in: junge Welt vom 05.01.2002

Waffendienst auf Raten

Neue Wehrgesetze im Überblick

von: Dokumentation / Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär / junge welt | Veröffentlicht am: 6. Januar 2002

Drucken

Hier finden sich ähnliche Artikel

Am 1. Januar 2002 trat das „Gesetz zur Neuausrichtung der Bundeswehr“ in Kraft. Dieses „Artikelgesetz“ umfaßt die Änderung von neun Gesetzen, um den Dienst in der Bundeswehr einerseits attraktiver zu gestalten und andererseits, unter anderem durch Personalreduzierung, die Grundlage für die neuen Aufgaben der Bundeswehr zu schaffen. Darin eingebettet sind Änderungen des Wehrpflicht- und des Zivildienstgesetzes, die im weiteren vorgestellt werden.

Grundwehrdienst

Der Schwerpunkt der Änderungen des Wehrpflichtgesetzes ist die Verkürzung des Grundwehrdienstes von zehn auf neun Monate. Diese Dienstzeit kann je nach Bedarf der Streitkräfte zusammenhängend oder in Abschnitten geleistet werden. Der bisherige abschnittsweise Grundwehrdienst aus Härtegründen (saisonale Gründe wie z.B. Erntezeiten von Bauern oder Winzern) und die Möglichkeit, über den Grundwehrdienst hinaus freiwillig zusätzlichen Wehrdienst bis zu einer Gesamtdauer von 23 Monaten zu leisten, bleiben unberührt. Die Verfügungsbereitschaft, der die Wehrpflichtigen bisher grundsätzlich im Anschluß an den Grundwehrdienst für zwei Monate unterlagen, fällt ersatzlos weg. Zu den Einberufungsgrundsätzen bei der Bundeswehr zählt weiterhin, daß alle Abiturienten und Fachhochschulabsolventen, unabhängig von ihrem Tauglichkeitsgrad, noch im Jahr ihres Abschlusses einberufen werden sollen.

Neu eingeführt wird die Möglichkeit einer „bedarfsgesteuerten Ableistung“ des Wehrdienstes in Abschnitten. Das bedeutet: Wenn die Truppe Bedarf anmeldet, kann ein Wehrpflichtiger mit seiner Zustimmung statt eines zusammenhängenden Wehrdienstes von neun Monaten, zu Wehrdienst in mehreren Abschnitten einberufen werden. Die neun Monate werden aufgesplittet in einmal sechs Monate plus drei Monate oder einmal sechs Monate plus zweimal sechs Wochen. Es wird hierfür nur einen Einberufungsbescheid geben. Diese Regelung dient dazu, zu verhindern, daß Wehrpflichtige nach den ersten sechs Monaten den Restgrundwehrdienst verschleppen und dadurch gänzlich vermeiden können. Sie müssen den abschnittsweisen Wehrdienst „W9 A“ bis zum 25. Geburtstag abgeleistet haben.

Musterung

Laut Bundesministerium der Verteidigung wird wegen der künftig höheren Anforderungen an die Wehrpflichtigen der niedrigste Verwendungsgrad T7 bei der Musterung gestrichen. Bereits seit einem Jahr wurden T7-Gemusterte nicht mehr einberufen. Ab 2002 können potentielle Wehrpflichtige bereits mit 16 1/2 Jahren gemustert werden. Eine weitere Änderung in der Musterungsverordnung betrifft die zweiwöchige Vorladungsfrist zur Musterung. Diese wird aufgehoben und ermöglicht es den Wehrersatzbehörden, unwillige Musterungsverweigerer direkt nach verstrichenem Musterungstermin ohne Gnadenfrist erneut zu laden.

Eine weitere nachhaltige Verschlechterung betrifft den Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Widersprüchen gegen einen Tauglichkeitsüberprüfungsbescheid. Trotz eines Widerspruchs gegen den Musterungsbescheid bei einer erneuten Musterung ist der betroffene Wehrpflichtige in Zukunft einberufbar.

Positiv ist der Wegfall der Antragsfrist, Zurückstellungs- oder Befreiungsgründe innerhalb von drei Monaten nach ihrem Eintreten geltend zu machen.

Katastrophen- und Zivilschutz

Der Dienst im Rahmen des Katastrophen- oder Zivilschutzes (z.B. THW oder Freiwillige Feuerwehr) wird von sieben auf sechs Jahre, auch für gerade aktuell Dienstleistende, reduziert. Eine Beurlaubung von mehr als sechs Monaten ist ab 2002 unschädlich für die Verpflichtung und führt nicht mehr zum Rausschmiß, da in solchen Fällen der Verfügungszeitraum entsprechend verlängert wird. Katastrophenschützer unterliegen ab 2002 der Wehrüberwachung; das bedeutet, daß sie trotz ihrer Verpflichtung gemustert und eingeplant werden können.

Zivildienst

Die Änderungen des Zivildienstgesetzes werden analog denen des Wehrpflichtgesetzes durchgeführt. Der Zivildienst wird von elf auf zehn Monate reduziert und ist weiterhin noch einen Monat länger als der Grundwehrdienst. Es besteht ebenfalls wie im Grundwehrdienst die Möglichkeit, Zivildienst abschnittsweise zu leisten. Darüber hinaus steht in Aussicht, daß mit Wirkung zum 1. August 2002 ein Gesetz verabschiedet wird, in dem das „Freiwillige Soziale Jahr“ und das „Freiwillige Ökologische Jahr“ unter dem neu geschaffenen Paragraphen 14 c ZDG als Möglichkeit der Dienstpflichterfüllung festgeschrieben werden. Zusätzlich werden die Einsatzmöglichkeiten auf den außerschulischen Jugendbildungsbereich, Sport und Kultur erweitert.

Es soll dann auch möglich sein, bereits mit 16 1/2 Jahren einen KDV-Antrag zu stellen. Einsätze von Kriegsdienstverweigerern werden in den neuen Bereichen auch international möglich.

(Zusammengestellt von der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär. Internet: www.kampagne.de)
———————–
Originbaladresse: http://www.jungewelt.de/2002/01-05/012.php