IMI-Standpunkt 2025/012

Der Schutz der Zivilbevölkerung ist mit Spezialkräften und Übungen in irregulärer Kriegführung nicht vereinbar!

von: Bernhard Klaus | Veröffentlicht am: 20. Februar 2025

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Die Stuttgarter Zeitung gab am Mittwoch des 19.2.2025 Entwarnung: „Jetzt gibt es Klarheit: Die Bevölkerung ist natürlich nicht gefährdet.“ Zuvor habe eine Mitteilung der Stadtverwaltung Renningen (zwischen Stuttgart und Calw) „bei einigen Bürgerinnen und Bürgern wohl Verwunderung und Sorge aus[gelöst]“. Die entsprechende Meldung findet sich bislang weiterhin unter Renningen.de und lautet:

„In der Zeit vom 17.02. – 07.03.2025 findet eine Übung der Bundeswehr unter anderem auch auf der Gemarkung Renningen / Malmsheim statt. Die Übung wird von ca. 40 Soldaten und Soldatinnen ausgeführt, die hauptsächlich in ziviler Kleidung und mit zivilen Fahrzeugen (ohne Y-Kennzeichen) unterwegs sein werden. Es kann zu Schießübungen und kleineren Sprengungen kommen. Die Bevölkerung wird um Verständnis gebeten.“

Nun habe aber, so die Stuttgarter Zeitung, die Bundeswehr mitgeteilt, dass „[g]eplante Schießübungen und kleinere Sprengungen …. ausschließlich an entsprechend geeigneten, nicht öffentlich zugänglichen Orten statt[finden]“ würden. Es handle sich „um eine regelmäßige Ausbildung der Bundeswehr“. Weiter zitiert die Zeitung einen Sprecher des baden-württembergischen Landeskommandos der Bundeswehr mit den Worten: „Es ist in diesem speziellen Aufklärungsszenario durchaus üblich, dass Soldatinnen und Soldaten hierbei zeitweise auch in ziviler Kleidung und in Fahrzeugen ohne Bundeswehrkennung agieren, um verdeckt Aufklärungsergebnisse erzielen zu können.“ Weiter geht es in indirektem Zitat: „Ziel der Übung sei also unter anderem, dass sich die Soldaten in einem Verteidigungsfall auch im zivilen Umfeld unerkannt bewegen können.“ Deshalb wolle die Bundeswehr auch keine genaueren Angaben zu Orten und Zeiten machen – „schließlich gehe es ja darum, dass die Soldaten unerkannt bleiben.“

Dass die Bundeswehr so offen entsprechende Übungen als „durchaus üblich“ erklärt und die regionale Zeitung deren Beschwichtigungen („Die Bevölkerung ist natürlich nicht gefährdet“, „Die Bürgerinnen und Bürger der Region brauchen sich hierüber keine Sorgen machen“) so unhinterfragt übernimmt, mag durchaus Ausdruck der „Zeitenwende“ sein. Schließlich verstößt das, was hier geübt wird, ziemlich wahrscheinlich gegen das Humanitäre Völkerrecht, umgangssprachlich gerne auch als „Kriegsrecht“ bezeichnet.

Dort wird eigentlich klipp und klar unter Artikel 37 des sehr relevanten Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 „das Vortäuschen eines zivilen oder Nichtkombattantenstatus“ als verbotene Heimtücke aufgeführt.

Natürlich bemühen sich seit dem (Militär-)Jurist*innen aller Länder, Ausnahmen zu formulieren und die gibt es nach herrschender Rechtsauffassung durchaus, wenn es z.B. um „Aufklärungsmissionen“ geht, weshalb vermutlich von der Bundeswehr explizit auf ein solches Szenario hingewiesen wird. Inwiefern Sprengungen und Schießübungen in einem solchen Szenario Platz haben sollten, erscheint dann wiederum fraglich, wenn auch winkeladvokatisch argumentierbar.

Relevanter noch dürfte Artikel 44 Absatz 3 desselben Protokolls sein:

„Um den Schutz der Zivilbevölkerung vor den Auswirkungen von Feindseligkeiten zu verstärken, sind die Kombattanten verpflichtet, sich von der Zivilbevölkerung zu unterscheiden, solange sie an einem Angriff oder an einer Kriegshandlung zur Vorbereitung eines Angriffs beteiligt sind.“

Er verweist auf die grundsätzliche Notwendigkeit, Kombattanten von der Zivilbevölkerung unterscheiden zu können, ohne die ein Schutz oder auch nur eine weitgehende Vermeidung von Opfern unter der Zivilbevölkerung – ein bzw. das zentrale Anliegen des „Kriegsrechts“ – schlicht undenkbar ist.

Wer offen zugibt oder suggeriert, dass entsprechende Übungen zur „regelmäßige[n] Ausbildung der Bundeswehr“ gehören, der signalisiert auch potentiellen Gegnern, dass sich hinter jedem Menschen in Zivilkleidung auch ein Soldat mit Waffe und Sprengstoff verbergen könnte – mit den absehbaren Konsequenzen im Verteidigungsfall.

Mit ziemlicher Sicherheit handelt es sich hier um eine Übung des Kommandos Spezialkräfte (KSK), das im nahegelegenen Calw stationiert ist und sich Teile des ehemaligen Flughafens Renningen-Malmsheim – wo nun Bosch ein „Entwicklungszentrum“ betreibt – ohnehin für gelegentliche Übungen reserviert hat. Zu dessen besonderen Fähigkeiten gehören das Operieren hinter feindlichen Linien und Einsätze jenseits einer offiziellen Kriegsbeteiligung Deutschlands.

Auch jenseits des (erklärten) Kriegsfalles haben solche Übungen natürlich Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, wenn Soldaten in zivil in nicht gekennzeichneten Fahrzeugen mit Waffen und Sprengstoff unterwegs sind. Sicherlich wird es Mechanismen geben, falls solche Fahrzeuge z.B. in eine Routinekontrolle der Polizei geraten. Einen latenten Ausnahmezustand stellen solche Mechanismen allemal dar. Und es sind vermutlich dieselben Mechanismen, die dazu führen, dass es gerade im KSK in der Vergangenheit zu großen und nicht nachvollzogenen Verlusten von Waffen und Munition kam – was angesichts der mehrfach aufgedeckten Nähe von Teilen des KSK zu (tw. bewaffneten) rechten Netzwerken umso beunruhigender ist.

Auch unabhängig davon gilt festzustellen: Der Schutz der Zivilbevölkerung ist mit Übungen in irregulärer Kriegführung – und mit der Existenz von Spezialkräften wie dem KSK im Allgemeinen – nicht vereinbar.