in: Unsere Zeit 25.10.2002

Blick durch den Feldstecher

Zum außenpolitischen Teil des "rot-grünen" Koalitionsvertrages

von: Arno Neuber | Veröffentlicht am: 16. November 2002

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Die neue Bundesregierung möchte den Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee „fortsetzen und wo erforderlich konsequent weiterentwickeln.“ Nicht mehr die von der Verfassung vorgesehene Verteidigungsarmee, sondern die „Armee im Einsatz“, die über „moderne, gut ausgerüstete und schnell verfügbare Einsatzkräfte“ verfügt, ist das Leitbild von SPD und Grünen in ihrem Koalitionsvertrag für die nächste Legislaturperiode.

„Der Frauenanteil in der Bundeswehr und in Friedenseinsätzen soll schrittweise erhöht werden“ verspricht das Papier den Militärs, die sich um den Nachwuchs in der Truppe sorgen.

Ob die Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK), die in Afghanistan operieren, nach der Devise handeln „Gefangene werden nicht gemacht“ oder ob sie vielmehr mutmaßliche Taliban und Al Qaeda-Angehörige an die USA ausliefern, die sie völkerrechtswidrig in Guantanamo einpferchen, darüber braucht sich die deutsche Öffentlichkeit nun keine Gedanken mehr zu machen, denn im Koalitionsvertrag heißt es ja: „Die parlamentarische Kontrolle von Spezialeinsätzen wird gewährleistet.“ Na, denn!

Zwar spart das Papier nicht mit rot-grüner Polit-Lyrik – so wenn es für eine „gerechte Globalisierung“ und ein „System globaler kooperativer Sicherheit“ eintritt, das „allen Menschen ermöglicht, friedlich, frei und ohne Not zu leben“ – die darin verpackte Botschaft ist dennoch eindeutige Prosa.

Der militärische Knüppel bleibt auch in Zukunft nicht im Sack, er wird offen geschwungen. „Schwerpunkt des deutschen militärischen Engagements … bleibt der Balkan.“ Zusätzlich möchte man sich, Deutschlands „Gewicht in Europa und der Atlantischen Allianz entsprechend“, weiterhin am sogenannten Antiterror-Krieg beteiligen. Die Bundesregierung ist gar entschlossen, das deutsche Engagement „wo erforderlich zu intensivieren“. Außenminister Fischer hat bereits dafür votiert, das am 15. November auslaufende Bundestagsmandat für die Beteiligung der Bundeswehr an der Operation „Enduring Freedom“ zu verlängern. Und Scharping-Nachfolger Struck hat den USA eine Entlastung ihrer Militärs in Afghanistan zugesagt, damit die US-Army sich auf den Krieg gegen den Irak konzentrieren kann. Letzterer wird im Koalitionspapier mit keinem Wort erwähnt. Die Bundesregierung lässt sich so alle Optionen offen, auf den rollenden Panzerzug bei günstiger Gelegenheit noch aufzuspringen.

Ende September hatte US-Kriegsminister Rumsfeld seine europäischen Kollegen mit der Forderung nach einer NATO-Eingreiftruppe in die Enge getrieben, die von den Europäern bezahlt und gestellt, aber von US-Generälen kommandiert werden soll. Ein Frontalangriff auf die militärischen Ambitionen der EUropäer, deren eigene Interventionsstreitmacht ab dem kommenden Jahr einsatzfähig sein soll. Das Koalitionspapier schweigt sich darüber aus und versucht weiter auf allen Militär-Hochzeiten zu tanzen. Es plädiert einerseits dafür , „dass die NATO die notwendige Anpassung an das veränderte sicherheitspolitische Umfeld konsequent fortsetzt“, also für den weiteren Umbau zum Interventionsbündnis, und gleichzeitig für eine Tempobeschleunigung bei der EU-Militarisierung. Letzterem dient der Vorschlag, sicherheitspolitische Entscheidungen der EU künftig nicht mehr einstimmig, sondern „grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit“ zu treffen.

Die Bundesregierung propagiert nun das Ziel einer „Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion (ESVU)“ mit gemeinsamer Rüstung und integrierten Streitkräften. Für den Fall, dass die Regierungen in London und Paris nicht bereit sein sollten (und nichts spricht dafür), auf ihren ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zugunsten einer europäischen Vertretung zu verzichten, will die Bundesregierung eine deutsche Mitgliedschaft anstreben.

Wenn die Koalitionäre geografisch ihren Blick auf Südosteuropa einschließlich dem Balkan, auf die Ukraine und das rohstoffreiche Zentralasien richten, sollte niemand vergessen, dass dabei auch immer ein Bundeswehr-Feldstecher benutzt wird.