IMI-Standpunkt 2017/008 - in: AMOS 1/2017, Schwerpunkt: Die tatsächlichern Fluchtursachen Teil II

Krieg in Mali

Uranabbau schützend – Migration und Flucht verhindernd

von: Christoph Marischka | Veröffentlicht am: 9. März 2017

Drucken

Hier finden sich ähnliche Artikel

Am 26. Januar stimmte der Bundestag mit großer Mehrheit gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE der Verlängerung und Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Mali zu. Nach der Aufstockung um 350 Soldat_innen und acht Hubschrauber ist die deutsche Beteiligung an der UN-Mission MINUSMA nun mit bis zu 1.000 Soldaten der aktuell größte Einsatz der Bundeswehr. Bereits vor der Abstimmung im Bundestag wurden die ersten Transporthelikopter vom Typ NH90 nach Leipzig verlegt, um gleich am Tag nach der Erteilung des Mandats von dort nach Mali transportiert zu werden. Die Transporthubschrauber sollen den Rücktransport von Verwundeten sicherstellen und somit den Aktionsradius der deutschen Truppen um das Camp Castor bei Gao im umkämpften Norden des Landes erhöhen. Folgen sollen nun noch vier Kampfhubschrauber vom Typ Tiger, die mit ihrer umfangreichen Bewaffnung dafür gedacht sind, Bodentruppen bei der Bekämpfung von Aufständischen am Boden zu unterstützen. Denn die Sicherheitslage im Norden Malis befindet sich im freien Fall: Eine gute Woche vor der Entscheidung im Bundestag wurde ein Lager der malischen Armee etwa einen Kilometer vom deutschen Camp Castor angegriffen, wobei etwa 60 Soldaten und Milizionäre umkamen und noch mehr verletzt wurden. Auch das deutsche Feldlager wurde bereits beschossen, deutsche Patrouillen bereits angesprengt und in Gefechte verwickelt. Im November musste der an Camp Castor grenzende Flughafen von Gao nach einem Anschlag für mehrere Tage gesperrt werden.

Offiziell soll die UN-Truppe MINUSMA ein Friedensabkommen umsetzen, das jedoch äußerst vage ist und nur einen Teil der bewaffneten Gruppen umfasst, die vor Ort aktiv sind und noch dazu in unterschiedlichen Zusammenhängen agieren. Sie besteht aus knapp 13.000 Soldat_innen, die in der Masse aus Bangladesch sowie den afrikanischen (Nachbar-)Staaten Senegal, Guinea, Burkina Faso, Niger, Tschad und Togo stammen, deren Aktivitäten sich wegen der überlegenen Aufklärungskapazitäten der Bundeswehr (zu denen verschiedene Drohnen gehören, darunter u.a. die aus Israel geleaste Heron-1) wesentlich durch deren Lageerkenntnisse bestimmen. De facto bemühen sie sich um die Stabilisierung jener Regionen, die zuvor von französischen Spezialkräften in Zusammenarbeit mit sezessionistischen Tuareg-Milizen (beide außerhalb des UN-Mandates aktiv) freigekämpft wurden. Dies soll laut UN-Mandat die Rückkehr der malischen Armee in den Norden ermöglichen, die jedoch von verschiedenen bewaffneten Gruppen – darunter jene, die mit Frankreich kooperieren – teils offen, teils verdeckt bekämpft wird.

Diese malischen Truppen werden zuvor von einer EU-Trainingsmission im Süden des Landes ausgebildet, an der Deutschland wiederum mit bis zu 300 Kräften beteiligt ist. Es exisitieren keine belastbaren Zahlen, wie viele von ihnen bislang umkamen, aber es dürften mehr als tausend sein. Leider sind auch die Statistiken des Departement of Peacekeeping Operations der UN sehr unzuverlässig (mit Stand 31. Dezember 2016 wird etwa die deutsche Beteiligung an MINUSMA mit 251 angegeben, obwohl sich über 600 Kräfte beteiligten), die Gesamtzahl der Opfer aus der MINUSMA-Mission belief sich jedoch demnach bis Ende November 2016 auf 110. In den vergangenen Monaten hat eine neu formierte bewaffnete Gruppe in Zentralmali durch spektakuläre und nach militärischen Maßstäben erfolgreiche Angriffe auf Stützpunkte der malischen Armee von sich reden gemacht, die nun die Nachschubwege der Truppen im Norden gefährdet, die deshalb zunehmend nach Niger verlegt werden. Doch auch im Süden, wo v.a. die frankophone Bevölkerung zunächst relativ viel Zustimmung zur internationalen Intervention zeigte, verschärft sich die Lage und die ausländischen Soldaten berichten immer häufiger von einer feindseligen Stimmung ihnen gegenüber.

Wenn selbst die „loyal“, Zeitschrift des Reservistenverbandes, unter dem Titel „im malischen Treibsand“ einen Soldaten vor Ort mit den Worten zitiert „meinen Verwandten daheim kann ich nicht erklären, warum ich in Mali bin und was wir hier erreichen wollen“, sagt das viel. „Es sei gut, Präsenz zu zeigen“ wird der Soldat weiter zitiert. Diese Präsenz ermöglicht es immerhin, mit einer weiteren, „zivilen“ Mission der EU im Süden Malis Polizei und Gendarmerie in der Bekämpfung – aus europäischer Sicht – „illegaler“ Migration auszubilden und die während der französischen Intervention gewählte malische Regierung zur Rücknahme Abgeschobener zu zwingen. Doch die Präsenz geht weit über Mali hinaus. Unter den MINUSMA-Truppen sind auch viele Einheiten aus Niger, das sich ähnlich wie Mali aufgrund geringer Staatseinnahmen und Bevölkerungsdichte im Verhältnis zur Ausdehnung des Landes nur eine kleine Armee leisten kann. Deshalb werden auch hier die Regierung und kritische Infrastruktur von französischen Soldaten geschützt und auch hier bauen die EU und Deutschland Grenzschutz und Gendarmerieeinheiten für die Bekämpfung der Migration auf; Frankreich und die USA stationierten im Norden von Niger Drohnen zur Überwachung der Sahara. Auch dabei geht es um die Bekämpfung der Migration, v.a. aber auch um die Sicherung einer Fluchtursache: des Abbaus von Uran für französische Kernkraftwerke und von Phosphat, das für die globale Landwirtschaft von zentraler Bedeutung ist.