in: Zeitung gegen den Krieg (10)
Nächster Stopp Bagdad
"Die Aussage von Bush ist klar: Krieg gegen Saddam ist unvermeidbar,"
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 18. März 2002
„Die Aussage von Bush ist klar: Krieg gegen Saddam ist unvermeidbar,“ titelte der Londoner Independent, sich auf die Rede George W. Bushs vom 11. März beziehend.
Die Gunst der Stunde nutzend versuchten die Hardliner in Washington zunächst einen solchen Angriff durch Beweise einer Verbindung zwischen dem Irak und Al-Qaida zu legitimieren. Obwohl dies ebenso scheiterte wie Versuche Bagdad mit den Anthrax-Briefen in Verbindung zu bringen, wird der Angriff auf den Irak weiter von höchsten Stellen gefordert.
Dem Problem, wie dies ohne Hinweise für eine direkte Mittäterschaft gerechtfertigt werden könnte, widmete sich ein offener Brief an die Regierung, unterzeichnet vom „Who is Who“ der amerikanischen Außenpolitik.
Dort wurde gefordert, dass „selbst wenn die Beweise den Irak nicht direkt mit den Attacken verbinden, muss jede Strategie, die zum Ziel hat den Terrorismus und seine Unterstützter auszurotten einen entschiedenen Versuch einschließen Saddam Hussein von der Macht im Irak zu entfernen.“
Tatsächlich aber hat das Kriegsgeschrei nichts mit den Anschlägen des 11. September oder dem Terrorismus zu tun, wie ein Bericht der Herald Tribune feststellt: „Die CIA hat keine Beweise, dass der Irak innerhalb fast eines Jahrzehntes in terroristische Operationen gegen die USA verwickelt war und die Spionageagentur ist ebenfalls davon überzeugt, dass Hussein keine chemischen oder biologischen Waffen an Al-Qaida oder ähnliche terroristische Gruppen geliefert hat.“
Henry Kissinger bemerkt folgerichtig: „Die Frage ist nicht ob der Irak in die Terrorattacken verwickelt war. […] Die Herausforderung ist im wesentlichen eine geopolitische.“ Auch William Kristol, Herausgeber des Weekly Standard, betont: „Ob wir uns dem Irak widmen hat immense Auswirkungen auf die amerikanische Rolle in der Welt, insbesondere ob wir uns dazu berufen fühlen die neue Weltordnung zu gestalten.“
Der neuen Weltordnung steht der Irak nach Meinung der US-Administration schon lange im Weg, da ein über Massenvernichtungsmittel verfügender Irak „amerikanische und alliierte Städte als Geiseln nimmt und uns damit von einer Intervention abhält“, wie Robert Joseph, Bushs Proliferationsfachmann, meint. Damit wäre der US-Anspruch als Ordnungsmacht in der rohstoffreichsten Region der Welt zu fungieren, massiv in Frage gestellt.
Bereits in einem 1998 an Clinton verfassten Brief, den so gut wie alle Mitglieder der heutigen Regierungsmannschaft unterzeichneten, wurde deshalb gefordert, Hussein müsse unter allen Umständen gestürzt werden. Ansonsten werde „die Sicherheit der amerikanischen Truppen in der Region, unserer Freunde und Alliierten wie Israel, der moderaten arabischen Staaten und ein bedeutender Anteil der Weltölversorgung aufs Spiel gesetzt.“
Dies zu verhindern ist das eigentliche Ziel eines US-Angriffes auf Bagdad, wie US-Senator John McCain verdeutlichte: „Diktatoren, die […] Massenvernichtungs-Waffen bauen, sind unterrichtet, dass ein solches Verhalten, schon für sich selbst ein Kriegsgrund ist.“
Anstatt sich für eine Stärkung der Rüstungskontrolle und Deeskalation einzusetzen, veranlassen die ständigen Drohungen Washingtons Hussein zu der logischen Schlussfolgerung, nur Massenvernichtungsmittel seien in der Lage, sein Regime vor Angriffen der USA zu schützen. Dies wird von den USA wiederum als ausreichender Kriegsgrund bezeichnet, stellt aber gleichzeitig auch einen willkommenen Vorwand dar, die eigenen Interessen in der Region wahrzunehmen.
Aus US-Sicht erfordern die jüngsten Spannungen mit Saudi Arabien, verbunden mit der zunehmenden Kritik an der US-Truppenpräsenz am Golf, einen Angriff auf den Irak, um sich damit neue Basen zu verschaffen, den eigenen Anspruch als Ordnungsmacht zu untermauern und damit die Kontrolle der Ölquellen auch weiterhin zu gewährleisten.
Publizistisch wird im Wall Street Journal bereits die Besetzung der Ölquellen Saudi-Arabiens gefordert. William Safire, Topjournalist der New York Times schlägt ähnliches auch für den Irak vor: „Ich würde einen Deal mit Ankara machen, jetzt sofort die Grenzen der Türkei zu überqueren und das nördliche Drittel des Irak zu annektieren. […] Das Land, dass es gilt zu einem Teil der Türkei zu machen, ist das Ölfeld um Kirkuk, das fast die Hälfte von Saddam Husseins Öl produziert.“
Der Anspruch auf Kontrolle des Öls scheint aus Sicht der USA einen Angriff auf den Irak allemal zu rechtfertigen. Allerdings bestehen innerhalb der Regierung noch erhebliche Differenzen darüber, ob zur Unterstützung der USA auf oppositionelle sunnitische Gruppen, sowie die Kurden im Nordirak oder auf die Exilopposition gesetzt werden soll. Auch auf eine genaue Angriffsstrategie scheint man sich noch nicht festgelegt zu haben. Sicher ist aber, dass man sich in den USA auf einen Krieg vorbereitet, der den „Kreuzzug“ gegen Afghanistan bei weitem übertreffen wird. Experten rechnen augenblicklich damit, dass für eine Invasion zwischen 150.000 und 300.000 US-Soldaten benötigt werden. Nach Angaben des gut informierten Seymour Hersh hat Bush seine Berater angewiesen bis zum 15. April einen Plan zum Sturz des Regimes zu erarbeiten.
Da außer in Washington selbst niemand sonderlich begeistert von diesen Plänen ist, sollen die augenblicklichen Diskussionen um eine Wiederaufnahme der UN-Inspektionen die notwendige, oder zumindest erwünschte, internationale Unterstützung für einen Angriff sichern helfen. Die USA fordern für diese Teams Kompetenzen, von denen sie sicher sein können, dass Hussein – aber wohl auch sonst jedes Staatsoberhaupt der Welt – diese ablehnen wird. Bereits jetzt gehen laut Herald Tribune „amerikanische Offizielle davon aus, dass im Mai oder Juni klar wird, dass der Irak die Sorte von Inspektionen ablehnen wird, die Bush verlangt.“ Diese Ablehnung wird dann wohl als Legitimation genommen werden mit einem Angriff zu beginnen.
Augenblicklich deutet alles darauf hin, dass die Kriegsvorbereitungen spätestens im Herbst abgeschlossen sein werden. Trotz der verschiedentlich geäußerten Kritik seitens der Europäer, ist aber auch von dieser Seite bedauerlicherweise kein ernster Widerstand zu erwarten.
Ein Artikel des Zeit-Herausgebers und ehemaligen Kulturstaatsministers Michael Naumann unterstreicht eindrucksvoll die Nibelungentreue der Bundesregierung. „Ein Krieg im Irak würde die deutschen Pazifisten der PDS auf Kosten der Grünen stärken. […] Ein Konflikt im Irak würde ihn [Schröder] dazu zwingen die schwierigste politische Verpflichtung seines Lebens zu machen – den Amerikanern zu folgen, komme was da wolle. Dies könnte dazu führen, dass er [bei den Bundestagswahlen] im September verliert.“ Hoffentlich kann man da nur noch sagen.
Jürgen Wagner ist im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI). Er schrieb vor kurzem eine Studie zur US-Außenpolitik und den Anschlägen des 11. September mit dem Titel „Zum Terror verdammt?“), die in Kürze erscheint und schon jetzt vorbestellt werden kann. (Das Inhaltsverzeichnis findet sich unter: https://www.imi-online.de/download/Zum-Terror-verdammt-Inhaltsverzeichnis.pdf ).
Bei Erscheinen folgt ein Hinweis in der IMI-Mailingliste.