IMI-Standpunkt 2025/055
Baden-Württembergs bizarrer Bau-Turbo für die Bundeswehr
von: Andreas Seifert | Veröffentlicht am: 31. Oktober 2025
Baden-Württemberg versucht Bayern in der Frage, wie leicht man es der Bundeswehr machen kann, den Rang abzulaufen. Schon im Mai hatte das Kabinett von Winfried Kretschmann eine Lenkungsgruppe Verteidigung und Resilienz eingerichtet, um die „Aufgaben des Landes im Verteidigungsfalls [sic] koordinieren, insbesondere der zivilen Verteidigung und zur Unterstützung der Streitkräfte. Auch die Unterstützung der Rüstungsindustrie und der Forschung in diesem Bereich bildet einen Schwerpunkt. Weiteres Ziel ist die Prüfung geeigneter Maßnahmen zur Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz. Dazu kann beispielsweise Aufklärung an Schulen oder ein stärkerer Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern gehören.“ (Bericht aus dem Kabinett vom 20. Mai 2025, Pressemitteilung).
Nun soll auch der Bundes-Bau-Turbo noch einen zusätzlichen Booster in Baden-Württemberg bekommen. Der Plan ist es dabei nicht nur, wie bisher schon (!), die Bundeswehr ohne förmliche Bauanträge und -verfahren bauen zu lassen, sondern ab nun auch noch die Verpflichtung, die damit verbunden Auflagen, die Vorschriften und Gesetze einzuhalten, fallen zu lassen. Musste also bisher die Bundeswehr zumindest die Gesetzesvorgaben einhalten, so muss sie selbst das nun nicht mehr. Zum von ihr federführend erarbeiteten „Gesetz zur Förderung von Bauvorhaben der Bundeswehr“ äußerte sich die Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, Nicole Razavi: „Wir befreien die Bundeswehr beim Bau von Anlagen, die der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands dienen, von allen materiell-rechtlichen Vorschriften des Landes. Das betrifft unter anderem das Bauordnungsrecht, das Denkmalrecht, das Straßenrecht, das Wasserrecht und das Naturschutzrecht.“
Wie weit das geht zeigt ein Blick in die Definition von „Anlagen der Verteidigungsfähigkeit“ aus der dazugehörigen Pressemitteilung: „Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen, sind im Sinne des Gesetzes alle Anlagen, die unmittelbar der Landesverteidigung dienen wie zum Beispiel Gefechtsstände, Geschützstellungen, Funkanlagen, Flugplätze, Kasernen oder Versorgungslager. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung können darunter aber auch zum Beispiel Wohnsiedlungen für Militärpersonen und ihre Angehörigen fallen, wenn eine räumlich-funktionale Zuordnung dieser Siedlungen zu bestimmten dienstlichen Einsatzorten des Militärpersonals besteht.“ (Land erleichtert Bauvorhaben der Bundeswehr, Pressemitteilung, 30.10.2025) Wo Kommunen viel Zeit, Energie und Geld auf die nun teilweise abgeblasenen Konversionen von ehemaligen Bundeswehrgeländen verwendete haben – unter anderem um all die Bauordnungsauflagen zu erfüllen –, kann die Bundeswehr nun frisch und ohne Auflage drauf los bauen, was immer sie möchte! Und das Beste ist, dass die Kommune nicht einmal etwas dagegen unternehmen kann, oder schlimmste Auswüchse verhindern. So geht nicht Turbo, so geht wohl eher die Selbstamputation von kommunaler Selbstverwaltung. Abgesehen davon, dass nicht einmal der Nachweis erbracht wurde, dass die Erfüllung von sinnvollen Auflagen zu irgendeiner Verzögerung geführt haben. Oder ist das Ganze nur der (hilflose) Versuch, möglichst viel (und turboschnell) Infrastruktur- und Baugelder des Bundes ins Schwabenland zu locken?
