» IMI-Aktuell
TKMS: Staatseinstieg?
(11. Oktober 2024)In „strategischen Fällen“ will die Bundesregierung laut dem Entwurf für eine Rüstungsindustriestrategie erwägen, sich „an Unternehmen der SVI [Sicherheits- und Verteidigungsindustrie] zu beteiligen.“ (siehe IMI-Standpunkt 2024/20) Schützenhilfe erhält sie dabei u.a. vom Ökonomen Moritz Schularick, dem Präsident des Instituts für Weltwirtschaft, der in jüngster Zeit wiederholt extrem militaristisch in Erscheinung trat (siehe IMI-Standpunkt 2024/431). Angesichts aktueller Pläne für einen Einstieg der US-Investmentgesellschaft Carlyle bei Thyssenkruppmarinesystems (TKMS) plädiert Schularick laut Süddeutscher Zeitung für eine staatliche Beteiligung: „In den Fragen von Sicherheit und Verteidigung gibt es Argumente, die für staatliche Beteiligungen sprechen, die über das rein Ökonomische herausgehen“, so Schularick. „Dadurch wird das Geschäft sicherlich nicht effizienter, billiger oder einfacher, aber gewisse Dinge will man zu Hause produzieren können. Und dazu gehört sicherlich die Wehrtechnik.“ (jw)
Grönland: Militärisch relevant
(11. Oktober 2024)Schon im Kalten Krieg spielte die „GIUK-Lücke“ und damit auch Grönland eine wichtige Rolle in den geopolitischen Auseinandersetzungen der beiden Blöcke. Kein Wunder also, dass die Bedeutung der Insel angesichts der verschärften Auseinandersetzungen wieder höher eingestuft wird. Folgerichtig kommt eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik zu dem Ergebnis: „Grönland (Kalaallit Nunaat) nimmt einen raumbeherrschenden Platz zwischen dem Arktischen und dem Atlantischen Ozean ein. Es hat eine geostrategische Schlüsselposition im Seeraum zwischen Spitzbergen, Bäreninsel und Nordkap (Bear Gap) sowie zwischen Grönland, Island und Großbritannien (GIUK Gap), die auch militärisch wieder relevant ist.“ (jw)
US-Atomwaffen: Kosten
(11. Oktober 2024)Die geschätzten Kosten für die „Modernisierung“ der US-atomwaffen, um sie durchschlagskräftiger und zielsicherer (sprich: einsatztauglicher) zu machen, steigen immer weiter (siehe IMI-Studie 2024/07). Erst waren es „nur“ ein paar hundert Millionen Dollar, dann 1.200 Mrd. dann 1.500 Mrd. und nun wartet die New York Times (auf Basis von Schätzungen der Federation of American Scientists) mit noch ein wenig mehr auf: „With Russia at war, China escalating regional disputes and nations like North Korea and Iran expanding their nuclear programs, the United States is set to spend an estimated $1.7 trillion over 30 years to revamp its own arsenal.” (jw)
Heusgen: Abserviert
(10. Oktober 2024)Kalt erwischt wurde der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Christoph Heusgen von der Ankündigung, der bisherige NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg werde sein Nachfolger. Heusgen setzte sich kurzzeitig zur Wehr, indem er darauf pochte, es müsse eine ordentliche Abstimmung im Stiftungsrat stattfinden (siehe IMI-Aktuell 2024/591). Laut Europäischer Sicherheit & Technik scheint dies nun aber erfolgt zu sein: „Die Münchner Sicherheitskonferenz hat Pressemeldung der vergangenen Wochen bestätigt und mitgeteilt, dass der langjährige norwegische Politiker und frühere NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg als Nachfolger des derzeitigen Vorsitzenden Botschafter Christoph Heusgen sein Amt als Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2025 antreten wird.“ (jw)
UN-Sicherheitsrat: Anhörung zu Nordstream
(9. Oktober 2024)Von den deutschen Medien weitgehend unbeachtet, hat sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 4. Oktober getroffen, um die Sabotage der Nordstream Pipelines zu besprechen. Ein entsprechender Bericht des UN Press Corners zeigt die, wenig überraschende, Polarisierung der Diskussion.
Russland kritisierte die mittlerweile eingestellten Ermittlungen Schwedens und Dänemarks, die wenige Transparenz Deutschlands, welches keine Zwischenergebnisse liefere, das Ausbleiben gemeinsamer Statements des Sicherheitsrats – vorgeblich auf Druck der USA und deren Verbündeten, sowie die fehlende Kooperation der westlichen Staaten mit den Ermittlungen Russlands als geschädigtem.
Die EU und NATO Länder wiederum drückten ihre Unterstützung der deutschen und teilweise Ablehnung gegenüber UN geführten Ermittlungen aus.
Länder wie Mosambik, Algerien und Ecuador dagegen zeigten sich offen für internationale Ermittlungen und zweifelten teilweise den Ermittlungswillen der EU-Länder an. (pf)
Nachhaltige Rüstung: Lobby gewinnt
(9. Oktober 2024)Die Rüstungslobby hat in Brüssel den Durchbruch geschafft: endlich sind auch Rüstungsgüter als NACHHALTIG einzustufen. Die absurde Vorstellung, Waffen und Waffenproduktion würden mit all ihrer Zerstörungskraft etwas Positives darstellen hat sich unter der neuen Kommission durchgesetzt und sie plant, die Investitionen in Rüstung als nachhaltig zu charakterisieren. Das Drängen seitens der Rüstungsindustrie gibt es schon lange – die bisherige Einstufung hatte dazu geführt, dass es für Konzerne nicht leicht war, auf Gelder aus verschiedenen Finanzprodukten der großen Institute zuzugreifen. Anleger, die auf „Nachhaltigkeit“ in ihrem Portfolio setzten (z.B. die meisten größeren auch institutionellen Anleger wie Kirchen und Rentenkassen), machten einen Bogen um die Industrie, womit die Rüstungsindustrie nicht mehr ganz so günstige Kredite bekam, wie z.B. tatsächlich oder vorgeblich grüne Industrien … dies ist der Zweck der Regelung. Lobbycontrol hat nun herausgefunden, dass dieser Schwenk in der Einstufung durch die EU-Kommission intensiver Lobbyarbeit der großen Rüstungsunternehmen Europas und ihrer Lobbyvertreter zu verdanken ist. Schlechte Nachrichten für Anleger und Verbraucher. (as)
Iran: Keine Hinweise
(9. Oktober 2024)Während weiter über mögliche Schläge gegen iranische Nuklearanlagen spekuliert wird, bestätigte US-CIA-Direktor William Burns, es gäbe keine Hinweise, dass das Land an Atomwaffen arbeite: “No, we do not see evidence today that the supreme leader has reversed the decision that he took at the end of 2003 to suspend the weaponization program”, so Burns laut antiwar.com. (jw)
Spanien: Sahrauis protestieren
(7. Oktober 2024)Nachdem, wie die junge Welt schon vor zwei Wochen berichtete, dutzende Sahrauies im Flughafen Adolfo Suárez in Madrid gegen die unmenschlichen Zustände dort und ihre Abschiebung in den Hungerstreik traten, wurden nun die meisten von ihnen nach Marokko geflogen – andere konnten sich jedoch befreien.
Auslöser war die unterlassene medizinische Versorgung eines erkrankten, anderthalb Jahre alten Mädchens, dessen Mutter kurz zuvor schon ein anderes Kind bei einer Fehlgeburt verloren hatte. Außerdem hatte es laut einer zitierten Rede einer Abgeordneten der linken Partei PODEMOS an dem Flughafen noch einen weiteren Asylsuchenden, der taub und an Krebs erkrankt ist, gegeben. Auch er sei nicht behandelt worden.
Er und 16 weitere Asylsuchende seien nun in der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober nach Marokko zurückgeflogen worden, wie die spanische Zeitung El Pais schreibt. Gerade der Taubstumme soll sich dabei heftig gewehrt haben.
El Diaro berichtet zudem über zwei Ausbruchsversuche von dem einer erfolgreich gewesen sein soll, wobei drei Schutzsuchende durch Löcher in der Decke ihrer Gefangenschaft entkommen konnten. Sie waren auch marokkanischer Nationalität. Aber ob sie sich als Sahrauis identifizieren und aus der Gegend der besetzten Westsahara kamen wurde von der Polizei nicht preisgegeben.
Sahrauis die sich gegen die völkerrechtswidrige Besatzung der Westsahara durch Marokko stellen haben dort immer wieder Repression und Gewalt zu befürchten. Nachdem spanische Regierungen von links bis rechts sich Jahrzehnte für die Selbstbestimmung der Bevölkerung aus dem damals von Spanien kolonialisierten Gebiets eingesetzt hatten, nähert sich die aktuelle sozialdemokratische Regierung immer weiter der marokkanischen Sichtweise an – und begegnet Sahrauis mit härteren Bandagen. (pf)
EuGH: Westsahara ist nicht Marokko
(7. Oktober 2024)In der jüngsten Wochenendausgabe der Tageszeitung junge Welt wird berichtet, dass der Europäische Gerichtshof in Luxemburg am Freitag in letzter Instanz entschieden habe, „dass sich der Gültigkeitsbereich von Fischerei- und Handelsabkommen zwischen Marokko und der EU nicht auch auf die Westsahara erstreckt. Auch müssten Erzeugnisse von dort entsprechend gekennzeichnet werden und dürften nicht als »marokkanisch« durchgehen. Die beiden Urteile sind eine empfindliche Niederlage für das nordafrikanische Königreich, das weite Teile der Westsahara widerrechtlich besetzt hält und deren Gewässer und Bodenschätze zum eigenen Profit ausbeutet, wobei ihm Verbündete wie Frankreich, Spanien und die USA den Rücken freihalten.“
Der Artikel zitiert außerdem Tim Sauer von der Organisation Western Sahara Ressource Watch. Dieser fordert „alle privaten Unternehmen, die sich an der Ausbeutung der Ressourcen des Gebiets durch Marokko beteiligen, auf, die Rechtsstaatlichkeit zu respektieren und ihr Engagement in der letzten Kolonie Afrikas unverzüglich zu beenden […] Die ausländischen Unternehmen, die für Marokko in der Westsahara arbeiten, müssen sich der rechtlichen Grauzone, in der sie sich bewegen, bewusst werden.“ (pf)
NATO: Plus 5-6 Brigaden
(7. Oktober 2024)Der Welt liegt ein Bundeswehr-Papier mit den vertraulichen Vorschlägen für die künftigen NATO-Mindestkapazitäten (Minimum Capability Requirements, MCR) vor. Demzufolge soll es ab 2031 15 Warfighting Corps (Anstieg um 9), 38 Divisionen (+14), 131 Kampfbrigaden (+49), 1467 bodengebundene Flugabwehreinheiten (+1174) und 104 Hubschrauberverbände (+14) geben. Über die Vorgaben soll kommendes Jahr entschieden und dann die Anforderungen nach einem bestimmten Schlüssel auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden. Für Deutschland würde das fast eine deutliche Steigerung der aktuell acht Brigaden (plus entsprechend Ausrüstung und Personal) bedeuten: „Bis zu einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister im Oktober 2025 werden die MCR nun als verpflichtende Fähigkeitsziele auf die Mitgliedstaaten verteilt. ‚Die Quantität der Zuweisung ergibt sich aus dem relativen ‚Reichtum‘ und der Größe der Bevölkerung eines Alliierten‘, heißt es im Papier des Verteidigungsministeriums. Deutschland seien zuletzt ‚circa 9,28 Prozent aller Gesamtfähigkeiten zugewiesen‘ worden. Entsprechend gehen die Planer von Boris Pistorius (SPD) davon aus, dass die Bundeswehr ‚fünf bis sechs weitere Kampftruppenbrigaden‘ werde stellen müssen, dazu den Stab eines ‚zusätzlichen Warfighting Corps‘ und einen weiteren Hubschrauberverband. Derzeit verfügt die Bundeswehr über acht Brigaden, eine neunte ist im Aufbau, eine zehnte bis 2031 geplant.“ (jw)