IMI-Standpunkt 2003/019 - in: Zeitung gegen den Krieg (ZgK), Nummer 13

„Untiefen“ von Antikriegsarbeit

oder: Wer die US-Kriegspolitik berechtigterweise kritisiert, darf zur deutschen Kriegs(unterstützungs)politik nicht schweigen!

von: Tobias Pfüger | Veröffentlicht am: 2. März 2003

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Es entsteht der Eindruck, die deutsche Regierung sei offensiv gegen einen Irakkrieg. Gerhard Schröder hat angekündigt, Deutschland werde im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, sollte es zu Abstimmung über eine erneute Resolution kommen, nicht mit „Ja“ stimmen. Dies hat international durchaus positive Auswirkungen, weil sich dann auch andere Regierungen darauf beziehen können.

Die Debatte um die mögliche Abstimmung im UN-Sicherheitsrat verdeckt allerdings, dass die Bundesregierung sehr viel gegen einen Krieg tun könnte, aber bis heute keinen einzigen substanziellen Schritt getan hat. In Wirklichkeit unterstützt die Bundesregierung den geplanten Krieg gegen den Irak aktiv:

– Die von Gerhard Schröder im März 2002 gegebene Zusage für eine Unterstützung des Irakkrieges, wurde im Mai 2002 erneuert, ist aber nie zurückgenommen worden.

– Der Aufmarsch für den Irakkrieg ist wesentlich über Deutschland erfolgt. Über Frankfurt Airbase, Ramstein und Spangdahlem wurden und werden Kriegsmaterial und Soldaten in Kriegsgebiet gebracht. Über Vilseck, Mannheim und die Häfen von Emden, Bremen, Bremerhaven und Nordenham wird ebenfalls Kriegsmaterial in die Golfregion verschickt.

– Die in Deutschland stationierten britischen und US-Truppen wurden in großer Zahl ins Kriegsgebiet geschickt.

– In Grafenwöhr fand im Februar 2003 das zentrale (Simulation-)Kriegsvorbereitungsmanöver „Victory Scrimmage“ statt.

– Innerhalb der NATO legte die Bundesregierung kein Veto gegen eine NATO-Kriegsunterstützung ein. Die Bundesregierung verzögerte lediglich die Abstimmung.

– Ein Drittel der Besatzungen der AWACS sind Bundeswehrsoldaten, sie werden sich zwangsläufig an der Zielplanung beteiligen.

– Das Bundeswehr-Kontingent der ABC-Abwehrpanzer in Kuwait wird aufgestockt, von bisher 59 auf mindestens 200 Bundeswehrsoldaten. Begründung Generalinspekteur Schneiderhan: Er könne bei einem Krieg das derzeitige Kontingent „nicht alleine lassen“. Die Soldaten aus den USA und Tschechien, die in der gleichen Einheit in Kuwait sind, sind schon für den Kriegseinsatz angefordert worden.

– Bundeswehrsoldaten haben den Schutz von ca. 100 US-Militäreinrichtungen in Deutschland übernommen, so sind die US-Soldaten frei, um in den Krieg geschickt zu werden.

– Die Bundesregierung hat angeboten, verletzten US-Soldaten medizinische Hilfe zukommen zu lassen, also Hilfe für die Aggressoren.

(Auszug, genaueres und Original: IMI-Analyse 2003/0010 unter www.imi-online.de):

Warum dann das Theater um die Abstimmung im UN-Sicherheitsrat und der Schulterschluss mit Frankreich? Die Regierungen Frankreichs und Deutschlands sind die wesentlichen Motoren der neuen Militärmacht Europäische Union. Diese Militärmacht EU lässt sich mit den „neuen“ Begründungen (z.B. die Ausfälle von Donald Rumsfeld) wunderbar begründen.

Nicht zu vergessen ist bei der Friedensrhetorik der Bundesregierung, dass sie mit der bisherigen „Ordnung“ im Mittleren Osten zufrieden waren. Erst wenn die USA das nächste Kriegsziel Iran ins Visier nehmen, ist eine heftigere Auseinandersetzung zwischen den Regierungen der USA und Deutschlands wahrscheinlich. Im Falle des Iran gibt es einfach divergierende Interessen, sowohl im geopolitischen als auch im wirtschaftlichen Bereich. Hier liegt wohl ein weiterer Grund für die „Kriegsablehnung“ der Bundesregierung.

Die die Bundesregierung tragenden Parteien, die Gewerkschaften und Kirchen können meiner Meinung nach dann Bündnispartner der Friedens- und Antikriegsbewegung sein, wenn sie sich auch den Forderungen der Friedensbewegung nach einem Ende der Kriegsunterstützung Deutschlands anschließen. Bündnispolitik muss sich an inhaltlichen Kriterien festmachen. D.h. dass SPD und Grüne als Ganzes keine Bündnispartner sein können, da die Bundesregierung den Krieg aktiv unterstützt, aber es können und sollen m. M. Untergliederungen und einzelne Mandats- und Amtsträger von SPD und Grünen wichtige Bündnispartner der Friedens- und Antikriegsbewegung sein (z.B. die Unterzeichner/innen der „Hamburger Erklärung“).

Das Gleiche gilt meiner Meinung nach für die Bündnispolitik gegenüber Gewerkschaften und Kirchen. Wenn Positionen aus Kirche und Gewerkschaften klar und deutlich sind (z.B. Deutsche Bischofskonferenz: „Präventivkriege sind eine Aggression“) und auch eine Beendigung der Kriegsunterstützungspolitik der Bundesregierung mit einschließen, dann sind Menschen aus Gewerkschaft und Kirchen ganz zentrale Bündnispartner und Teil der Antikriegs- und Friedensbewegung.

Es empfiehlt sich, die Positionen und politischen Rollen der einzelnen Personen und Untergliederungen anzuschauen, die diese in Gegenwart und Vergangenheit (NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien, Afghanistankrieg und insbesondere seit dem Kriegs-Count-Down bzgl. Irakkrieg) eingenommen haben. Um ein Beispiel zu benennen: ich meine z.B., dass ein Winfried Hermann und die Grüne Jugend und die Jusos durchaus etwas auf den Friedensdemonstrationen zu suchen haben, eine Angelika Beer und die Gesamtpartei der Grünen mögen dagegen ihre Politik „eigenständig“ betreiben.

Zur in München am 07./08. Februar stattfindenden sogenannten „Sicherheitskonferenz“ organisierte der SPD-Oberbürgermeister Christian Ude eine eigene Demonstration gegen den Irakkrieg, dort durfte allerdings die Bundesregierung nicht kritisiert werden. Zugleich empfing OB Ude im Namen der Stadt München am 07. Februar diejenigen, die sich hier kurz vor Kriegsbeginn auf der „Sicherheitskonferenz“ noch einmal abstimmten. Christian Udes Demonstration war nur gegen den Irakkrieg und gegen die US-Regierung gerichtet. Das Treffen der Weltkriegselite unterstützte er ausdrücklich.

Für die bundesdeutsche Friedens- und Antikriegsbewegung ist klar: Wer die US-Kriegspolitik berechtigterweise kritisiert, darf zur deutschen Kriegs(unterstützungs)politik nicht schweigen!