Pressebericht - in: Der Neue Tag (Weiden), 29.09.2003

Beim Irak-Krieg doppeltes Spiel

Tobias Pflüger: Schmiere gestanden - Beginn einer Vortragsreihe zum Thema "Irak und die Folgen"

von: eie / Neuer Tag (Weiden) / Pressebericht / Dokumentation | Veröffentlicht am: 3. Oktober 2003

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Weiden. (eie) Haben Schröder und Chirac in Sachen Irak ein doppeltes Spiel getrieben? Wird die Bundeswehr künftig global an Kampfeinsätzen bei Präventivkriegen beteiligt sein? Arbeitet die Bundesregierung am weltpolitischen Aufstieg Deutschlands? Ist der Sozialabbau eine Folge erhöhter Militärausgaben? Solchen Fragen ging am Freitag Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung im Haus der evangelischen Gemeinde nach.

Im Namen von Friedensforum, Arbeitskreis Asyl und Amnesty International begrüßte Jost Hess den Tübinger Politikwissenschaftler. In der ersten Veranstaltung einer vierteiligen Vortragsreihe zum Generalthema „Irak und die Folgen“ beschäftigte sich der Referent vor allem mit der zukünftigen Rolle der Bundeswehr.

Hat Pflüger recht, dann hätten Schröder und Chirac im Irakkrieg eine Doppelstrategie verfolgt. In „engem Schulterschluss mit den Krieg führenden Nationen“ habe gerade Deutschland den Alliierten weitgehende logistische Hilfe gewährt. Von Frankfurt aus seien 40 bis 80 Transportflüge pro Tag abgewickelt worden. Die erteilten Überflugrechte für die zurückkehrenden B 52 Bomber bezeichnete der Referent als „klaren Verstoß gegen Völkerrecht und deutsches Grundgesetz“. Den Sicherungseinsatz von Bundeswehrsoldaten qualifizierte Pflüger mit dem Satz: „Die standen Schmiere, damit andere Krieg führen konnten“.

Auf der anderen Seite jedoch hätten sich Deutschland und Frankreich im Weltsicherheitsrat gegen den Krieg ausgesprochen. Der Referent vermutet hier den Versuch, ein Gegenmodell zur gegenwärtigen Machtverteilung der westlichen Staaten zu etablieren. Neben den USA „will die EU neue Weltmacht sein.“ Pflüger untermauerte seine These mit Zitaten aus den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr, dem „Solana-Papier“ und der EU-Verfassung.

Statt in der Landesverteidigung sehe man die Hauptaufgabe der Bundeswehr künftig im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Damit werde sie „zum Instrument, um deutsches Interessen zu wahren“. Entsprechend dieser Aufgabenverlagerung würden Politiker und Militärs an einem Präventionskriegskonzept arbeiten. Dies bedeute, dass ein Angriff auf ein Land bereits erfolgen könne, wenn man die Interessen oder die Hegemonie des eigenen Landes bedroht sehe.

Besonders hart ging der Referent mit der EU-Verfassung ins Gericht. Dort würden die EU- Staaten zur Aufrüstung verpflichtet, Kampfeinsätze festgeschrieben und eine Art Bündnisverpflichtung etabliert. „Dadurch ist alles hinfällig, was das Grundgesetz für die Bundeswehr vorsieht“, zeigt sich Pflüger überzeugt. Natürlich gehe diese Aufrüstung zu Lasten der sozialen Leistungen. Dass man die europäischen Zukunftspläne in engem Zusammenhang mit der Agenda 2010 sehen muss, „hat selbst Kanzler Schröder zugegeben“.

Neue Internationale

Für Tobias Pflüger ist die Handlungsweise der westlichen Staaten eine Kampfansage an die „Menschen im Süden“. Es gehe nur vorgeblich um „Regierungen, mit denen ich nichts zu tun haben will“. Leider treffe es immer nur die Zivilbevölkerung. Der Politikwissenschaftler beziffert die Zahl der Menschen, die Krieg als Mittel der Politik ablehnten, mit „ziemlich konstant bei 20 Prozent“. Und „mindestens ein Drittel – oft auch wesentlich mehr – tragen diese Art der Kriegführung (wie im Irak) nicht mit“. „Es ist eine Art neuer Internationale entstanden“, freute sich Pflüger und forderte seine Zuhörer auf, gemeinsam gegen die genannten Entwicklungen „mobil zu machen“.