung und einer internationalen antimilitaristischen Bewegung zu unterscheiden. Große Teile der Friedensbewegung begnügen sich damit, Forderungen an die rot-grüne Bundesregierung zu stellen, daß sie gegenüber den USA nicht einknicken soll. Das hat wenig mit einer antimilitaristischen Bewegung zu tun. Wir zeigen mit unserer Demonstration, daß nicht nur US-Einrichtungen, sondern sehr wohl auch Bundeswehrstrukturen blockiert werden müßten.

F: Was ist in Münster geplant?

Unter anderem wird Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) über die neue NATO-Strategie und den Umbau der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee sprechen. Auf einer Kundgebung vor dem Rathaus, in dem einst der »Westfälische Frieden« besiegelt wurde, werden wir die Gründe derjenigen thematisieren, die den Irak-Krieg führen wollen, sowie die Interessen jener, die sich zur Zeit pazifistisch geben. Die Bundesregierung sagt »nein« zum Irak-Krieg, beteiligt sich aber gleichzeitig an ihm sowie an vielen weiteren zweifelhaften Militäreinsätzen.

* Demo: Samstag, 13 Uhr Bahnhof in Münster, Westfalen

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Original-URL: http://www.jungewelt.de/2003/03-14/016.php