Zur Zusammenarbeit Bundeswehr und Krankenhäuser: Redebeitrag zum Internationalen Frauentag in Karlsruhe 08.03.2000


von: Angelika Krey-Matzerath | Veröffentlicht am: 8. März 2000

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Seit 25 Jahren arbeite ich im Städtischen Klinikum und bin seit 15 Jahren im Betriebsrat.

Letztes Jahr, im Sommer informierte uns erstmals die Geschäftsleitung über eine geplante Kooperation mit der Bundeswehr, die Fort-, Aus- und Weiterbildung von Bundeswehrange-hörigen im Klinikum beinhalten solle. Im Oktober wurden wir dann auf einen Artikel der ÖTV Stuttgart Abteilung Krankenhäuser aufmerksam, der von einer neuen Zivil-militärischen Zu-sammenarbeit im Gesundheitswesen und von einem Mustervertrag berichtete. Dieser Mus-tervertrag wurde im April letzten Jahres von der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Bundesverteidigungsministerium unbemerkt von der Öffentlichkeit verabschiedet.

Hauptziel dieser Vereinbarung ist der Zugriff der Bundeswehr auf das Potential der größten Zivilen Krankenhäuser.. � In Baden-Württemberg allein sollen 8 Krankenhäuser mit einge-bunden werden.

Nach Aussagen des Verteidigungsministeriums ist: Zit.: �in der klinischen Versorgung, das Netz der Behandlungseinrichtungen, nach Auflösung von 6 der ehemalig 14 Bundeswehr-krankenhäuser, grobmaschiger geworden� und weiter �die ergänzende Nutzung des zivilen Gesundheitswesens bleibt erforderlich.� Zitat Ende

Weniger Bundeswehrkrankenhäuser = weniger Möglichkeiten Sanitätsoffiziere und Sanitäts-soldaten auszubilden. �Logisch- So will die Bundeswehr also den Kooperationswilligen zivi-len Krankenhäuser ihr Sanitätspersonal zum Zwecke der Aus- Fort- und Weiterbildung an-geblich kostenneutral zur Verfügung stellen.

Sie nutzen dabei die schwierige finanzielle Situation der Krankenhäuser aus und ködern noch zusätzlich mit der Bereitstellung von technischen Geräten und Materialien, die sie den Kliniken zur �unentgeltlichen� Nutzung überlassen wollen.

Der Betriebsrat des Klinikums fragte nach diesen Informationen bei der Geschäftsleitung nach, ob sich die geplante Kooperation auf solch einen Mustervertrag bezieht. Die Geschäftsleitung verneinte dies, sagte aus, dass die Verhandlungen, die sie führen würden , einmalig wären, in der BRD. Sie legten uns daraufhin den 1. Entwurf vor. Wir staunten nicht schlecht, als wir einerseits den Text des Mustervertrags vor uns hatten, andererseits tatsächlich etwas ganz Neues fanden.

(1) Das Klinikum solle für die fachliche Aus- Fort- und Weiterbildung von Sanitätspersonal der Bundeswehr zuständig sein.

(2) Der Vertrag regelt die gegenseitige Nutzung bzw. Überlassung von medizinischen Geräten und Sachbedarf sowie die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen und

(3) der Hammer schlechthin: die Gestellung von zivilen Ärzten und Assistenzpersonal, also Klinikumbeschäf-tigte für eine Tätigkeit im Sanitätsdienst der Bundeswehr und

(4) im Falle der Landes- und Bündnisverteidigung: die Herstellung eines Verbundes zwischen dem Klinikum und den Reservelazarettgruppen.

Zusammenarbeit soll bereits in Friedesnzeiten eine beiderseitige Effizienz bringen.

Unter Friedenszeiten sind auch Zeiten von weltweiten Bundeswehreinsätzen zu verstehen, selbst solche Kriege wie den NATO-Krieg gegen Jugoslawien im letzten Jahr: Die Bundeswehr nennt diese Aktionen dann : Einsätze im Frieden.

· Die Bundeswehr schickt also Personal zur Aus- Fort- und Weiterbildung ins Klinikum. Jeder, der schon mal an einem Seminar oder einer Schulung teilgenommen hat, weiss Ausbildung ist teuer. Von einer finanziellen Vergütung ist im Vertrag jedoch nicht die Re-de. Ein kostenloser Service für die Bundeswehr?

· Das Bundeswehrpersonal hat am Klinikum kein Arbeits- oder Arbeitnehmerähnliches Verhältnis, es wird von der Bundeswehr lediglich an das Klinikum abgestellt oder zur Dienstleistung zur Verfügung gestellt. Im Falle eines ÖTV-Streiks z.B. unterstehen die Soldaten natürlich dem Bundeswehrkommando und können so, Streikbrechertätigkeiten ausführen.

· Die Bundeswehr will ihren Personalmangel im Sanitätsdienst ausgleichen. Sie wollen Ersatz für ihre Sanitätsoffiziere und Sanitätssoldaten, die sich im Einsatz befinden, krank sind oder Urlaub haben. Zivile Fachärzte und Fachpersonal aus unserem Klinikum sollen also die Lücken an den Bundeswehrkrankenhäusern schließen, die dann entstehen, wenn Soldaten zum Einsatz abkommandiert werden, aber auch bei Urlaub und Krank-heit. Der neuste Vertragsentwurf sieht sogar vor, Klinikumpersonal für Einsätze des Sani-tätsdienstes der Bundeswehr zur Verfügung zu stellen, also unter Bundeswehrkomman-do in Uniform. Das Einverständnis des Klinikeigenen Personal soll Voraussetzung sein. Der 1. Vertragsentwurf sah vor, zukünftige Arbeitsverträge des Klinikums so zu gestalten, dass die Beschäftigten einem Einsatz in einem Bundeswehrkrankenhaus nicht wider-sprechen können. Glatte Erpressung also!

· Im neuen Vertrag heisst es jetzt, dass das Klinikum bei Neueinstellungen bzw. Weiterbe-schäftigungen darauf hinweisen wird, dass ein Einsatz in einem Bundeswehrkrankenhaus möglich sein kann, sofern das Personal damit einverstanden ist. Zu befürchten ist bei dieser freundlicheren Formulierung allerdings, dass das Einverständnis Vorausset-zung für einen neuen Arbeitsvertrag sein wird.

· Weiterhin soll das Klinikum Personal für Bundeswehrkrankenhäuser werben, indem Be-werber, die aus Kapazitätsgründen im Klinikum abgelehnt werden, an die Bundeswehr weiter vermittelt werden sollen. Praktisch für die Bundeswehr, denn so hilft das Klinikum eines ihrer großen Probleme zu lösen: nämlich die Anwerbung von Zeitsoldaten!

· Ein ganzer Abschnitt im Vertrag, 7 Paragraphen beschäftigen sich mit der kostenlosen Überlassung von Material der Bundeswehr ans Klinikum. Unter Material versteht die Bundeswehr medizinische Geräte und sonstige Nichtverbrauchsgüter wie z.B. Instrumente. Diese sollen ausschließlich zum Zweck der Aus- Fort- und Weiterbildung der Bundeswehrangehörigen eingesetzt werden. Das Klinikum verpflichtet sich ausdrücklich das Material ausschließlich Zweckentsprechend einzusetzen, also zur Ausbildung der Soldaten.

Was zuerst aussieht wie ein Geschenk, kehrt sich um ins Gegenteil, denn das Klinikum soll diese Materialien auf eigene Gefahr und eigene Kosten, von der Bundeswehr abholen und wieder zurückbringen. Weiterhin übernimmt das Klinikum sämtliche Prüf- und Wartungskosten, ist für die Einhaltung der anwendbaren Strahlenschutzvorschriften und sicherheitstechnischen Bestimmungen zuständig, übernimmt diese ganzen Kosten, er-setzt auch durch Verlust entstehende Schäden und haftet noch zusätzlich nach den ge-setzlichen Bestimmungen für diese Bundeswehrmaterialien! Und das alles für Material, dass das Klinikum für eigene Zwecke nicht nutzen kann. Die Bundeswehr haftet nur bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz für die Materialien die allein für ihre Zwecke genutzt werden.

Sie kann übrigens jederzeit ihr Material und ihre Geräte zurückverlangen. In unserem vorliegenden Vertrag ist die Frist noch offen � im Mustervertrag ist eine Frist von 6 Stun-den genannt, weiterhin heisst es hier: Zitat:

Eine Wahrung dieser Frist bedarf es nicht, wenn der sofortige Rückruf, aus in der Natur der Sache liegenden Gründen unumgänglich ist� Zitat Ende.

Auch das Bundeswehrpersonal kann mit einer Frist von 4 Wochen in Einzelfällen auch kürzer wieder abgezogen werden.

Wie man sieht, liegen die Vorteile aus diesem Vertrag eindeutig bei der Bundeswehr. So z.B. will sie, bereits bestehende Organisationseinheiten, wie z.B. OP Teams, dem Klini-kum zur Verfügung stellen, diese sollen auch weiterhin als Team eingesetzt werden. Die Bundeswehr nennt dies: In Übung halten!

Diese Teams sollten bereits gewohnt sein, miteinander und mit gewohnten Materialien in der ärztlichen Versorgung zusammenzuarbeiten. Nur so, ist zu gewährleisten, dass sie, sobald am Einsatzort angekommen sich auch in vollem Umfang ihrer Aufgabe widmen können (Zitat der Geschäftsleitung)

An dieser Stelle möchte ich kurz auf die angeblich �humanitären Einsätze� der Sanitätsein-heiten eingehen, für die das Klinikum die Soldaten ausbilden soll. So zumindest die Aussage unserer Geschäftsführung.

1. Ist in dem Vertrag nicht die Rede von Ausbildung für humanitäre Zwecke

2. Das Klinikum Karlsruhe soll mit den beiden Bundeswehrkrankenhäusern Ulm + Koblenz zusammenarbeiten. Gerade dort, und nur dort wurden in letzter Zeit verlegbare Lazarette für die Krisenreaktionkräfte eingerichtet, mit einer Kapazität von jeweils 200 Betten. Die Krisenreaktionskräfte sind die schnellen Eingreiftruppen der Bundeswehr. Wenn es also zu einem Auslandseinsatz kommt, werden die Sanitätseinheiten von Ulm und Koblenz auf jeden Fall dabei sein. Und mit ihnen eventuell das Klinikumpersonal, bestimmt aber, Personalersatz aus dem Klinikum für diese beiden Bundeswehrkrankenhäuser.

3. Habe ich eine Aussage von Generalinspekteur a.D. Klaus Naumann gefunden, die gera-de in diesem Zusammenhang sehr interessant ist. Er schreibt am 1.10.99 in der FAZ in einem Artikel mit der Überschrift: �Der Krieg gegen Serbien war ein Erfolg� folgendes: Er untersuche die Fehler der NATO �um Daraus zu lernen und eine Wiederholung beim nächsten Mal zu vermeiden. Und es wird ein nächstes Mal geben, obwohl ich nicht weiss, wann und wo.� und weiter: eine Lektion, die man gelernt habe, sei, �dass wir unse-re Schritte nicht auf Ziele wie die Rückkehr zu Verhandlungen ausrichten sollten. Wir soll-ten vielmehr unsere Planungen auf das ehrgeizigere Ziel ausrichten, dem Gegner unse-ren Willen aufzuzwingen. Zitat Ende

Das hört sich nicht gerade nach geplanten humanitären Einsätzen an. Vielmehr passen die-se Aussagen zur Umstrukturierung der Bundeswehr. Volker Rühe erließ am 26.11.1992 die Verteidigungspolitischen Richtlinien. Hier geht es weniger um die Verteidigung bundesdeut-schen Territoriums, sondern in erster Linie um die Verfolgung �deutscher Interessen� die z.B. in der �Aufrechterhaltung des freien Welthandels und dem ungehinderten Zugang zu Märk-ten und Rohstoffen in aller Welt.� Auch das waren Zitate aus den Verteidigungspolitischen Richtlinien. Doch zurück zu unserem Kooperationsvertrag!

Der letzte Abschnitt, befaßt sich mit der Landes und Bündnisverteidigung � ich gehe nur kurz darauf ein.

Nach der Mobilmachung, richtet die Bundeswehr in Kasernen Reservelazarette ein. Diese stellen zusammen mit dem Klinikum einen Verbund her. Die Erstversorgung sowohl von zivi-len, als auch von militärischen Patienten, also anspruchsvolle Diagnostik und Therapie soll im Klinikum erfolgen, Pflege und Rekonvaleszenz in den Reservelazarettgruppen der Bun-deswehr. Zu letzterem Zweck müssen natürlich auch zivile Patienten in Bundeswehrlazarette verlegt werden. Das ganze soll auch bei Übungen der Bundeswehr und Vorbereitungen des Einsatzes gelten. Im Vertrag heisst es, dass das Klinikum die Patienten vor der Aufnahme hiervon in Kenntnis setzen wird.

Allerdings, gilt der Landes- und Bündnisverteidigungsfall als der unwahrscheinlichste Einsatzfall, weil nach Analysen des Militärs, Deutschland nur noch von befreundeten oder verbündeten Staaten umlegen ist (verteidigungspolitische Richtlinien) Auch hier habe ich ein Zitat � diesmal von Generaloberstabsarzt Dr. Karl Demmer; er ist o-berster Sanitäter der Bundeswehr, hat den Mustervertrag unterschrieben und ist such für die Verhandlungen hier in Karlsruhe zuständig. Zitat:

Als Konsequenz der sicherheitspolitsichen Entwicklung der letzten Jahre ist die Bedrohung der Bundesrepublik Deutschland durch äußere Aggression so niedrig wie nie zuvor. Demge-genüber ist der einzelne Soldat der Bundeswehr durch die Einsatzwahrscheinlichkeit in Frie-denszeiten, zumindest als Angehöriger der Krisenreaktionskräfte, Gefährdungen ganz neuer Qualität ausgesetzt. Somit verdient die sanitätsdienstliche Versorgung dieser Kräfte beson-dere Aufmerksamkeit. Zitat Ende

Auch hier wird deutlich � die Bundeswehr bereitet sich verstärkt auf weltweite Intervensionen vor. Dazu soll Sanitätspersonal ausgebildet werden, ziviles Personal als Lückenfüller für Bundeswehrkrankenhäuser gewonnen werden, Zeitsoldaten geworben werden. Außerdem soll so Geld gespart werden, dass in die Kernaufgaben der Bundeswehr umgeleitet wird, nämlich Waffen und Ausrüstung für die Krisenreaktionskräfte.

Geschickt nutzt die Bundeswehr die schwierige Situation der zivilen Krankenhäuser aus. Es ist unbedingt nötig die Kliniken personell besser auszustatten, denn die Arbeit ist, mit dem zur Verfügung stehenden Personal kaum mehr zu bewältigen. Aber nicht durch eine völlig neue Vernetzung des zivilen Gesundheitswesens mit dem Militär.

Auch innerbetrieblich würde eine solche Kooperation Schwierigkeiten bringen. So wird es Beschäftigte geben, die Probleme damit haben Militärpersonal auszubilden, das mit neuer-worbenem Wissen Kriegsmedizin ausüben wird. Es arbeiten z.B. in fast allen Bereichen des Klinikums, Ärzte und Pfleger, die den Kriegsdienst verweigert haben oder Assistenzärzte, die sich in der Fachausbildung befinden, befürchten, dass sich ihre ohnehin schon lange Ausbil-dungszeit (Chirurgie und Innere Medizin 6 Jahre) noch verlängern wird. Sie müssen an-spruchsvolle Anforderungskataloge erfüllen wie z.B. bestimmte Anzahlen von verschiedenen Operationen und Untersuchungen, bevor sie dann zur Facharztprüfung zugelassen werden. Setzt, wie geplant, die Bundeswehr ganze Teams in diese Bereiche ein , könnten die Mitar-beiter des Klinikums das Nachsehen haben, weil sie noch länger brauchen um die Anforde-rungskataloge zu füllen.

Ob das Bundeswehrpersonal tatsächlich zusätzlich zum vorhandenen eigenen Personal ein-gesetzt werden soll, ist allerdings zu bezweifeln.

Ihr seht � die ganze Kooperation, ist alles andere als eine Zit: �rundum unkomplizierte Sa-che, mit rundum positiven Auswirkungen�, wie Bürgermeister Eidenmüller es in der Gemein-deratssitzung am 25.01 diesen Jahres darstellte � Es sei denn, er bezog seine Aussagen nicht auf das Klinikum � sondern auf die Bundeswehr. Er kennt die Vertragsentwürfe ganz genau, im Gegensatz zu den anderen Gemeinderatsmitgliedern. Man könnte auf die Idee kommen, dass er bewusst versucht den Gemeinderat und die Öffentlichkeit zu täuschen.

In Tübingen, Heidenheim und Sindelfingen haben die jeweiligen Klinikleitungen, klammheim-lich, ohne die Personalvertretungen, den zuständigen Krankenhausausschuss oder den Gemeinderat zu informieren, Kooperationsverträge unterschrieben.

Das ist ein Skandal!

Würde es uns gelingen, unseren Kooperationsvertrag zu verhindern, wäre das auch nicht zuletzt Sand im Getriebe der Kriegsvorbereitung.