IMI-Standpunkt 2003/014 - in: Linksruck Nr. 147, 11. Februar 2003

Rot-Grün betrügt die Friedensbewegung: Deutschland ist der Flugzeugträger

Trotz offizieller Kriegsgegnerschaft spielt die Deutschland bei den Vorbereitungen zum Irak-Krieg eine wichtige Rolle. Linksruck sprach mit Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen.

von: Linksruck / Dokumentation / Interview / Pressebericht | Veröffentlicht am: 11. Februar 2003

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Tobias, du kommst grade von den Protesten gegen die Münchner Sicherheitskonferenz. Wie wars?

Die Proteste waren ein großer Erfolg für die Friedensbewegung. 30.000 Menschen kamen zu drei Kundgebungen bzw. Demonstrationen. Dem München Oberbürgermeister Ude ist es auch nicht gelungen, die Proteste in gute und böse Demonstranten zu teilen. Viele Demonstranten sind von der DGB/SPD-Kundgebung gegen den Irak-Krieg zur Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz gekommen.

Die Süddeutsche Zeitung schrieb, die deutsche Friedensbewegung sei überflüssig, da die Regierung gegen Krieg ist.

Das Gegenteil ist der Fall. Die Bundesregierung ist ein wichtiger Faktor bei den Kriegsvorbereitungen. Die us-amerikanischen Airbases in Deutschland und die us-amerikanischen und britischen Standorte waren und sind wesentlich für die Kriegsplanung. Über Ramstein, Spangdahlem und Frankfurt Airbase läuft sowohl der Aufmarsch als auch der Nachschub für die US-Truppen am Golf. In Bremerhaven, Bremen, Nordenham, Emden, Vilseck und so weiter werden britische und amerikanische Truppen und Kriegsmaterial verladen.

Schröder sagt, er müsse Bündnisverpflichtungen erfüllen.

Über Deutschland laufen momentan Vorbereitungen zu einem Angriffskrieg. Das ist verfassungswidrig – Artikel 26, Absatz 1 des Grundgesetzes. Von daher hat die Regierung nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, die Nutzung der militärischen Infrastruktur und vor allem der Airbases zu untersagen. Zu diesem Schluss kommen auch drei Gutachten. Eines von Dieter Deiseroth Richter am Bundesverwaltungsgericht, und zwei vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestags. Das Fazit aller Gutachten: Die Bundesregierung befindet sich am Rande des Verfassungsbruchs.

Gilt das auch für die deutschen Soldaten in den AWACS-Aufklärungsflugzeugen oder in Kuwait?

Absolut, ja. Die AWACS-Flugzeuge fliegen zwar über türkischen Gebiet, klären aber 500 Kilometer in den Irak hinein auf. Das ist ein Drittel des irakischen Gebiets. Eine der Aufgaben der AWACS ist auch die Zielerfassung für die späteren Bombardements. Damit hängt die Bundeswehr direkt in den Kriegsoperationen drin

Schröder sagt, AWACS und jetzt auch die von Deutschland gelieferten Patriot-Raketen sollen den NATO-Partner Türkei schützen.

Wer bedroht denn hier wen? Die Türkei hat sich nun leider doch der „Koalition der Willigen“ angeschlossen. Aufklärung, Luftangriffe, die Invasion selbst – alles soll vom auch von der Türkei aus stattfinden. Die USA verlegt Truppen in die Türkei, die Türkei selbst droht mit dem Einmarsch in den Nordirak, um einen Kurdenstaat zu verhindern. In diesem Kontext vom Schutz der Türkei zu sprechen ist grotesk.

Was ist die Aufgabe der deutschen Armee in Kuwait?

Offiziell sind die ABC-Abwehrpanzer im Rahmen des sogenannten Anti-Terror-Kampfes in Kuwait. Aber der Generalsinspekteur Wolfgang Schneiderhan sagt, er könne die derzeitigen Soldaten der Bundeswehr in Kuwait bei Kriegsbeginn „nicht allein lassen“. Die tschechischen und us-amerikanischen Soldaten der gleichen Einheit sind schon zum Krieg angefordert worden.

Was forderst du von der Bundesregierung?

Sie sollte gegen den Krieg etwas tun und nicht nur dagegen reden. Für mich heißt das zum Beispiel Abzug der Panzer aus Kuwait, Rückzug der AWACS-Crews. Stopp aller Militärtransporte über Deutschland und ein Ende des Wachdienstes der Bundeswehr für US-Militärbasen. Deutschland muss in der NATO sein Veto gegen den Krieg einlegen und im UN-Sicherheitsrat dagegen stimmen. Das alles ist das Mindeste, was die Regierung bringen muss, wenn sie wirklich den Krieg verhindern will.

Die deutsche und die französische Regierung wollen im Sicherheitsrat einen Plan zur Entwaffnung des Iraks vorstellen. Was hälst du davon?

Nach meinem ersten Eindruck handelt es sich um ein alternatives imperiales Konzept. Der Irak soll besetzt und sein Öl unter Kontrolle gestellt werden. Der Unterschied ist, dass nicht die USA, sondern Deutschland und Frankreich die Kontrolle übernehmen und das ganze ohne brutalen Krieg passieren soll.
Der Irak müsste seiner langfristigen Besetzung zustimmen. Ich denke auch nicht, dass die USA das zulassen werden.

Was soll die Initiative bezwecken?

Vermutlich handelt es sich um ein Kriegseinstiegskonzept Deutschlands und Frankreich. Damit gesagt werden kann, „wir haben doch alles probiert“. Der Ansatz der Initiative ist völlig falsch: Als ob die „Unmengen von Massenvernichtungswaffen des Irak“ das Problem sein. Nein das Problem ist der westliche Anspruch auf das irakische Öl, die Hegemonialansprüche der verschiedenen westlichen Staaten in der Golfregion und vor allem die imperiale und kriegsorientierte Politik des Westens und des westlichen Wirtschaftssystems.

Original unter: http://www.sozialismus-von-unten.de/lr/modules.php?name=Artikel&file=print&pid=122