IMI-Standpunkt 2003/008 - in: junge Welt vom 16.01.2003

Nachruf

Zum Tod von Dieter S. Lutz

von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 21. Januar 2003

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Dieter S. Lutz ist tot. Diese Nachricht ist ein Schock. Dieter S. Lutz starb in der Nacht zum Dienstag in Berlin im Alter von nur 53 Jahren. Lutz studierte Recht und Politik u.a. in Tübingen und London und war seit 1993 in Hamburg Professor. »Prof. Dr. Dr. Dieter S. Lutz« ist der wohl bekannteste und einflußreichste Friedensforscher Deutschlands gewesen. Dieter S. Lutz war Leiter des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg (IFSH), das seit 1971 besteht und dessen Führung er von Egon Bahr 1994 übernommen hat. Seit der Gründung der staatlich finanzierten Bundesstiftung Friedensforschung (DSF) im Herbst 2000 war Dieter S. Lutz deren Vorsitzender. Lutz leitete auch das Zentrum für OSZE-Forschung (CORE), ebenfalls in Hamburg. Dies sind nur wenige Beispiele für seine reichhaltigen Tätigkeiten.

Der Einfluß von Dieter S. Lutz kam aber nicht durch seine Ämter, wichtiger waren seine umfangreichen Kontakte, die von der Bundeswehr über vor allem linke SPD-Kreise bis hin zur Friedensbewegung reichten. Dieter S. Lutz war einer der wenigen Friedensforscher, der trotz zum Teil diametral anderen Positionen Zugang zu den Spitzen der rot-grünen Bundesregierung hatte. Lutz war Mitglied der SPD. Doch Dieter S. Lutz kritisierte insbesondere während des NATO-Angriffskrieges gegen Jugoslawien die Politik der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Unvergessen seine offenen Briefe an Erhard Eppler vom Juni 1999 und der offene Brief »Mehr Probleme als Lösungen, mehr Fragen als Antworten« gemeinsam mit Reinhard Mutz an die Bundestagsabgeordneten vom März 2001 zum zweiten Jahrestag des Jugoslawien-Krieges. Der damalige Kernsatz war: »Der Luftkrieg der NATO hat mehr Probleme geschaffen, mehr Fragen aufgeworfen als gelöst. Mit Sorge stellen wir fest, daß gleichwohl die vielfach von offizieller Seite vor und während des Krieges versprochene breite und intensive Diskussion der Konsequenzen und Lehren aus dem militärischen Eingreifen der

NATO bis heute nicht stattgefunden hat. Es ist höchste Zeit, sie nachzuholen. Denn je nachdem wie die Antworten ausfallen, stellen sie entscheidende Weichen für die sicherheitspolitische Zukunft Deutschlands, möglicherweise sogar für den Frieden in Europa.« Allein das war schon eine Provokation. Auf den offenen Brief gab es damals eine sehr harsche und scharfe »Antwort« von Gernot Erler, der gewünschte Dialog und die Aufarbeitung kamen nicht zustande.

Die SPD (Olaf Scholz) schrieb am Dienstag in einem Nachruf: »Als bedeutender deutscher Friedensforscher waren seine Analysen und sein Rat der SPD stets willkommen und immer gefragt.« Nur scheint die Partei immer weniger beherzigt zu haben, was Dieter S. Lutz zu sagen hatte.

Der Titel von einem der nun letzten Artikel von Dieter S. Lutz lautete: »Frieden durch Angriffskriege? – Das zivilisatorische Projekt (des Westens) steht am Scheideweg«. Darin artikuliert Lutz seine umfassenden Befürchtungen gegenüber den weitreichenden Folgen des sogenannten »Krieges gegen den Terror«.

Dieter S. Lutz war ein politischer Wissenschaftler. Seine wissenschaftliche Papiere waren häufig politische Erklärungen und umgekehrt. Lutz war ein Wissenschaftler, der sich politisch offensiv eingemischt hat. Leider gibt es davon nur wenige. Um so mehr wird uns Dieter S. Lutz fehlen. Es ist und bleibt unbegreiflich, daß Dieter S. Lutz so jung sterben mußte, wir hätten ihn noch gebraucht.

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Original-URL: http://www.jungewelt.de/2003/01-16/013.php