in: Junge Welt vom 30.07.2002

Deutsch-französische Aufrüstungsprojekte: Mit europäischem Militär gegen US-Dominanz?

jW sprach mit Tobias Pflüger, Tübingen, von der Informationsstelle Militarisierung (IMI)

von: Wolfgang Pomrehn / Junge Welt / Tobias Pflüger | Veröffentlicht am: 3. August 2002

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F: Frankreichs Präsident Jacques Chirac und Bundeskanzler Schröder haben am Dienstag in Schwerin eine Zusammenarbeit bei der Satellitenaufklärung beschlossen. Was bedeutet das für die Europäischen Union. Wird die EU zur Militärmacht?

Ja, sie ist auf dem Wege dahin. Eine wesentliche Komponente ist dafür eine gemeinsame Satellitenüberwachung. Man versucht, sich von den USA abzukoppeln. Im Krieg gegen Jugoslawien hatte sich gezeigt, daß die Europäer bei der Satellitenaufklärung vollkommen auf die USA angewiesen sind. Bisher gab es verschiedene nationale Projekte, die will man nun zusammenlegen. Im einzelnen sind das das französische Helios-Projekt und das deutsche SAR-Lupe-Projekt. Ziel: eine gemeinsame europäische Militärsatellitenüberwachung. Das ist ein wichtiger Baustein für den Ausbau der EU zur Militärmacht.

F: Auch über die Entwicklung gemeinsamer Transportkapazitäten wurde gesprochen.

Da geht es um die Anschaffung des Militärairbus A 400M. Das Wesentliche ist, daß sich hier zwei der drei europäischen Führungsmächte abstimmen. Transportfähigkeit ist eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, daß die geplante EU-Interventionsarmee künftig in aller Welt Krieg führen kann.

F: Ein anderer wichtiger Aspekt der militärischen Unabhängigkeit von den USA ist eine eigenständige Rüstungsindustrie. Hier hapert es, weil Großbritannien nicht mitmacht.

Die Schwierigkeiten liegen daran, daß jede der drei EU-Führungsmächte dominant sein will. Es gibt ja bereits den deutsch-französischen Kriegswaffenkonzern EADS, in den Großbritannien nicht eingebunden ist. Seinerzeit stand die Fusion der damaligen deutschen DASA, die später in der EADS aufgegangen ist, mit BritishAerospace an. Die Fusion ist schließlich daran gescheitert, daß man sich in der personellen Führungsfrage nicht einigen konnte. Dennoch denke ich, daß die Konzentration der europäischen Kriegswaffenindustrie voranschreiten wird. Daß das ein Projekt ist, das vor allem in Konkurrenz zur US-Industrie steht, wird ganz offen zugegeben. Diese Entwicklung deutet auch an, daß ein Aspekt der EU-Militärmacht die Konkurrenz zu den USA ist. Die deutsche Regierung fährt da durchaus zweigleisig, auf der einen Seite enge Kooperation mit den USA aber gleichzeitig auch Bereitschaft zur Konkurrenz.

F: Es gibt Linke, auch in der PDS, die meinen, es sei gar nicht so schlecht, wenn die EU militärisch gestärkt würde, damit die Vorherrschaft der USA gebrochen werden kann. Ist das für Sie eine linke Perspektive?

Auf keinen Fall. Für diejenigen, die mit Interventionskriegen überzogen werden, ist relativ egal, ob das unter Regie der USA, der NATO oder der EU geschieht. Wir sind gegen jeden Interventionskrieg. Auch eine europäische Militärmacht ist eine imperiale Militärmacht, und selbstverständlich muß man da dagegen sein. Wenn sich demnächst die Europäer an einem Krieg gegen den Irak beteiligen, dann vor allem auch deshalb, weil es auch um ihre jeweiligen eigenen wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen geht.

Interview: Wolfgang Pomrehn

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Original: http://www.jungewelt.de/2002/07-31/013.php