Der bereits abgewählte Bundestag plant, in zwei Sondersitzungen eine Reform der Schuldenbremse durchzusetzen, um unbegrenzte Rüstungsausgaben zu ermöglichen. Dies soll einen massiven deutschen Beitrag zur geplanten Hochrüstung der Europäischen Union ermöglichen und wird von einer massiven Öffentlichkeitskampagne über einen bevorstehenden Krieg mit Russland begleitet.
Zahlreiche Friedensorganistationen rufen zu Protesten auf und appellieren an die Abgeordneten, die Zustimmung zu verweigern. Die DFG-VK schreibt in einer Pressemitteilung von einem „Sicherheitspolitischen Amoklauf“ und fährt fort:
„Am Dienstag soll im Bundestag die erste Lesung für den von CDU, CSU und SPD erdachten Plan, die so
genannte ‚Schuldenbremse‘ für Militärausgaben außer Kraft zu setzen, stattfinden. Für die Änderung
des Grundgesetzes ist eine Zweidrittel-Mehrheit nötig. Da diese im gerade erst neu gewählten
Bundestag für die absehbare Bundesregierung aus Union und SPD für den Zweck der unbeschränkten
Aufrüstung nicht zu erreichen ist, soll die Gesetzesänderung noch durch die Mitglieder des alten
Bundestags durchgedrückt werden – die Mehrheitsverhältnisse sind trotzdem knapp: „Wir fordern alle
Abgeordneten – vor allem diejenigen, die kein Mitglied mehr des neuen Bundestags sind und
insbesondere die der ‚Grünen‘ – dazu auf, der Grundgesetzänderung die Zustimmung zu verweigern“,
appelliert Michael Schulze von Glaßer von der DFG-VK. ‚Wir müssen die Frage stellen: Was bringt in
der aktuellen Zeit wirklich Sicherheit? – Mehr Waffen werden dies auf keinen Fall tun, sondern die
Rüstungsspirale nur noch weiter ankurbeln‘, so der Geschäftsführer der 1892 gegründeten, ältesten
Friedensorganisation Deutschlands.“
Der Bundesausschuss Friedensratschlag ruft unter dem Motto „Keine Grundgesetzänderung für Hochrüstung und Kriegstüchtigkeit! Reden statt rüsten!“ zu Aktionstagen vom 13. bis zum 18. März auf:
„Das martialische Aufrüstungsgebaren der deutschen Regierung und der EU-Kommission, die zusätzliche 800 Milliarden Euro Schulden für denselben Aufrüstungszweck locker machen will, befeuert die gegenseitige militärische Aufrüstung in Europa, steigert die Inflation, belastet zukünftige Generationen und versucht eine europäische Militärunion zu bilden, die als Globalplayer in einer multipolaren Welt Machtpolitik betreibt – und das unter deutscher Führung.“
Die sog. Neue Friedensbewegung ruft mit dem Titel „Den Wahnsinn stoppen“ zu Protesten am Tag X auf – gemeint ist der Tag der Entscheidung über die Grundgesetzänderung im Bundestag:
„Diese irrsinnigen Summen werden wir – die Menschen in Deutschland und Europa – mit einem weiteren drastischen Sozialkahlschlag bezahlen – Ausbeutung von Mensch und Natur werden weiter enorm steigen, wenn wir nicht laut und vernehmbar NEIN! sagen zu diesem Wahnsinn.
Begleitmusik ist die nationalistische, rassistische und militaristische Verhetzung aller Bereiche der Gesellschaft.“
Die Naturwissenschaftler*innen Initiative „Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit“ und das Bündnis Science4Peace schreiben in ihrem Aufruf unter anderem:
„Die Wiederaufrüstung zerstört unsere Zukunft. Es gibt keine Visionen für Europa – außer einem Siegfrieden durch weitere Opfer des ukrainischen und russischen Volkes. Die Militarisierung der Wissenschaft und die Einsparungen im Umwelt- und Sozialsektor rauben jüngeren Generationen die Perspektive auf eine saubere Umwelt, gute Bildung, gleichwertige Teilhabe und faire Arbeitsbedingungen. Wiederaufrüstung befeuert den Klimawandel, welcher unsere Lebensgrundlagen zerstört und uns mit zukünftigen Schulden konfrontieren wird, die nicht mit ökonomischen Maßstäben auszudrücken sind. Die wirtschaftlich und geopolitisch motivierte Politik der Konfrontation gehört der Vergangenheit an. Gewaltlose Antworten auf wahrgenommene Bedrohungen wurden und werden vernachlässigt und sind nicht ausgeschöpft.“
In zahlreichen Städten werden aktuell Kundgebungen organisiert. So zum Beispiel vom Friedensrat Markgräflerland am Samstag, 15.3. um 11 Uhr am Marktplatz Müllheim.
Ergänzung 12.3.2025: Auch die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit (NATWISS) hat einen Appell gegen den Aufrüstungskurs Deutschlands und der EU veröffentlicht („Keine neue Ära der Aufrüstung! Wir brauchen Investitionen für Klima, Frieden und Zukunft„). Darin heißt es u.a.:
„Eine gewachsene ‚Kriegstüchtigkeit‘ könnte bei kommenden Wahlen in die Hände rechtsradikaler Regierungen fallen. Unbegrenzte Rüstungsausgaben erhöhen unsere Sicherheit nicht, sondern fördern das Wettrüsten und bringen uns einem Weltkrieg näher. Wer aufrüstet, führt auch irgendwann Krieg. In Deutschland und Europa den Weg der Aufrüstung zu beschreiten, untergräbt unsere gefährdete Demokratie weiter und schadet einem zukunftsfähigen Frieden. … Eine Militarisierung der Wissenschaft und Kürzungen im Umwelt- und Sozialbereich nehmen der jüngeren Generation die Zukunftsperspektive auf saubere Umwelt, gute Bildung, gleichberechtigte Teilhabe und faire Arbeitsbedingungen. Rüstung forciert einen Klimawandel, der unsere Lebensgrundlagen zerstört und schafft Zukunftsschulden, die ökonomisch nicht zu ermessen sind.“
Ergänzung 13.3.2025: Unter dem Titel „Das Grundgesetz braucht keine Schattenhaushalte fürs Militär!“ haben das Grundrechtekomitee, die Humanistische Union, die Vereinigung demokratischer Jurist*innen (VdJ), IALANA und das Forum Informatiker*innen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIFF) ebenfalls eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht, die u.a. argumentiert:
„Die unbegrenzte Möglichkeit der Schuldenaufnahme zur Herstellung von „Kriegstüchtigkeit“ verschlechtert die haushalterischen Handlungsmöglichkeiten zuungunsten einer demokratischen und sozialen Entwicklung weiter.“
Auch eine Pressemitteilung von IPPNW zu den Verhandlungen um einen Waffenstillstand in der Ukraine geht auf die Aufrüstungs-Pläne ein: „Wir brauchen keine Milliarden für eine ungezügelte Aufrüstung und ein globales Wettrüsten, sondern Demilitarisierung, Rüstungskontrolle und Abrüstung.“
Ergänzung 14.4.2025: Die International Union of Scientists (IUS) hat ein Manifest gegen die Militarisierung Europas, konkret das Program ReArm veröffentlicht:
„As scientists – many of us involved in fields on which military technology is developed – as intellectuals, as citizens aware of the current global risks, we believe that today it is the moral and civic obligation of any person of good will to raise their voice against the call for a European militarization, and urge dialogue, tolerance, and diplomacy. Abrupt militarization does not preserve peace; it leads to war. […]
Scared by the Russian attack on Ukraine and by the recent repositioning of the United States, Europe feels sidelined and fears that its peace and prosperity could be at risks. Politicians are reacting in a short-sighted manner with a call to mobilize, on a continental scale, a colossal amount of resources to produce more tools of death and destruction. On March 4, 2025, the President of the European Commission, Ursula von der Leyen, released the „ReArm Europe Plan“, stating that “Europe is ready and able to act with the speed and ambition that is needed. […] We are in an era of rearmament. And Europe is ready to massively boost its defense spending.” The military industry, which has vast resources and powerful influence on politicians and the media, blows on the fire of an openly belligerent narrative. The “fear of Russia” is stirred up as a bogeyman, conveniently ignoring that Russia has a GDP lower than Italy alone. Politicians say, completely unwarrantedly, that Russia has expansionist aims towards Europe, posing a threat to Berlin, Paris and Warsaw, when it has just shown of not been even capable of taking its former satellite, Kiev. War propaganda is always nourished by instigating exaggerated fear.“
Ergänzung 17.3.: Die junge Welt dokumentiert eine „antimilitaristische Wortmeldung von Mitgliedern der Partei Die Linke“ unter dem Titel „Abrüsten, whatever it takes„:
„Merz und Co. nutzen diese Verunsicherung geschickt aus, um eine Jahrhundertaufrüstung in Gang zu setzen. Deutschland und die EU suchen nach Wegen, ihre geopolitische Vormachtstellung zu verteidigen und auszubauen. Gleichzeitig wächst in der Bevölkerung das Unbehagen gegenüber der rasant fortschreitenden Militarisierung der Gesellschaft. Jetzt kommt es darauf an, mit fundierten Argumenten und Analysen offensiv in die gesellschaftliche Debatte einzugreifen[…].
Die Geschichte zeigt: Kriege und Aufrüstung werden nicht von oben gestoppt, sondern von denen, die für Aufrüstung die Zeche zahlen und im Krieg als erste leiden würden. Krieg und Hochrüstung liegen nicht im Interesse der Armen und Arbeitenden. Die aktuellen Proteste gegen die Aufrüstungspläne und die bevorstehenden Ostermärsche bieten eine wichtige Gelegenheit, den Widerstand sichtbar zu machen – und auf die Straße zu tragen.“