IMI-Standpunkt 2020/065

Drohnenbewaffnung: Erst einmal vom Tisch?!

von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 9. Dezember 2020

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Bis der Bundeswehr gegen Ende der 2020er Jahre eine Eurodrohne (MALE RPAS) zu Diensten sein soll, wurden als „Brückenlösung“ bis 2029 fünf Heron-TP-Drohnen für Gesamtkosten von 1.024 Mio. Euro gemietet. Die Frage, ob diese Drohnen auch bewaffnet werden, war bereits Gegenstand des Schwarz-Roten-Koalitionsvertrages: „Wir werden im Rahmen der Europäischen Verteidigungsunion die Entwicklung der Eurodrohne weiterführen. Als Übergangslösung wird die Drohne Heron TP geleast. Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden. „

Orchestriert wurde diese Debatte dann ärgerlicherweise vor allem vom Verteidigungsministerium selbst, das ohnehin keine Zweifel an der „Notwendigkeit“ bewaffneter Drohnen aufkommen ließ: „[D]as Verteidigungsministerium möchte jetzt schon Pflöcke einrammen und die Bewaffnung bei der Zwischenlösung durchsetzen. Dafür warb das Ministerium seit dem 11. Mai in verschiedenen Formaten, die letzte Veranstaltung des Ministeriums fand am 3. Juni statt. […] Seit mehr als einer Woche ist der Bundestag in der parlamentarischen Sommerpause. Am letzten Tag des normalen Betriebs, am 3. Juli, lieferte das Bundesverteidigungsministerium einen Bericht über die ‚#DrohnenDebatte2020‘ im Verteidigungsausschuss ab. Darin empfahl es – wenig überraschend – die Bewaffnung der bereits geleasten G-Heron-TP-Drohnen.“ (siehe IMI-Standpunkt 2020/037)

Eine letzte Sachverständigenanhörung im Verteidigungsausschuss fand am 5. Oktober 2020 statt und danach hatte es ganz den Anschein, als würde die SPD in dieser Frage endgültig einknicken. Unmittelbar im Anschluss daran wurden diverse Sozialdemokraten beim Redaktionsnetzwerks Deutschland zitiert: „Und was macht die SPD? Das Ministerium müsse jetzt eine Entschlussvorlage vorlegen, sagt Verteidigungspolitikerin Siemtje Möller dem RND. ‚Dem werden wir uns wohlwollend nähern.‘ Auf keinen Fall solle das Thema in den Wahlkampf gezogen werden. SPD-Abrüstungsexperte Brunner ergänzt: ‚Wenn unsere Kriterien erfüllt werden, werden wir nicht Nein sagen.‘ Und SPD-Verteidigungspolitiker Fritz Felgentreu sagt […]: Die SPD sei offen für eine Bewaffnung von Drohnen zum Schutz eigener Soldaten. Das sei das Ergebnis eines Diskussionsprozesses.“

Ende November 2020 hieß es noch in einer Antwort auf eine Linken-Anfrage, die Bundesregierung beabsichtige noch in diesem Jahr die dementsprechenden Mittel für eine Bewaffnung der Heron-TP zu beantragen und damit endgültig einen Knopf an die Sache zu machen: „Die Bundesregierung beabsichtigt, die Aufhebung des Maßgabebeschlusses zur Bewaffnung des German HERON TP (Haushaltsausschussdrucksache 19/699 vom 13. Juni 2018) im Zusammenhang mit einer 25-Mio.-Euro-Vorlage für die Beauftragung der bewaffnungsspezifischen Ausbildung sowie der Beschaffung von Munition und entsprechender technischer Zusatzausstattung zu beantragen. Es ist geplant, diese 25-Mio.-Euro-Vorlage noch im Jahr 2020 dem Deutschen Bundestag zuzuleiten.“

Die Weichen schienen also gestellt, doch am gestrigen 8. Dezember 2020 meldete nun die Süddeutsche Zeitung, in der SPD-Spitze komme erfreulicherweise Widerstand auf: „Über das Thema sei noch nicht ausreichend debattiert worden, findet Parteichef Walter-Borjans. Einem Großprojekt von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer droht nun das überraschende Aus auf der Zielgeraden. […] ‚Zusammen mit großen Teilen der SPD-Mitgliedschaft und vielen anderen friedenspolitisch engagierten Gruppen in unserer Gesellschaft halte ich die bisherige Debatte über bewaffnete Bundeswehr-Drohnen nicht für ausreichend‘, sagte er der Süddeutschen Zeitung.“

Augenscheinlich hatte auch der Druck aus der Friedensbewegung eine Rolle für die Entscheidung gespielt, was ein großer Erfolg für die Drohnenkampagne (www.drohnen-kampagne.de) darstellt. Natürlich kam aus Reihen des Bundes Deutscher Industrieller sofort Kritik und auch der SPD-Mann im Verteidigungsausschuss, Fritz Felgentreu, „widersprach“ umgehend seinem Parteichef. Eine endgültige Entscheidung wird allerdings wohl erst bei der SPD-Fraktionssitzung am 15. Dezember 2020 fallen, auch wenn die Chancen für eine Ablehnung nun noch einmal gestiegen sind. Da umfallen und sich selbst sabotieren aber zum Kerngeschäft der SPD zu gehören scheint, sollte man sich trotz der klaren Aussage Walter-Borjans vielleicht nicht allzu sehr in Sicherheit wiegen. Die Aufforderung des Friedensratschlages ist jedenfalls richtig, die Zeit bis zur Sitzung zu nutzen, um sich an die örtlichen SPD-Bundestagsabgeordneten zu wenden (hier gibt’s die Liste, Vorname.Nachname@bundestag.de).

Sollte es in der SPD-Fraktionssitzung zu keiner Zustimmung kommen, dann wäre das Thema Drohnenbewaffnung wohl sogar für die gesamte restliche Legislaturperiode vom Tisch. Die Süddeutsche Zeitung schreibt dazu: „Mit diesem Veto gerät jedoch der gesamte Fahrplan ins Wanken. […] Dem Vernehmen nach ist es mittlerweile höchst fraglich, ob die SPD im Jahr vor der nächsten Bundestagswahl überhaupt noch ihre Zustimmung zu Kampfdrohnen gibt.“

Damit bestehen also gute Aussichten, die Bewaffnung der Heron-TP erst einmal abwenden zu können, was auch deshalb von zentraler Bedeutung ist, weil es sich dabei um eine Richtungsentscheidung handelt würde. Die „Stiftung Wissenschaft und Politik“ betonte zum Beispiel in einer Studie im September 2020: „Sollte die Heron TP bewaffnet werden, wäre dies der erste Schritt zur Beschaffung weiterer deutscher Kampfdrohnen. Dazu gehören die oben erwähnte Eurodrohne wie auch das Future Combat Air System (FCAS) […]. Langfristig wird das System auch imstande sein, in komplexen Lagen dynamische Ziele auszuwählen und zu bekämpfen. Zu erwarten ist eine inkrementelle Entwicklung in Richtung Autonomie. Dabei lassen sich Effektivität und Effizienz steigern, indem einzelne Funktionen von der Bodenstation auf die Drohne verlagert wer-den. Mit der maschinellen Autonomie geht jedoch ein Verlust menschlicher Kontrolle über den Gewalteinsatz einher, der aus ethischer und rechtlicher Sicht unakzeptabel ist.“

Eine kürzere Fassung dieses Artikels erschien zuerst bei Telepolis, am 8. Dezember 2020.

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