in: Telepolis 30.08.2002

Cruise Missiles in falschen Händen

Während US-Konzerne ausliefern, warnt das Pentagon vor Verbreitung

von: Dirk Eckert | Veröffentlicht am: 4. September 2002

Drucken

Hier finden sich ähnliche Artikel

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sorgt sich über die Verbreitung von Marschflugkörpern, den so genannten Cruise Missiles, und Unbemannten Flugkörpern (UAV), da die Waffen gegen die USA gerichtet werden könnten. Die Rüstungsindustrie hat andere Sorgen: Der Verkauf von UAVs geht den US-Konzernen in Asien zu langsam. Mit den High-Tech-Geräten will die amerikanische Industrie viel Geld verdienen.

In einem zweiseitigen, internen Memo mit dem Titel „Die wachsende Bedrohung durch Cruise Missiles“ hat Rumsfeld davor gewarnt, dass Marschflugkörper unter den USA feindlich gesinnten Staaten zunehmend Verbreitung finden. Wie die Washington Post [1]berichtete, sorgt sich Rumsfeld, amerikanische Truppen und Bevölkerungszentren nicht gegen Angriffe schützen zu können. Besonders große Gefahr drohe, wenn die Raketen noch mit nuklearen, biologschen oder chemischen Sprengköpfen ausgestattet sind.

Über 80 Länder sollen im Besitz von Cruise Missiles sein, die Gesamtzahl der in Umlauf befindlichen Waffen wird auf mehr als 70.000 geschätzt. Der Großteil dieser Waffen ist laut “Washington Post“ für den Kampf auf See ausgerichtet, die Reichweite der Waffen beträgt weniger als 60 Meilen. Die Hauptsorge der Pentagon-Planer richtet sich deshalb eher auf die Cruise Missiles mit größeren Reichweiten, die auch für den Krieg zu Lande geeignet sind.

Auf die Produktion dieser Raketen haben die industrialisierten Länder bisher fast ein Monopol. Experten schätzen aber, dass auf die eine oder andere Weise die Verbreitung dieser Cruise Missiles zunehmen wird. Bis zum Jahr 2015 verfügen nach diesen Schätzungen ein bis zwei Dutzend Länder über wie treichende Cruise Missiles. Auch könnten Länder – und hier ist wieder von der “Achse des Bösen“, also Irak, Iran und Nordkorea die Rede – andere Flugkörper wie UAVs aufrüsten und als Cruise Missile verwenden, wie ein Beamter in Washington gegenüber der Washington Post sagte:

„Die Cruise Missile des kleinen Mannes ist eine mögliche Bedrohung in naher Zukunft – ein UAV, gekauft von der Stange und dann verändert, so dass es chemische oder biologische Kampfstoffe transportieren kann.“

Das hindert die Rüstungsindustrie nicht, fleißig die Produktion voranzutreiben. Für die Unternehmen sind Cruise Missiles und UAVs vor allem ein Zukunftsmarkt. Wie die Industrie vom 11. September und dem folgenden Krieg gegen den Terror mit dem Einsatz von Kampfdrohnen vom Typ Predator in Afghanistan profitierte, [2]erläuterte Larry Dickerson von Forecast International/DMS:

„Ich bezweifele, dass sie vor dem 11. September zwölf Kongressmitglieder gefunden hätten, die ihnen hätten sagen können, was ein Predator ist, geschweige denn wer ihn herstellt.“

Das ist jetzt anders: Der Einsatz von unbemannten Flugzeugen in Afghanistan war aus Sicht der Militärs ein Erfolg (Vgl. [3]Fernsteuerung von unbemannten Kampffahrzeugen) so dass weitere Bestellungen zu erwarten sind. Erstmals wurden in Afghanistan UAVs vom Typ Predator benutzt, die über Videokameras, Radar und auch Bewaffnung in Form von Hellfire-Panzerabwehrraketen verfügten. Die Militärs waren begeistert (Vgl. [4]Live-Bilder von Drohnen: Unterhaltung für die hohen Offiziere) ob der neuen Möglichkeiten. Einzelne Abstürze von UAVs taten dem keinen Abbruch.

Auf der Rüstungsmesse im britischen [5]Farnborough zeigte sich die Branche optimistisch, dass die Integration von UAVs in die vorhandenen Waffensysteme gelingen wird. Neil Kacena vom Branchenriesen Lockheed Martin sagte dort am 23. Juli:

„Unbemannte Flugkörper (UAVs) werden eine Schlüsselstellung einnehmen im Mix der Fähigkeiten des Militärs in der Zukunft. (…) Jede UAV ist ein Gesamtsystem, das vollständig integriert werden muss in die bemannte Schlachtfeld-Umgebung. Letztlich werden UAVs ein Erfolg, wenn sie nahtlos in dieser Umgebung funktionieren.“

Gleichzeitig beklagt die amerikanische Rüstungsindustrie, dass der Verkauf von UAVs in Asien nur schleppend anläuft. Ich denke, sie sind einfach noch nicht überzeugt, äußerte Ende August Curt Orchard vom amerikanischen Rüstungsunternehmen Northrop Grumman Corp. laut Reuters. Nothrop ist der drittgrößte Rüstungskonzern der Vereinigten Staaten und Marktführer bei UAVs. Die Industrie wittert in Asien das große Geschäft. Dort stehen die größten Armeen der Welt, viele Krisenpunkte liegen in Asien, nicht zuletzt die koreanische Halbinsel, wo der Kalte Krieg noch immer nicht beendet ist.

Erste Verkäufe erwartet Northrop in Südostasien. Australien etwa hat die finanziellen Möglichkeiten und bereits UAVs bestellt, um seine Seegrenzen zu überwachen und illegalen Fischfang und Einwanderung zu bekämpfen. Geliefert werden sollen die 200 Millionen Dollar teuren Aufklärer vom Typ Global Hawk im Jahr 2004. Im Gegensatz zum Predator steuert sich Global Hawk, einmal programmiert, selbst. Der Predator muss dagegen vom Boden aus gesteuert werden.

Insgesamt wird aber erwartet, dass die Länder in Asien mehr auf eigene Entwicklungen setzen, da das Militär noch bis auf weiteres low tech bleiben wird und insofern High-Tech-Produkte wie UAVs wenig Chancen in Asien haben. Die Industrie will die UAVs deshalb auch zivil einsetzen (Vgl. [6]Experten für unbemannte Flugzeuge gesucht). UAVs für Katstrophenbekämpfung, Rettungseinsätze oder auch Grenzkontrollen können der Rüstungsindustrie die nötigen Aufträge bringen, solange das Militär noch nicht so weit ist.

Links
[1] http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A31153-2002Aug17.html
[2] http://www.canoe.ca/CNEWSScience0207/12_roboplane-ap.html
[3] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/12351/1.html
[4] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/12176/1.html
[5] http://news.morningstar.com/news/PR/M07/D23/1027411264953.html
[6] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/lis/13025/1.html

Erschienen in: Telepolis, http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/13169/1.html
URL: http://www.dirk-eckert.de/texte.php?id=303