Ethisches Investment

Bewertungskriterien des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre

von: Dachverband kritischer Aktionäre und Aktionärinnen / Dokumentation | Veröffentlicht am: 5. Oktober 2002

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Beim ethischen Investment sind Unternehmen auszuschließen, die …

1.) die Menschenrechte missachten, von deren Missachtung (gewollt oder ungewollt) profitieren
oder die Missachtung von Menschenrechten verschleiern
Inhaltlich werden die Menschenrechte definiert durch die von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedeten Deklarationen und Konventionen, insbesondere durch die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ (http://www.unhchr.ch/udhr/lang/ger.htm) aus dem Jahr 1948, die internationalen Pakte über „Bürgerliche und politische Rechte“ (http://www.admin.ch/ch/d/sr/i1/0.103.2.de.pdf) und „Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ (http://www.admin.ch/ch/d/sr/i1/0.103.1.de.pdf) des Jahres 1966 und die „Vereinbarung über die Beseitigung aller Formen von Diskriminierung von Frauen“ (http://www.admin.ch/ch/d/sr/i1/0.108.de.pdf) aus dem Jahr 1979.

2.) grundlegende Rechte der Beschäftigten verletzen – insbesondere die in den Kern-Konventionen der International Labour Organisation (ILO) festgelegten Prinzipien und das Recht auf existenz-sichernde Entlohnung
Zu den im Jahr 1998 festgelegten Kern-Normen der ILO gehören: das Organisationsrecht (ILO Konvention 87), das Recht zu Kollektiv-Verhandlungen (ILO Konvention 98), das Verbot von Zwangs- und Pflichtarbeit (ILO Konventionen 29 und 105), das Verbot von Kinderarbeit (ILO Konventionen 138 und 182) und das Diskriminierungsverbot (ILO Konventionen 100 und 111) (alle unter http://ilolex.ilo.ch:1567/german/docs/convdisp1.htm).
Darüber hinaus maßgeblich sind die Forderungen der Menschenrechts-Charta des Permanent Peoples‘ Tribunal on Industrial Hazards and Human Rights von 1996 (http://www.cbgnetwork.org/Ubersicht/Kampagnen/Charta-D/charta-d.html), der Code of Labour Practices for the Apparel Industry including Sportswear von 1998 (http://www.cleanclothes.org/codes/ccccode.htm) sowie die einschlägigen Standards der Fairtrade Labelling Organi-zations International (http://www.fairtrade.net/standards.html).

3.) sich der aktiv oder passiv der Korruption, Bestechung, Steuerflucht oder des Steuerbetrugs schuldig machen
Die Tatbestände der Korruption und Bestechnung sind u.a. definiert in der „Criminal Law Convention on Corruption“ (http://conventions.coe.int/treaty/en/Treaties/Html/173.htm) und der „Civil Law Convention on Corruption“ (http://conventions.coe.int/treaty/en/Treaties/Html/174.htm) des Europarats, im „Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr“ der Organisation für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (http://www1.oecd.org/deutschland/Dokumente/bestech.htm) und im Grundsatzpapier von Transparency International – Deutsches Chapter (http://www.transparency.de/html/ueberti.html).
Als Tatbestände der Steuerflucht bzw. des Steuerbetrugs gelten alle Maßnahmen die dazu dienen, Staaten oder deren Gebietskörperschaften Steuern vorzuenthalten, die ihnen aus in ihren Territorien getätigten Geschäften zustehen.

4.) vorsätzlich oder fortgesetzt nationales Umwelt- oder Sozialrecht verletzen, gegen internationale oder multilaterale Umwelt- und Sozialabkommen verstoßen oder diese durch politisches Lobbying behindern oder bekämpfen

Im internationalen Bereich sind hier u.a. das Kyoto-Protokoll (http://www.bmu.de/download/dateien/protodt.pdf), das Washingtoner Artenschutz-Abkommen (http://www.bfn.de/04/0401.htm) und die Rotterdamer PIC-Konvention (http://www.pan-germany.org/download.htm) gemeint.

5.) Initiativen zur Entwicklung eines gerechten Welthandels behindern oder die Verschuldung, Benachteiligung und Abhängigkeit von „Entwicklungsländern“ verschärfen
Dazu gehören z.B. die Verdrängung regionaler Anbieter, ausbeuterische Lieferanten-Beziehungen, (Gift)-Müll-Exporte in die „Dritte Welt“, Umwelt- und Sozialdumping. Ebenso gehört dazu die Förderung inter-nationaler Abkommen, die (insgesamt oder in Teilen) die Ausbeutung der „Entwicklungsländer“ erleichtern oder manifestieren, wie es z.B. bei MAI, MIGA, GATS und TRIPS der Fall war bzw. ist.
Positiver Maßstab sind die Standards der Fairtrade Labelling Organizations International (http://www.fairtrade.net/standards.html).

6.) Militär- oder Rüstungsgüter produzieren oder damit handeln
Dazu gehören die Produktion von und der Handel mit Gütern, Dienstleistungen oder know how für militä-rische Zwecke, insbesondere notwendige Elemente oder Leistungen zur Produktion von Massenver-nichtungswaffen.

7.) die Atomenergie anwenden, sich für deren Anwendung einsetzen oder sonstige Geschäfte tätigen, die mit der Nutzung von Atomenergie in Verbindung stehen
Dazu gehören auch alle geschäftlichen Aktivitäten, die mit der Gewinnung, Anreicherung, Wieder-aufbereitung, Lagerung oder dem Transport von Uran und radioaktiven Materialien und den damit verbun-denen Forschungs- und Entwicklungs- sowie Bauarbeiten befasst sind. Auch die Produktion und Distribution von Geräten und Materialien, die für den Einsatz in Atomkraftwerken bestimmt sind, fällt unter diese Definition. Der Handel mit atomar erzeugtem Strom und sein Vertrieb sind ebenfalls eingeschlossen.

8.) Gentechnik anwenden, fördern oder sich für deren Förderung einsetzen
Dazu gehören Produktion, Handel und Nutzung von gentechnisch veränderten Organismen (Mikroorga-nismen, Pflanzen, Tiere, der menschliche Körper bzw. seine Teile) und von Stoffen, die unter Anwendung gentechnischer Verfahren hergestellt wurden, sowie die dazu notwendige Forschung und Entwicklung.

9.) besonders umwelt- oder gesundheitsschädliche Stoffe oder Produkte herstellen, vertreiben oder verwenden
Dazu gehören z.B.: Chlorchemie, Treibhausgase, Ozonschicht-zerstörende Gase, Pestizide, Tabakwaren, krebserregende Stoffe.

10.) irrationale oder gesundheitsgefährdende Arzneimittel produzieren oder vertreiben
Maßstab hierfür sind (mangels internationaler Normen) die Grundsätze der BUKO Pharma-Kampagne, Bielefeld, für Ihre Untersuchungen des Arzneimittelangebots deutscher Unternehmen in der „Dritten Welt“ (erstmals: Dr. Robert Hartog & Dr. Hermann Schulte-Sasse 1990 / zuletzt: Karin Pichlbauer u.A. 1999, www.bukopharma.de).
Positiver Maßstab ist die Liste „unentbehrlicher Arzneimittel“ der Weltgesundheitsorganisation (www.who.int/medicines/organization/par/edl/infedl11alpha.html).

11.) Raubbau an natürlichen Ressourcen betreiben oder fördern
Als Raubbau muss jede Gewinnung nachwachsender Rohstoffe verstanden werden, die über die natürliche Reproduktion hinausgeht. Als Raubbau muss ebenfalls jede Gewinnung von Bodenschätzen verstanden werden, die unter Inkaufnahme gravierender sozialer oder ökologischer Schäden erfolgt. Dazu gehört die Gewinnung oder Nutzung von Rohstoffen, die nicht nach den Managementregeln der „Nachhaltigkeit“ gewonnen und nicht von unabhängigen Organisationen daraufhin überprüft und zertifiziert wurden.

Die Managementregeln der Nachhaltigkeit lauten (nach BMU 1997):
– Die Nutzung erneuerbarer Naturgüter (z.B. Wälder oder Fischbestände) darf auf Dauer nicht größer sein als ihre Regenerationsrate.
– Die Nutzung nichterneuerbarer Naturgüter (z.B. Böden, landwirtschaftliche Nutzfläche) darf auf Dauer nicht größer sein als die
Substitution ihrer Funktionen.
– Die Freisetzung von Stoffen und Energie darf auf Dauer nicht größer sein als die Anpassungsfähigkeit der natürlichen Umwelt.
Zielrichtung ist also ein Fließgleichgewicht zwischen schädlichen Emissionen, der Anpassungszeit von Ökosystemen und daraus
resultierend ihrer Empfindlichkeit gegenüber externen Störungen.

12.) von Sucht erzeugenden Eigenschaften ihrer Produkte oder Dienstleistungen profitieren
Dazu gehören Geschäfte mit legalen (Alkohol, Tabak, Medikamente) und illegalen Drogen sowie mit Glücks-spielen (einschließlich Aktienspekulation). Ausgenommen sind medizinisch indizierte Anwendungen von Arzneimitteln mit Suchtpotential.

13.) gegen Prinzipien des Tierschutzes verstoßen
Verstöße gegen das Tierschutz-Gebot sind insbesondere die Durchführung von und die Auftragserteilung für Tierversuche, die nicht artgerechte (Massen-)Tierhaltung und nicht artgerechte Tiertransporte sowie die Pelzverarbeitung und der Pelzhandel. Eine Ausnahme bilden notwendige Tierversuche für medizinische Innovationen, sofern keine Alternativmethoden zur Verfügung stehen. (vgl. u.a.: http://www.animalconcerns.org & http://www.worldanimal.net)

14.) beim Marketing für ihre Produkte oder Dienstleistungen gegen internationale Codizes verstoßen
Dies betrifft u.a. die „Ethical Criteria for Medicinal Drug Promotion“ der Weltgesundheitsorganisation (www.who.int/medicines/library/dap/ethical-criteria/ethicalen.htm) und den „Internationalen Kodex für die Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten (www.ibfan.org/german/resource/who/fullcode-de.html).

15.) mangelnde Informations-Offenheit an den Tag legen oder Markttransparenz behindern
Dazu gehören insbesondere die Verweigerung von Auskünften über gesundheits-, umwelt-, sozial- und gesellschaftspolitisch relevante Fragen bezüglich ihrer Unternehmenspolitik gegenüber externen Anspruchs-gruppen sowie die Behinderung von Initiativen und Strukturen, die eine größere Transparenz ermöglichen würden.

Für ethisches Investment kommen insbesondere Unternehmen in Frage, die …
1. keines der oben genannten Ausschluss-Kriterien erfüllen,
2. besondere Aktivitäten und Innovationen im Interesse ihrer Beschäftigten entwickeln – insbesondere für Frauen, Jugendliche, ausländische Arbeitskräfte oder Behinderte,
3. faire Handelsbeziehungen mit benachteiligten Produzenten in der „Dritten Welt“ unterhalten oder fördern,
4. bevorzugt erneuerbare Energiequellen nutzen und sich für deren Nutzung einsetzen,
5. biologische Landwirtschaft ohne Einsatz von Agrarchemikalien betreiben oder die biologische Landwirtschaft fördern,
6. Nutztiere artgerecht halten und maximale Vorkehrungen zum Tierschutz treffen oder sich dafür einsetzen,
7. Verbraucherinteressen über das gesetzliche Maß hinaus berücksichtigen und fördern,
8. sich für bessere Information und mehr Informationsrechte der Öffentlichkeit engagieren,
9. als Teil einer regionale Ökonomie arbeiten und sich dafür einsetzen,
10. sich für soziale Zwecke (außerhalb des klassischen Sponsorings) einsetzen.

(c) Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V., Schlackstraße 16, 50737 Köln, Germany, Tel. 0221-5995647, Fax 0221-5991024, dachverband@kritischeaktionaere.de, http://www.kritischeaktionaere.de