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Rede für die Anti-Kriegskundgebung am 8. Februar 2003 in München


von: Ernst Grube / Dokumennation / no-nato.de / | Veröffentlicht am: 2. März 2003

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Liebe Freundinnen und Freunde,

Was ist das für ein Tag!

10 000 de Menschen haben heute gegen den verbrecherischen Krieg demonstriert. Wenn ich auch weis, dass diese Veranstaltung allein den Krieg nicht verhindern kann, so gibt mir doch die große Beteiligung gerade junger Menschen an dieser Demonstration großen Mut.

Ich bin gebeten worden, als ehemaliger Verfolgter des Naziregimes auf dieser Kundgebung zu sprechen und komme dieser Bitte gerne nach.

Die Menschen meiner Generation, die Faschismus und Krieg noch am eigenen Leibe erleben mussten, werden älter und weniger. Es waren die überlebenden Häftlinge der faschistischen Konzentrationslager, die nach ihrer Befreiung forderten: „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ und den „Aufbau einer Welt des Friedens und der Freiheit!“

Sie forderten dies in voller Kenntnis der Tatsache, dass sie ohne die alliierten Armeen der Anti-Hitler-Koalition nicht überlebt hätten. Für mich, meine Mutter und meine Geschwister waren es die Sowjetsoldaten, die Rote Armee, die uns aus dem Lager Theresienstadt befreiten, in das man uns als Juden verschleppt hatte. Für die Gefangenen von Dachau oder Buchenwald kamen die Befreier in der Uniform der US-Army, in Bergen-Belsen waren es die Briten.

„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ ist deshalb für uns Überlebende Verfolgte ein Satz, dessen beide Teile untrennbar miteinander verbunden sein müssen – auch und gerade angesichts der Opfer, die unsere Befreier im Zweiten Weltkrieg bringen mussten.

Wenn wir heute aus unserer Geschichte lernen, dann ist es vor allem eine Erkenntnis, dass es Auschwitz , die vielen Vernichtungs- und Konzentrationslager, ohne Krieg, ohne den Eroberungskrieg, mit dem das NS-Regime die halbe Welt überzog, niemals gegeben hätte.

Aus der Geschichte lernen heißt für mich vor allem Stellung beziehen. Wie war das damals – gibt es heute gleiche oder ähnliche Erscheinungen. Und da sehe ich vor allem drei Beispiele:

1.Die Faschisten haben das deutsche Volk manipuliert, angelogen und verdummt bis es bereit war die Vernichtung von uns Juden mehr oder weniger bereitwillig zu akzeptieren. Obwohl als Folge des Iran/Irak Krieges und des über 10 Jahre andauernden Embargos wöchentlich über 5.000 Kinder sterben werden wir über die wahren Absichten der amerikanischen Politik manipuliert und belogen.

2. Hitler und seine Generäle führten nicht nur einen Angriffskrieg, sondern auch einen Vernichtungskrieg. Und dieser war von Anfang an geplant.

Erich Böhme hat in einem Kommentar der Abendzeitung vom 25.Januar 2003 geschrieben: „…. dass Bush keinen Zweifel aufkommen lässt, dass er einen Vernichtungskrieg führen… will“.

Es mag nicht die Absicht der US-Regierung sein, aber in letzter Kon-sequenz kann dieser Krieg zu einem Vernichtungskrieg werden.

3. Ich habe das Bild der Opfer vor mir – damals und heute!

Die Nazis haben 6 Millionen Juden , 500 000 Sinti und Roma, 100 000 de politische Gegner umgebracht. Heute will man uns weis machen, dass 500 000 getötete Zivilisten oder mehr als 3 Millionen Tote bei einem Einsatz von Atomwaffen in Kauf zu nehmen sind um „schlimmeres zu verhüten“!!

Aus der Geschichte lernen zeigt uns aber auch:

Wären die Arbeiterparteien, wären alle Demokraten der damaligen Weimarer Republik ohne Rücksicht auf Herkunft, Weltanschauung und Religionszugehörigkeit sich damals einig gewesen, dass das wichtigste sei, gemeinsam einen Krieg zu verhindern, dann hätten sie dies vermutlich auch mit Demonstrationen, Streiks, parlamentarischen Intitiativen und was es da noch alles an Möglichkeiten zivilen Engagements gibt, bewerkstelligen können. Die Machtübernahme der Nazis mit all ihren kriegerischen und massenmörderischen Folgen, auch Auschwitz, hätte es nicht gegeben.

Die Möglichkeit, all das zu verhindern bestand – wären die Warnungen vor 1933 ernst genommen worden, die vor allem von den Arbeiterparteien kamen: „Wer Hitler wählt, wählt den Krieg“.

Daher muss es heute um so deutlicher gesagt werden „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“

Was macht unsere Bundesregierung?

Natürlich bin ich froh, dass die Bundesregierung sich nicht in die aktuelle Kriegsfront einreihen will und wir sollten sie auch in ihrer Position gegen den Irak-Krieg bestärken, vor allem sollten wir unsere Freunde in den Gewerkschaften, in den Regierungsparteien und in den Kirchen in ihrem Kampf gegen den Krieg unterstützen und sie, aus der Geschichte lernend, davon überzeugen, dass wir nur Erfolg haben werden, wenn wir den Kampf gemeinsam führen.

Aber wir können nicht darüber schweigen, dass die deutschen Hilfsdienste der amerikanischen Aggression dienen.

Die Bereitstellung von Stützpunkten in Deutschland, Awacs-Besatzungen für Aufklärungsflüge, den Einsatz von Fuchs-Spürpanzer dient und unterstützt die Ermordung 100 000 er Männer, Frauen und Kinder! Und nicht nur im Irak. Der Angriffskrieg gegen den Irak ist ein Angriff gegen die Arabische Welt. Er wird bei den Menschen einen Hass gegen die westliche Welt erzeugen unter dem noch unsere Enkel und Urenkel leiden werden.

Gegen den Irak-Krieg zu protestieren und gegen diese Sicherheitskon-ferenz, die ursprünglich ja „Wehrkundetagung“ hieß gehört deshalb für mich zusammen – wollen wir es ernst nehmen mit dem „Nie wieder Krieg!“ Es ist richtig, dass der Oberbürgermeister, dass führende Kirchen- und Gewerkschaftsgremien aufgerufen haben gegen die aktuelle Kriegsgefahr zu demonstrieren.

Unser Protest gegen den Krieg im Irak, ist natürlich ein Kampf gegen jede Art von Krieg. Wir wollen eine Welt, in der der Krieg als Mittel der Konfliktlösung ausscheidet.

Um das zu erreichen wird es allerdings nicht ausreichen, den Krieg als solchen an den Pranger der Inhumanität zu stellen. Dazu gehört immer auch der Kampf gegen alltäglich stattfindende Intoleranz und Diskriminierung von Menschen anderer Herkunft und Hautfarbe, besonders von Flüchtlingen aus anderen Ländern, denen bei uns das Asyl verwehrt wird. Dazu gehört das Engagement für soziale Gerechtigkeit und gegen den Abbau sozialer und demokratischer Rechte bei uns daheim und für eine soziale Weltwirtschaftsordnung. Und dazu gehört nicht zuletzt das Eintreten gegen jegliche Form von Rassismus, Antisemitismus und Neofaschismus.

Liebe Freundinnen und Freunde. Ich denke, dass wir noch eine kleine Chance haben, diesen Krieg zu verhindern. Die britischen und amerikanischen Ölmultis sind allein. In allen Ländern der Welt ist die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gegen diesen Krieg. Selbst in Amerika wächst die Front der Kriegsgegner von Tag zu Tag. In unserem Land würden nur 9% der Bevölkerung einem Krieg Amerikas gegen den Irak zustimmen.

Unsere Möglichkeiten gegen diesen Krieg bestehen nur darin, die Bundesregierung durch massive Proteste, Demonstrationen in allen gesellschaftlichen Einrichtungen und Institutionen unter Druck zusetzen.

Ich fordere den Bayerischen DGB Chef, Fritz Schösser und den Münchner SPD Chef, Franz Maget, auf ,ihre Mitglieder und die gesamte Öffentlichkeit zu mobilisieren und zusammen mit uns, ATTAC, dem Friedensbündnis, den Kirchen u.a. den Kampf gegen den Krieg und für den Frieden in unserer Welt zu führen. Denn wir müssen uns klar sein, dass wir erst am Anfang sind.

Wir brauchen für die nächsten Wochen und Monate eine große, starke und einheitliche Friedensbewegung mit einem langen Atem!

E s l o h n t s i c h!

„Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“