in: junge Welt vom 28.08.2002 / IMI-Analyse 2002/062

Deutschland führt Krieg

SPD und Grüne haben ganze Arbeit geleistet: Deutsche Politik ist wieder Kriegspolitik

von: Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 28. August 2002

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Wie auch immer die Wahl ausgeht: Es gibt keinen Grund, der Schröder-Fischer-Regierung nur eine einzige Träne nachzuweinen. Insbesondere in der Frage Krieg und Aufrüstung haben die beiden Regierungsparteien »ganze Arbeit geleistet«: Rot-Grün trägt die Verantwortung für zwei Angriffskriege (Jugoslawien und Afghanistan) und eine Reihe umfassender Stationierungen der Bundeswehr im Ausland. Die »Alternativen« CDU/CSU und FDP unterscheiden sich im Bereich der Außen- und Militärpolitik ? wie die FAZ jüngst schrieb ? »nur im Kleingedruckten«.

Der Anfang wurde mit dem Angriff auf Jugoslawien gemacht, der so etwas wie die Einstiegsdroge für die Militarisierung der Außenpolitik war. Die Bundeswehr war unter anderem mit ECR-Tornados an den Bombardierungen Jugoslawiens von Ende März bis Mitte Juni 1999 beteiligt. Der eigentliche Skandal der Amtszeit Scharpings ? der unlängst wegen im Vergleich damit vollkommen nebensächlicher Dinge den Hut nehmen mußte ? waren seine damaligen Lügen (Stichworte: Scharpings Aussage, es gäbe »KZs im Kosovo«, der erfundene »Hufeisenplan«, die Racak-Lüge, seine Geschichte mit den »gegrillten Föten«, die Instrumentalisierung der Flüchtlinge für NATO-Zwecke, und vieles andere). Mitverantwortlich für die Lügen waren Gerhard Schröder (SPD) und Joseph Fischer (Grüne).

In aller Welt

Inzwischen sind über 9000 Soldaten der Bundeswehr im Auslandseinsatz. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr können in drei Kategorien eingeordnet werden. Erstens: die »europäischen« Bundeswehreinsätze in Bosnien (SFOR), im Kosovo (KFOR) und in Mazedonien (Fox). Zweitens: die Beteiligung an der sogenannten »Schutztruppe« in Kabul (ISAF) und drittens: alle Auslandseinsätze im Rahmen des sogenannten »Antiterror«-Einsatzes (Enduring Freedom).

Konkret sind 1302 Soldaten im Rahmen von ISAF in Afghanistan und Usbekistan, 4590 als KFOR im Kosovo, 1490 als SFOR in Bosnien-Herzegowina, 225 als »Task Force Fox« in Mazedonien, elf als UNOMIG in Georgien und acht bei der NATO-Befehlszentrale in Neapel. 1454 Soldaten sind im Rahmen von Enduring Freedom im Kriegseinsatz. Sie sind in der Türkei, am Horn von Afrika, im arabischen Meer, im Mittelmeer, in Kuwait, in Bahrein, in Dschibouti, in Kenia, in den USA (Florida) und nicht zu vergessen in Afghanistan in Kampfeinsätzen (Stichwort: Kommando Spezialkräfte).

Der 11. September

Nach den brutalen Terroranschlägen des 11.September erklärte Gerhard Schröder für die Bundesregierung die »uneingeschränkte Solidarität« mit den USA im »Krieg gegen den Terror«. US-Präsident George W. Bush erklärte, der Krieg gegen »den Terrorismus« (was immer auch »der« Terrorismus sein soll) werde so lange geführt, bis alle Terroristen »ausgeräuchert« seien. Wir wissen, es wird immer terroristische Aktionen geben: Die hegemoniale Wirtschafts- und Kriegspolitik der USA und ihrer Verbündeten ? wie Deutschland ? wird wohl leider immer wieder Gruppen und Menschen dazu bringen in einer Art »asymmetrischer Kriegsführung« mit Terroranschlägen gegen die Dominanzpolitik der USA und ihrer Verbündeten zu agieren. Damit ist klar, spätestens seit dem 11. September befinden sich die USA und ihre Verbündeten wie Deutschland in einem »permanenten Krieg«.

Eine »epochale Kriegsermächtigung«

Am 7. November 2001 bekam die Bundesregierung vom Bundestag eine »Ermächtigung« zum Einsatz der Bundeswehr. Aus den Reihen der Grünen gab es nur vier kalkulierte Gegenstimmen. Der Beschluß bedeutet unter anderem eine Aushebelung des »Parlamentsheers« (Ermächtigung zu Einsätzen für mindestens ein Jahr, also über die Bundestagswahl hinaus). Die damals mit verabschiedete »Protokollerklärung« zur Ruhigstellung grüner und linkssozialdemokratischer Abgeordneter ist inzwischen als irrelevantes Lügenpapier in den Schubladen verschwunden.

Besonders skandalös sind die brutalen Kampfeinsätze des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan. Offiziell sollte das KSK »Al Qaida-Kämpfer jagen und gefangennehmen«. Sollte dies der Fall sein, verstoßen die KSK-Truppen unstrittig gegen das Kriegsvölkerrecht (Genfer Konvention). Denn die KSK-Truppen haben dann wohl ihre Gefangenen an die befehlshabenden US-Truppen übergeben, über deutsche Gefangenenlager ist nichts bekanntgeworden. Die US-Truppen behandeln die Gefangenen aber nicht als Kriegsgefangene, und ihnen droht die in Deutschland verbotene Todesstrafe. Sollten die KSK-Soldaten keine Gefangenen gemacht haben, sondern zum Beispiel alle Gegner getötet haben, um so schlimmer.

Aufrüstung

Am Ende der Legislaturperiode herrscht noch mal so etwas wie »Ausgabefieber«, in mehreren Schüben werden große Kriegswaffenprojekte durchgepeitscht, als wenn es danach nicht mehr gehen würde. Noch nie waren Finanzierung und Export von Kriegsgerät so leicht wie unter Rot-Grün:

Im Juli wurde die Anschaffung von Cruise-Missiles »Taurus« im Gesamtwert von 570 Millionen Euro beschlossen. Am 14. August folgte die Entscheidung zur Beschaffung des Panthers. Die neuen Panzer ? erstmals wurde wieder ein Name der Wehrmacht gewählt ? will man sich (oder uns) zwei Milliarden Euro kosten lassen. Am 12. September, in der letzten Sitzung des Parlaments vor der Wahl, sollen schließlich noch das Raketenprojekt »Meteor« für 1,7 Milliarden Euro und die Rakete »IRIS-T« für 900 Millionen Euro gebilligt werden.

Außerdem muß auch noch der Finanzplan für die von Rudolf Scharping ohne finanzielle Deckung bestellten 73 Militärtransporter des EADS-Airbus-Konzerns abgenickt werden. Kostenpunkt: 9,45 Milliarden Euro. Viel Geld, das für anderes, zum Beispiel Flutopfer, sinnvoller ausgegeben wäre. Österreich und Tschechien machen es vor: Sie streichen Kriegswaffenprojekte.

Resümee

Rot-Grün hat die Bundeswehr grundlegend neu ausgerichtet. Die Bundeswehr ist kriegsführungsfähig geworden und im Kernbereich eine Interventionsarmee. Inzwischen stehen über 9000 Soldaten der Bundeswehr im langfristigen Auslandseinsatz. Nur eine von SPD und Grünen gestellte Regierung konnte so die Zustimmung zum Krieg als Mittel von Politik in der Gesellschaft organisieren. Aus deklarierter »Friedenspolitik« (Koalitionsvertrag) wurde permanente Kriegspolitik.

* Der Autor ist Mitglied im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung und Mitherausgeber der Zeitung gegen den Krieg, deren nächste Ausgabe am 28.8.2002 erscheint und bestellt werden kann beim MdB-Büro Winfried Wolf, 11011 Berlin, Tel.: (030) 22771788 Fax: 22776068, E-Mail: zgk@imi-online.de

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Original: http://www.jungewelt.de/2002/08-28/028.php