Brief von Ulrich Sander an Edmund Stoiber

VVN-BdA: Deckt Stoiber NS-Kriegsverbrecher?

Die VVN-BdA hat Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber aufgefordert, gegen 71 mutmaßliche Kriegsverbrecher ermitteln zu lassen, die in Bayern und Umgebung als Veteranen der 1. Wehrmachts-Gebirgsdivision leben.

von: Ulrich Sander | Veröffentlicht am: 4. Oktober 2002

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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – BdA
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An die Medien
17. 9. 02
VVN-BdA: Deckt Stoiber NS-Kriegsverbrecher?

Die VVN-BdA hat Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber aufgefordert, gegen 71 mutmaßliche Kriegsverbrecher ermitteln zu lassen, die in Bayern und Umgebung als Veteranen der 1. Wehrmachts-Gebirgsdivision leben. Stoiber wurde in einem Brief des VVN-BdA-Sprechers Ulrich Sander aufmerksam gemacht auf den Versuch der Strafvereitelung durch bayerische Behörden, z.B. durch die Staatsanwaltschaft Weilheim. Diese hatte junge Antifaschisten aus NRW unter Anklage gestellt und ihnen Hausfriedensbruch und Beleidigung vorgeworfen, während die Staatsanwaltschaft es unterließ, gegen die NS-Täter, deren Untaten – z.B. in Griechenland – von den Protestierenden dokumentiert wurden, zu ermitteln. Die VVN-BdA richtete einen Brief und mehrere Dokumentationen an Stoiber (siehe unten) mit dem Betreff:

„Dienstaufsichtsbeschwerde – Unerledigte Anzeige beim Generalstaatsanwalt in München wg. öffentlichen Zeigens von Hakenkreuzen – Strafvereitelung zugunsten von Kriegsverbrechern der 1. Gebirgsdivision durch die Staatsanwaltschaft Weilheim / Bayern – VVN-BdA nennt 71 Namen schwer Belasteter“.

Auch das Bundesverteidigungsministerium und die Ludwigsburger Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Verbrechen wurden eingeschaltet.

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An den
Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern
Herrn Dr. Edmund Stoiber
Bayerische Staatskanzlei
Franz-Josef-Strauß-Ring 1
80539 München

PER EINSCHREIBEN

Betreff: Dienstaufsichtsbeschwerde – Unerledigte Anzeige beim Generalstaatsanwalt in München wg. öffentlichen Zeigens von Hakenkreuzen – Strafvereitelung zugunsten von Kriegsverbrechern der 1. Gebirgsdivision durch die Staatsanwaltschaft Weilheim / Bayern – VVN-BdA nennt 71 Namen schwer Belasteter

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

Ich bitte Sie dringend darum, seitens der Bayerischen Staatsregierung einer Dienstaufsichtsbeschwerde nachzugehen, die ich hiermit einlege.

Bayerische Staatsanwälte und der Generalstaatsanwalt verzögern seit Monaten die Ermittlungen gegen die Bundeswehr und den Kameradenkreis der Gebirgstruppe wegen Zeigens von Hakenkreuzen auf einem von Bundeswehr und Kameradenkreis veranstalteten Treffen zu Pfingsten 2002 auf dem Hohen Brendten, Mittenwald. Vor allem ist Klage zu führen über die Staatsanwaltschaft Weilheim, die Kunde von schwersten Verbrechen und den möglichen Tätern erhielt, aber nicht gegen diese ermittelt, sondern gegen jene, die über die Verbrechen und die Verbrecher Informationen verbreiteten. Gegen sie wird wegen „Hausfriedensbruchs“ und Beleidigung ermittelt.

Das Verhalten der bayerischen Staatsanwälte könnte als Versuch der Strafvereitelung angesehen werden. Allerdings ist ihnen zugute zu halten, dass sie im guten Glauben waren, „in vorauseilendem Gehorsam“ zu handeln. Denn Sie, Herr Ministerpräsident, haben zu erkennen gegeben, dass Sie als prominentestes Mitglied des Kameradenkreises und der Reservisten der Gebirgstruppe Ihre Hand über diese alpine Elitetruppe halten. Bei ihr zu dienen, so sagten Sie vor einem Jahr aus Anlass der Eingliederung der 1. Gebirgsdivision in die 10. Panzerdivision des Heeres, kommandiert von Generalmajor Jan Oerding in Sigmaringen, sei für jeden Soldaten etwas ganz Besonderes; dies auch wegen der „unangreifbaren Traditionspflege, die in der insgesamt traditionsarmen Bundeswehr ihresgleichen sucht“. Das waren Ihre Worte.

Diese Traditionspflege stellt die Würdigung schwerster Kriegsverbrechen dar!

1. Ich habe mir daher erlaubt, wegen Verletzung des Dritten Titels des Strafgesetzbuches „Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates“ (§ 84ff), insbesondere § 86, Anzeige zu erstatten. Tatbestand: Traditionstreffen der Gebirgsjäger am Hohen Brendten in Mittenwald am 19. Mai 2002. Glaubhaftmachung: Ablichtung des Artikels „NS-Orden stören den soldatischen Schulterschluss in Mittenwald nicht“; in: Frankfurter Rundschau vom 21. Mai 2002, ferner Abschrift aus dem Garmischer Tagblatt vom 5. Juni 2002. Die Verantwortung für das diesjährige Pfingsttreffen trägt auch die Bundeswehr, persönlich Generalmajor Jan Oerding. Außer einer Eingangsbestätigung meiner Anzeige beim Generalstaatsanwalt in München habe ich nichts zu den Vorwürfen vernommen. Bemerken möchte ich noch, da es eigentlich nicht meiner Anzeige bedurft hätte, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Pflicht erfüllt hätte, jeder erkennbaren Straftat nachzugehen. Diese Straftat bestand im brutalen Vorgehen von Bundeswehr und Veteranen gegen junge protestierende Menschen und in der Freiheitsberaubung durch die Polizei von Mittenwald. Vor allem hat die Staatsanwaltschaft folgendes „übersehen“:

2. Die protestierenden Jugendlichen haben eine Dokumentation mit Wehrmachtsverbrechen der 1. Gebirgsdivision der NS-Wehrmacht vorgelegt, und dies war auch durch Schläge und Tritte der Teilnehmer des Kameradschaftsabends am Pfingstsamstag im Postkeller in Mittenwald nicht zu verhindern. Als man die 18 Jugendlichen dann zusammen mit rund 40 weiteren Mitreisenden für zwei Tage in einer Jugendherberge arrestierte, verbreiteten die 18 Jugendlichen mit Hilfe unserer Organisation, der VVN-BdA, im Internet ihre schwere Anklage: „Unter dem NS-Regime verübte diese Einheit der Wehrmacht diverse Massaker an Tausenden von Menschen in Griechenland, Italien, Jugoslawien, Polen und Finnland. Diese Tradition der Verehrung der Mörder und Verhöhnung der Opfer konnte über 50 Jahre lang unbehelligt stattfinden und sich dabei einer großen gesellschaftlichen Akzeptanz erfreuen. Als Mitveranstalter tritt hier (in Mittenwald am Hohen Brendten) die Bundeswehr in Erscheinung und sie befindet sich damit in auffälliger Kontinuität, denn auch heute sind die Gebirgstruppen wieder aktiv bei Auslandseinsätzen wie im Kosovo und Afghanistan. Dabei jene Bundeswehr-Gebirgs-division, die sich als direkte Nachfolgerin der Wehrmachtsdivision versteht.“

Dazu ist folgendes zu erläutern: Seit über 50 Jahren veranstaltet zu Pfingsten die 1. Gebirgsdivision (1. GD der Wehrmacht) und dann ihre Nachfolgedivision, die 1. GebDiv der Bundeswehr, in Mittenwald eine Gedenkfeier zu Ehren ihrer toten „Helden“. Auch in diesem Jahr trafen sich die Veteranen gemeinsam mit aktiven und ehemaligen Soldaten der Bundeswehr auf Bundeswehrgelände am Hohen Brendten. Junge Antifaschistinnen und Antifaschisten aus unserem Bundesland nahmen in diesem Jahr ebenfalls teil. Sie besuchten – wie kurz geschildert – mit einer 18köpfigen Gruppe den im Rahmen der Gedenkfeier stattfindenden Kameradschaftsabend mit Schweinebratenessen der Gebirgssoldaten in Mittenwald. Dort waren aktive und pensionierte Angehörige der Gebirgsdivision, zwischen 20 und 80 Jahren, versammelt. Zu ihrem Vorhaben, eine Gedenkminute für die Opfer an dem Versammlungsort der Täter zu veranstalten, kamen die Antifaschisten allerdings nicht: Die aufgebrachten Traditionspfleger versuchten, ihnen die mitgebrachten Schilder, auf denen die Kriegsverbrecher benannt wurden, zu entreißen. Auf die Konfrontation mit den Verbrechen von ehemaligen Gebirgsjägern reagierten die Veteranen und Bundeswehrsoldaten mit Schlägen und Tritten.

Die antifaschistische Gruppe legte eine Dokumentation vor, in der es heißt:
„Die Gebirgssoldaten feiern hier die Besetzung und Ausplünderung Europas im Zweiten Weltkrieg. Sie protzen noch heute mit den von ihnen begangenen Massakern und Zerstörungen in Kommeno, Kephalonia, Camerino, Sarande, Fabriani, Lyngiades, im Massif du Vercors, Rovaniemi und in Hunderten weiterer Orte.

Das Gerede von der stolzen edlen Truppe, die tapfer unterm Edelweiß gekämpft hat, ist ein Hohn für die Tausenden Opfer der Gebirgstruppe. In Kommeno in Nordgriechenland fuhren sie am 16.8.1943 zum Morden mit Maultieren und dem Küchenwagen vor und erschossen 317 Frauen, Männer und Kinder. Die stolzen Soldaten der 12. Kompanie des Gebirgsjäger-Regiments 98 unter dem späteren Bundeswehr-Oberstleutnant und damaligen Major Reinhold Klebe, die sich auch nach dem Krieg weiter ungestört im Kameradschaftskreis der Gebirgstruppe treffen, ermordeten nicht nur die unschuldigen Zivilisten, einzelne Soldaten machten sich noch über die Frauenleichen her und schändeten sie, wie einer der Täter später berichtete. Nach wurde dann das Dorf zum privaten Raubzug freigegeben: berichtete Franz T. bei seiner polizeilichen Vernehmung 1970.

Dieses bestialische Massaker blieb kein Einzelfall. Als Teil der 1. Gebirgsdivision beteiligten sie sich an der Entwaffnung der italienischen Soldaten und erschossen 4000 italienische Gefangene allein in Kephalonia. Die Mörder zogen weiter. Im Epirusgebiet unterstützten sie die Geheime Feldpolizei bei der Deportation der griechischen Juden in Joannina. Und unter dem Deckmäntelchen der ermordeten sie über 1000 Griechen und zerstörten im Epirusgebiet mehr als 100 Dörfer allein im Oktober 1943, wie der nazifreundliche griechische Ministerpräsident Rhallys in einem Protestschreiben an die Wehrmachtsführung vortrug.

Das heißt, die Mörder sind noch unter uns. … Sie lassen ihre Kriegsverbrecher-Generäle hochleben und verharmlosen die unzähligen Massaker an Zivilpersonen, an Frauen und Kindern in ganz Europa als angeblich gerechtfertigte „Sühnemaßnahmen“. … Die Gebirgssoldaten beschwören eine Tradition von den kaiserlichen Truppen des Ersten Weltkriegs über die Wehrmacht Nazi-Deutschlands bis zur heutigen Bundeswehr. Und Gebirgsjäger-Minister-präsident Stoiber, Mitglied im Nazi-Kameradenkreis der Gebirgstruppe, sprach im letzten Jahr zur feierlichen Auflösung der 1. Gebirgsdivision von einer der Gebirgstruppe. Immer wieder unterstützt er den Haufen unverbesserlicher Militaristen und Mörder. Für rührselige Fahrten zu ehemaligen und heute wieder aktuellen Kriegschauplätzen, z. B. im Kaukasus, übernimmt er die Schirmherrschaft. Diese Tradition wollen und dulden wir nicht. … Wir grüßen mit unserer Überraschungskundgebung im tiefsten Bayern stellvertretend die Überlebenden aus Kommeno, Lyngiadas, Akmotopos, Klisura, Alikianu in Griechenland, die Überlebenden italienischen Soldaten der Massaker in Kephalonia, Korfu, Sarande, die Überlebenden der in Delnice und Versenico di Sotto im und Jugoslawien, die Überlebenden von Camerino und Fabriano in Italien, die Überlebenden der Menschenjagd im Maquis im Raum Besancon, Dijon und Massif du Vercors und nicht zuletzt die Überlebenden der Vertreibung und Zerstörung in Lappland. Sofortige Entschädigung der griechischen Massaker-Opfer! Kein Vergeben! Kein Vergessen!“

Soweit der Auszug aus dem Text, der zwar auf dem Kameradschaftsabend und einen Tag später auf dem Treffen von Bundeswehr und Kameradenkreis am Hohen Brendten nicht verlesen werden durfte, der aber dennoch der Staatsanwaltschaft bekannt gegeben wurde, ohne daß sie Ermittlungen aufnahm.

Inzwischen wurde der Staatsanwaltschaft Weilheim eine Dokumentation weiterer Gebirgsjäger-Verbrechen durch die Jugendgruppe angreifbare-traditionspflege@web.de aus Wuppertal vorgelegt. Die VVN-BdA von Nordrhein-Westfalen war in der Lage, aus den Mitgliedslisten des Kameradenvereins (siehe Zeitschrift „Die Gebirgstruppe“) und den Überlieferungen der an den Verbrechen beteiligten Wehrmachtseinheiten 71 dringend der Mittäterschaft verdächtige Personen für diese Dokumentation zu benennen, die zu den Teilnehmern der Treffen von Mittenwald gehören. Gegen sie muß dringend ermittelt werden.

Unter den Genannten befinden sich Alfred Artmann, Kommandeur der 13. Kompanie, die am 25. 10. 43 Periwoli/Griechenland zerstörte und 53 Bewohner tötete, ferner Major a.D. Alois Eisl, der die sogenannte „Säuberungsaktion Kommeno“ geleitet hat. Aus Rache für den Tod des Massenmörders Oberstleutnant Josef Salminger – er war mit seinem PKW gegen ein von den Partisanen errichtetes Hindernis gefahren und ums Leben gekommen – hat Eisl mit seinen Leuten zwischen dem 1. und 4. Oktober 1943 18 Dörfer in Griechenland zerstört, wer nicht floh, wurde umgebracht. Auf flüchtende Zivilisten wurde mit Geschützen gefeuert; Eisl meldete stolz „Volltreffer“; es war Mord an 100 Zivilisten. All das und viele weitere Verbrechen der 1. Gebirgsdivision werden in dem Buch „Kommeno“, Seite 110, von Hermann Frank Meyer geschildert, der Eisl in München, wo er rüstig lebt, zur Rede stellen wollte. Er lehnte ab -nun heißt es: Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie. Vor allem aber: Herr Ministerpräsident, tun Sie Ihre Pflicht.

Brechen Sie endlich aus der Tradition des Kalten Krieges aus, die dazu beitrug, dass über 300 Ermittlungsverfahren gegen die Täter aus den Reihen der Gebirgsjäger der Wehrmacht und SS einfach niedergeschlagen wurden, weil man die alten Wehrmachtskader für die neue Bundeswehr brauchte. Zahlreiche Täter gelangten in höchste Positionen. Wir verweisen auf Wehrmachtsoberst Karl-Wilhelm Thilo, der in der Bundeswehr Generalmajor, Kommandeur der 1. Gebirgsdivision und stellvertretender Heeresinspekteur wurde. Als Chef des Stabes von 1. GD unterzeichnete er Massenmordbefehle gegen Jugoslawen und Griechen; und er schrieb mit an Büchern, die in der Bundeswehr kursierten, um den Völkermord zu preisen, so Hubert Lanz (Hg.) „Gebirgsjäger – Die 1. Gebirgsjäger-Division 1935/1945“ Unter „Beute“ führte Thilo in seinen Berichten an den Divisionsstab auch „tote Banditen“ auf, und dies waren 153 Männer, Frauen, Kinder und Greise im Alter von 1 bis 75 Jahren, die im Dorf Mousiosas / Griechenland am 25. Juli 1943 ermordet wurden.

Herr Ministerpräsident, ich erlaube mir, dieses Schreiben auch der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen, Schorndorfer Str. 58, 71636 Ludwigsburg, zur Ermittlung von NS-Massenverbrechen zu übergeben, ferner dem Bundesverteidigungsministerium. Die Untaten dürfen nicht länger unter den Tisch gekehrt werden.

Hochachtungsvoll

– Ulrich Sander –

Anlagen
– Bericht der Gruppe Jugendgruppe angreifbare-traditionspflege@web.de aus Wuppertal (Offener Brief an die Staatsanwaltschaft Weilheim)
– Ablichtung des Artikels „NS-Orden stören den soldatischen Schulterschluss in Mittenwald nicht“; in: Frankfurter Rundschau vom 21. Mai 2002, ferner Abschrift aus dem Garmischer Tagblatt vom 5. Juni 2002.

Abschrift aus dem Garmischer Tagblatt vom 5. Juni 2002.

Kriegsveteranen tragen Orden mit Hakenkreuzen – Beschwerdebrief an Hardthöhe
(GAP – 5. Juni 2002)

VON CHRISTOF SCHNÜRER Mittenwald – Das 45. Pfingsttreffen auf dem Hohen Brendten hat ein Nachspiel – nicht wegen der rund 50 Demonstranten aus Köln (wir berichteten), sondern wegen einiger Tiroler Weltkriegsveteranen. Diese trugen bei der Gedenkfeier am Ehrenmal Orden mit eingearbeitetem Hakenkreuz auf der Brust. Ein Beschwerdebrief an das Bundesverteidigungsministerium ist bereits unterwegs. Absender: Jakob Knab.

Der ist in Mittenwald kein Unbekannter. Er sorgte mit seinen Geschichtsforschungen dafür, dass die „General-Ludwig-Kübler-Kaserne“ auf Weisung des damaligen Verteidigungs-ministers Volker Rühe (CDU) in „Karwendel-Kaserne“ umbenannt werden musste. „Die Jungs auf der Hardthöhe kennen mich schon“, meint der streitbare Religionslehrer, „und ich bin mir sicher, dass nächstes Jahr keiner mehr einen Orden mit Hakenkreuz tragen wird.“

Der 51-Jährige selbst war am Pfingstsonntag nicht auf dem Hohen Brendten dabei gewesen. Dafür aber ein Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks (WDR), dem die „Ordensträger“ im Laufe der Dreharbeiten aufgefallen waren. Formaljuristisch haben die Hakenkreuz-Träger gegen Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs (StGB) verstoßen. Darin wird das „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ untersagt. Nicht nur das: Laut Herbert Krauß, Sprecher der Polizei-Inspektion Weilheim, sei bei Zuwiderhandlung eine Freiheits-strafe bis zu drei Jahren oder eine saftige Geldbuße möglich. Hätten seine Kollegen vor Ort die Nazi-Symbole entdeckt, hätten sie eingegriffen, versichert Krauß. „Dann kassieren wir die, da gibt’s keinen Radi.“

Knab wiederum meint: „Die Grundwerte unserer Verfassung gelten auch für die Traditionspflege der Gebirgsjäger.“ Mittlerweile aber, so der Allgäuer, pendele sich ein gewisses „Gewohnheitsrecht“ bei diesen Treffen ein. Sein Vorwurf richtet sich gegen den Veranstalter am Ehrenmal, den Kameradenkreis der Gebirgstruppe. Harald Rettelbach, Mitglied des Hauptvorstands, bestätigt den Zwischenfall. „Es hat keiner von uns gemerkt“, versichert der ehemalige Oberstleutnant. „Das Ganze ist bedauerlich und wird Konsequenzen nach sich ziehen.“ Was bedeutet, dass man die Tiroler Kameraden auffordern werde, bei künftigen Pfingsttreffen auf die Hakenkreuz-Orden zu verzichten, deren Tragen in Österreich ja erlaubt sei. Eines steht für Rettelbach jedoch außer Frage: „Das sind keine Nazis.“

Ebenso ahnungslos wie der Kameradenkreis zeigt sich auch die 10. Panzerdivision in Sigmaringen, deren Kommandeur Generalmajor Jan Oerding die Festrede vor den knapp 2000 ehemaligen und aktiven Gebirgsjägern hielt. „Wir haben nicht ins blanke Auge dieser Leute gesehen“, betont Presseoffizier Oberstleutnant Peter Wozniak. Nachdem Bundeswehr-Vertretern nichts aufgefallen sei, sei ihnen auch kein Vorwurf zu machen.

An einen Imageschaden für die Truppe glaubt Wozniak jedenfalls nicht. Der Fremdenverkehrsort Mittenwald aber könnte durch solche Negativschlagzeilen sehr wohl Schaden leiden, befürchtet Kurdirektor Klaus Ronge. „Wenn so etwas aufs Tablett getragen wird, wirft das kein gutes Bild auf unseren Ort.“

Wie auch immer die Hardthöhe auf Jakob Knabs Beschwerdebrief reagieren wird, beim Pfingsttreffen 2003 werden die Verantwortlichen einen genaueren Blick auf die zur Schau getragenen Weltkriegsorden werfen – so viel ist sicher.

Abschrift aus: Frankfurter Rundschau vom 21. Mai 2002

NS-Orden stören den soldatischen Schulterschluss in Mittenwald nicht
Pfingsttreffen eint Wehrmachts-Veteranen und Bundeswehr-Mitglieder / Polizei
setzt angereiste Demonstranten fest
Von Joachim F. Tornau (Mittenwald) Frankfurter Rundschau

Es ist die größte soldatische Feier in Deutschland. Jedes Jahr zu Pfingsten gedenken tausende Wehrmachts-Veteranen und Bundeswehr-Soldaten im bayerischen Mittenwald gemeinsam der gefallenen Gebirgsjäger beider Weltkriege. Berührungsängste, so schien es am Sonntag, gibt es dabei nicht: Kurz nach einer Abordnung der Bundeswehr, die den Kranz des Verteidigungsministeriums niederlegte, traten die Vertreter einer österreichischen Krieger-Kameradschaft vor das Ehrenmal. Auf der Brust trugen sie Orden mit dem Hakenkreuz. Von den Anwesenden nahm daran niemand Anstoß.

Mögliche Proteste hatte die Polizei unterbunden. Am Vorabend war eine Gruppe von Demonstranten unerwartet beim Kameradschaftsabend der Soldaten aufgetaucht, um auf die Verbrechen der Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg aufmerksam zu machen. Ihr Versuch, an die Opfer zu erinnern, ging allerdings im Tumult unter: Mit Fäusten, Stühlen und Krückstöcken vertrieben die alten und jungen Kameraden ihre Kritiker. „Drecksmüll“ seien diese Leute, schimpfte ein aktiver Hauptfeldwebel der Bundeswehr und ärgerte sich, nicht handgreiflicher geworden zu sein: „Wenn ich keine Uniform anhätte, gäbe es die schon nicht mehr.“

Ein Großaufgebot Polizei setzte die Demonstranten in einer Jugendherberge fest. Auch eine Kundgebung im Zentrum von Mittenwald – weit entfernt vom Ehrenmal auf dem Hohen Brendten – wurde nicht erlaubt. Am Sonntag sollte alles wieder so reibungslos verlaufen wie gewohnt. Die Beteiligung der Gebirgsjäger am Vernichtungskrieg der nationalsozialistischen Wehrmacht haben Militärhistoriker schon vor Jahren nachgewiesen. So ermordeten Truppen der 1. Gebirgs-Division am 13. September 1943 auf der griechischen Insel Kephalonia mindestens 4000 italienische Kriegsgefangene – aus Rache dafür, dass die vormaligen Verbündeten die Seiten gewechselt hatten. Den Beteiligten gilt das bis heute als Aktion, bei der „einiges gründlich danebenging“. Diese Worte jedenfalls wählte unlängst ein Veteran von Kephalonia in der Zeitschrift des „Kameradenkreises der Gebirgstruppe“.

Der Traditionsverband, in dem Ex-Angehörige der Wehrmacht genauso Mitglied sind wie Soldaten der Bundeswehr, ist für die Organisation der alljährlichen Pfingsttreffen in Mittenwald verantwortlich. Den Schulterschluss erklärt Vorstandsmitglied Harald Rettelbach, früher Direktor des Nato-Pressezentrums in Brüssel, mit einer rhetorischen Frage: „Soll ich etwa die verdammen, die mir das Handwerkszeug beigebracht haben?“ Bei den Massenerschießungen habe es sich zwar unzweifelhaft um ein Verbrechen gehandelt. Aus seinem Verband möchte er deshalb aber niemanden ausschließen: „Sie sind ja gerichtlich nicht verurteilt worden.“

Von den 8000 Mitgliedern des Kameradenkreises haben in diesem Jahr rund 2000 den Weg auf den Berg bei Mittenwald geschafft. Ihr prominentester Mitstreiter ließ sich entschuldigen. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber war auf dem Tag der Sudetendeutschen unabkömmlich. Mit dem fragwürdigen Brückenschlag zwischen Alt und Jung scheint aber auch er kein Problem zu haben: Als vor einem Jahr die Gebirgsdivision der Bundeswehr als eigenständige Einheit aufgelöst wurde, hatte er sich eine persönliche Ansprache nicht nehmen lassen. Bei der alpinen Elite-Truppe zu dienen, sei für jeden Soldaten etwas ganz Besonderes, sagte er – nicht zuletzt wegen ihrer „unangreifbaren Traditionspflege, die in der insgesamt traditionsarmen Bundeswehr ihresgleichen sucht“.
Anlage
Bericht der Gruppe Jugendgruppe angreifbare-traditionspflege@web.de aus Wuppertal (Offener Brief an die Staatsanwaltschaft Weilheim)

Aus: Offener Brief an die Staatsanwaltschaft Weilheim/Bayern

Als Betroffene von Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Beleidigung und schwerem Hausfriedensbruchs in Mittenwald wenden wir uns an die zuständige Staatsanwaltschaft und Öffentlichkeit. Wir bitten auch um auch Weiterleitung an die für NS-Verbrechen zuständigen Sonderstaatsanwaltschaften in Ludwigsburg und München.

Wir sind eine ca. 50 köpfige Reisegruppe im Alter von 18-49 Jahre, die auf Studienreise in die KZ-Gedenkstätte Mauthausen unterwegs war. Die große Mehrheit der TeilnehmerInnen waren übrigens Frauen. Dies bitten wir zu beachten. Wir wenden uns entschieden gegen die pauschale Verdächtigung unserer Reisegruppe und regen eine rechtsstaatliche Beweisführung ihrerseits an. Auch macht es vielleicht Sinn, im Zuge der umfassenden Ermittlungstätigkeit auch die Straftaten der Gebirgsjäger und ihrer Freunde zu untersuchen.

Zu fragen wäre beispielsweise nach dem Herrn in Bundeswehruniform, dessen Foto bereits im Internet publiziert wurde, der mit der Faust auf Protestierende einschlug. Oder warum darf ein Hans Ostler, Ortskameradschaftsführer aus Mittenwald straffrei Demonstranten bedrohen, beleidigen und schlagen? Oder haben Sie schon ermittelt, wie viele Teilnehmer der öffentlichen Veranstaltung im „Postkeller“ Orden mit Hakenkreuzen trugen, ohne dass die Veranstalter eingegriffen hätten? Hier könnte neue Ermittlungsansätze Richtung schwerer Körperverletzung, Beleidigung und Tragen von faschistischen Symbolen sehr vielversprechend sein.

Die Kriegsverbrechen von Einheiten der Gebirgsjäger sind in Deutschland von der deutschen Justiz nicht geahndet worden. Stattdessen konnten sich im Kameradenkreis die noch nicht verurteilten Täter mit ihren von den Alliierten abgeurteilten Generälen über 50 Jahre ungestört ihrer Traditionspflege hingeben.

Die Verbrechen der Gebirgstruppe werden regelmäßig in ihrer Verbandszeitung „Gebirgstruppe“ verharmlost und teilweise offensiv geleugnet. Auf ihren jährlichen Veranstaltungen am Hohen Brendten treten seit Jahren österreichische Veteranen mit Hakenkreuz-Orden auf. Unter den Augen der Bundeswehr, der bayrischen Staatsregierung und des Kameradschaftsmitglied Edmund Stoiber hat sich eine Organisation etabliert, die Kriegsverbrecher in ihren Reihen duldet, schützt und die Täter in Ehren hält.

Die Notwendigkeit, Veteranen der deutschen Wehrmacht als Kriegsverbrecher und Mörder zu bezeichnen, ergibt sich insbesondere dann, wenn man den ehemaligen Soldaten persönlich Kriegsverbrechen zuordnen kann. Diese Möglichkeit ist bei dem Zusammenschluß der Gebirgstruppe im Kameradschaftskreis und in sogenannten Kompaniekameradschaften in vielen Fällen gegeben. Wir bitten deswegen die Staatsanwaltschaft in München und die Zentrale Stelle in Ludwigsburg um erhöhte Aufmerksamkeit. Das von Ihnen gegen unsere Reisegruppe angestrengte Verfahren wegen Beleidigung pp. werden wir dazu nutzen eine Wiederaufnahme bzw. Neuaufnahme gegen die noch lebenden Täter im Kameradenkreis anzuregen. Bei den ersten Prozessen werden wir in Zusammenarbeit mit HistorikerInnen und Angehörigen der getöteten Zivilisten aus Griechenland, Frankreich, Italien und Finnland reichhaltiges Beweismaterial vorlegen. Wir bitten daher um rechtzeitige Terminierung, möglichst noch vor der Bundestagswahl.

Es folgt eine kleine Auswahl von Verbrechen, die den Gebirgsjägern eindeutig zuzuordnen sind und eine Auswahl von Tatverdächtigen.

In diesem Sinne wünschen wir viel Erfolg bei der Ermittlungstätigkeit

angreifbare-traditionspflege@web.de

II.Gebirgsjägerregiment 98

1.10.43 Neochoratti, Megarchi und Tunta zerstört, 20 Zivilisten erschossen.
Major Eisl mit 2 Kompanien II./98 und 1 Gesch. Zug der II/79 ((Major Schmitt)1.GD

3. Oktober 1943 Mord in Thereakision: „Sühnemaßnahme für Mord an Oberstleutnant Salminger“, 3 Personen, darunter Vassilis Karamanis

3.10.43 Akmotopos „Im Rahmen der Säuberungsaktionen zahlreiche Ortschaften niedergebrannt und das Vieh getötet.(…)Gruppe Eisl zerstört Akmotopos als Sühnemaßnahme völlig. Sämtliche Zivilisten werden erschossen“.

4.10.43 Muliana, Makates, Anoion Tereion, Jimnopolos,Akmotopos, Klisura, Lagatora werden zerstört. 130 Banditen und Zivilisten werden getötet. Gruppe Eisl

1 GD 6.10.43 „Unternehmen Tiger“: 40 Ortsschaften abgebrannt, 40 Feindtote werden gezählt. 1GD. Kommandeur: Eisl, Alois , Kommandeur April 43-August 1944

7. Kompanie:
Komposch, Kurt, Ramsau
Simon, Fritz, Tanne/Harz
Lindner, Joachim, Burgstädt

9. Kompanie
Höllwart, Ludwig
Murnauer, Nik
Zenz, Anton, München
Zeller, Hans
Keller, Gebhard
Killer, Willi
Wackersberger, Toni, Tegernsee
Hechtberger, Karl-Heinz, Großenhain
Krißmayr, Sepp, Kempten
Huber, Hans
Prestel, Gebhard
Ruoff, Willi
Eckart, Hannes
Kahle, Gustl
Steingruber,
Brigl, Georg
Wiedmann, Richard
Schreiber, Ferdl
Hitzelberger, Toni
Hitzelberger, Karl
Hohenadl, Oberstdorf
Kammerer, Xaver
Zrenner, Josef
Hackl, Martin
Schranner, Hans
Kühn, Karl
Schneider, Alfons
Maier, Martin
Hechtberger, Heinz
Aigner, Sebastian
Daburger, Josef, Winterlingen
Albert, Günthe, Ostrach
Kluger, Josef
Fischer, Georg

12. Kompanie Gebirgsjägerregiment 98
In Kommeno in Nordgriechenland fährt die gesamte 12. Kompanie am 16.8.1943 zum Morden „feldmarschmäßig“ mit Maultieren und dem Küchenwagen vor und erschoß 317 Frauen, Männer und Kinder. Die Soldaten der 12. Kompanie des Gebirgsjäger-Regiments 98 unter dem späteren Bundeswehroberstleutnant Klebe, die sich auch nach dem Krieg weiter ungestört im Kameradschaftskreis der Gebirgstruppe treffen, ermordeten nicht nur die unschuldigen Zivilisten, einzelne Soldaten machten sie noch über die Frauenleichen her und schändeten sie, wie einer der Täter später berichtete.

Nach „getaner Arbeit“ wurde dann das Dorf zum privaten Raubzug freigegeben: „Die Soldaten waren aber so erschöpft, dass sie von den herumliegenden Sachen kaum etwas mitgenommen haben. Lediglich die Offiziere haben erbeutete Teppiche und andere Wertgegenstände auf LKWs verladen und weggebracht,“ berichtete Franz T. bei seiner polizeilichen Vernehmung 1970. Das Verfahren wurde 1970 eingestellt.

In Kephalonia waren die 12. Kompanie an den Erschießungen von ca. 4000 italienischen Soldaten beteiligt.

Christlieb, Bamberg
Seibt, Dr. Nevada
Stenzel, Hindelang
Hagel, Paul
Schrempp
Germeroth
Reinhardt
Pflanzelt, Leo, Lechbruck
Klass, Frank
Niederegger, Sepp
Zlanabitnig, Alfred
Sailer, Georg, Bad Heilbronn, Mittenwald
Lotz, Robert, Cureggia Schweiz
Funke, Werner, Bielefeld
Delacher, Hermann, Straßwalchem
Ebner, Andreas, Elsbethen
Ecker, Johann, Graz
Goldmann, Otto, Wien
Ziegler, Anton, Horn, Schäbisch Gmünd
Schott Willi, Rassatt
Hofer, Alfred, Dornbirn/Austria
Kitzer, Siegfried
Neumann, Adolf, Salzburg
Riedler, Johann, Wiener Herberg
Seitner, August, Bad Ischl
Tomaschitz, Franz, Gruisla Gemeinde Klöch
Wiblishauser, Wilhelm, Egelsee, Steinheim Memmingen

13. Kompanie Gebirgsjägerregiment 98
Wegen Zerstörung von Periwoli und der Tötung von 53 Menschen am 25.10.43 werden gesucht die Angehörigen der 13. Kompanie unter der Befehlsgewalt von Alfred Artmann

Zellner, Hans, Kammersberg
Drexler, Hans, Brandenberg
Königstein, Emil
Artmann, Alfred
Schall, Franz, Gauting
Geißler, Bruno
Neumann, Dr. Hans Jochen

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