in: junge Welt vom 18.09.2002

„Flugzeugträger Rheinland-Pfalz“: Ausbau für die Kriege der Zukunft?

jW fragte Markus Pflüger, Sprecher der AG Frieden, Trier. Er arbeitet mit beim "Netzwerk gegen Militärstandorte und deren Auswirkungen - NEMA" Interview: Thomas Klein

von: JUnge Welt / Dokumentation / Thomas Klein / Markus Pflüger | Veröffentlicht am: 18. September 2002

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F: Am vergangenen Wochenende gab es ein Treffen von Bürgerinitiativen und Friedensgruppen, die sich gegen einen Ausbau der in Rheinland-Pfalz gelegenen US-Militärflughäfen in Ramstein und Spangdahlem wenden. Was ist dabei herausgekommen?

Es war bereits das zweite Mal, daß sich das neu gegründete NEMA-Netzwerk traf, aber das soll noch weiter ausgebaut werden. Beteiligt sind Leute, die direkt von den Militärflughäfen betroffen sind, also Vertreter örtlicher Bürgerinitiativen, aber auch Vertreter des BUND und von Friedensgruppen. Hintergrund: Das US-Militär will die US-Air-Base Rhein-Main in Frankfurt räumen, und bis 2006 soll eine Verlegung nach Ramstein und Spangdahlem stattfinden. In diesem Zusammenhang gibt es für die beiden Standorte weitreichende Ausbaupläne.

F: Das heißt, in Spangdahlem und Ramstein werden demnächst größere Baumaßnahmen anstehen?

Ja. Es geht um einen riesigen Ausbau. Wir haben Unterlagen, die das Verlegungsprogramm und die Ausschreibungen zu Spangdahlem und Ramstein enthalten. Gebaut werden sollen die größten Start- und Landebahnen in Europa. Das Projekt spielt eine zentrale Rolle für die Kriegsstrategie der USA.

F: Schon im Zusammenhang mit den Kriegen der neunziger Jahre war die Rede vom „Flugzeugträger Rheinland-Pfalz“. Der soll jetzt weiter ausgebaut werden?

Genau das. Ramstein und Spangdahlem sollen zukünftig eine ganz erhebliche Bedeutung erlangen. Spangdahlem als zentrale Lagerstätte für Munition und Treibstoff, und Ramstein als Personaldrehkreuz ? für die „Kriege der Zukunft“.

F: Steht bei den Anwohnern die persönliche Betroffenheit, zum Beispiel die zu erwartende Lärmbelästigung, oder eine politische Ablehnung dieser Pläne im Vordergrund?

Unterschiedlich. Als es bei dem Treffen am Wochenende um die direkten Auswirkungen ging, waren natürlich auch die giftigen Abgase, also die persönliche Betroffenheit der Menschen vor Ort, ein wichtiges Thema. Seit dem Golfkrieg 1991 kommt in den US-Militärmaschinen ein neuer Treibstoff zur Anwendung. Dieser JP-8-Treibstoff ist hochgiftig. Das Besondere an ihm ist, daß er weniger leicht explodiert, die Piloten im Falle eines Absturzes also eine höhere Überlebenschance haben.

Die Abgase stehen jedoch im Verdacht, für erheblich ansteigende Krebsraten verantwortlich zu sein. Uns ist natürlich klar, daß dies nur ein Aspekt von vielen ist. Aber er macht deutlich, wie auch vor Ort eine „menschenverachtende Politik“ vorangetrieben wird. Nach einer Statistik, die uns ein Anwohner von Binsfeld, einem kleinen Ort neben der Air-Base, am Wochenende vorgelegt hat, ist die Zahl der an Krebs gestorbenen Menschen signifikant hoch. Ein Indiz dafür, daß die Verwendung des hochgiftigen Treibstoffs für die Menschen, die in der Nähe des Flughafens wohnen, tödliche Konsequenzen haben könnte.

F: Für die Menschen vor Ort ? und in Kriegszeiten an weiter entferntgelegenen Orten.

Richtig. Anwohner der Air-Base in Spangdahlem haben bei dem Treffen auch berichtet, daß im NATO-Krieg gegen Jugoslawien täglich zwölf Tarnkappenbomber gestartet sind. Die sind abends um 22 Uhr los und morgens zwischen fünf und sechs Uhr wieder zurückgekommen ? in Begleitung von zwei F-16-Kampfflugzeugen.

Schon jetzt gibt es in Spangdahlem 92 Flugzeugbunker und 70 Munitionsbunker. Im Falle eines Krieges gegen den Irak ist davon auszugehen, daß von Ramstein, Spangdahlem und auch von der Air-Base Rhein-Main wieder in großer Zahl US-Militärmaschinen starten. Schon jetzt herrscht dort ein Höllenlärm, berichteten Anwohner ? und der zeugt sicher von einer auf Hochtouren laufenden Kriegsvorbereitung.

* Kontakt: AG Frieden, Trier, Tel: 0651/9941017, www.AGF-Trier.de

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Original: http://www.jungewelt.de/2002/09-18/018.php