IMI-Analyse 2024/18 - in: Ausdruck März 2024

Operationsplan Deutschland

Polizei, THW, Feuerwehr, Kommunen und Unternehmen im Kriegsmodus

von: Alexander Kleiß | Veröffentlicht am: 13. März 2024

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„Wir sind zwar nicht im Krieg, wir sind aber auch schon lange nicht mehr im Frieden“, ließ der Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, Generalleutnant André Bodemann, im Oktober 2023 auf dem YouTube-Kanal der Bundeswehr verlauten.1 Deutschland werde jeden Tag in Form von Cyberangriffen, Desinformation, Ausspähung und durch Sabotageakte angegriffen und bedroht. Er begründet diese fragwürdige Analyse mit Verweis auf eine Sabotage bei der Deutschen Bahn im Oktober 2022 und die Sabotage der Nordstream-Pipelines. Deutschland müsse sich auf einen Krieg gegen Russland vorbereiten, da dieser in hybrider Form bereits begonnen habe. Dass die Verantwortung für die Sabotage der Nordstream-Pipelines bis heute gänzlich ungeklärt ist, spielt für ihn offenbar kaum eine Rolle. Auch die vermeintliche Sabotage der Deutschen Bahn stellte sich bereits Monate vorher – im Juli 2023 – als das Werk von Kupferdieben heraus.2

Dennoch zieht die Bundeswehr ihre eigenen Schlüsse daraus: „Um sich genau diesen Herausforderungen in Frieden, Krise, aber auch letztendlich im Krieg, zu widmen und zu wappnen, dafür erarbeiten wir […] derzeit den Operationsplan Deutschland“, so Bodemann weiter.3

Der genaue Inhalt dieses Dokuments ist streng geheim. Dennoch lässt sich bereits in groben Zügen erkennen, was der geheime Operationsplan beinhalten wird. Der Plan soll genaue Ausführungsabläufe für den Krisen- oder Kriegsfall beinhalten4 und lässt sich grob in zwei Teile untergliedern:

1. Deutsche Gesamtverteidigung:
Hier sollen neben der Bundeswehr u.a. auch die Polizeien (von Bund und Ländern), die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), die Feuerwehren, die Länder und Kommunen sowie mutmaßlich auch Geheimdienste beteiligt sein. Die Verantwortung hierfür soll laut dem zuständigen Generalleutnant Bodemann beim Bundesinnenministerium liegen. Die Bundeswehr sei für den militärischen Anteil der Gesamtverteidigung zuständig und fordert dafür ggf. zivile Unterstützung an. Ziel sei es, gemeinsam und koordiniert gegen Fake-News, Desinformation, Cyberangriffe, Ausspähung und Sabotage vorzugehen.5 Mehrere zentrale Akteure denken hier laut über eine Abschwächung oder Umgehung der föderalen Bundesstruktur der BRD nach, um militärisch effektiver vorgehen zu können.6 Der Föderalismus wurde nach dem Nationalsozialismus eingeführt, um zu verhindern, dass einzelne staatliche Strukturen (z.B. das Militär) zu viel Macht auf sich zentrieren.

2. NATO-Komponente:
In diesem Bereich geht es um die Sicherstellung des Aufmarsches der NATO-Streitkräfte über Deutschland in Richtung Russland. Im Militärjargon wird diese Aufgabe „Host Nation Support“ (Unterstützung durch die Gastgebernation) genannt. Die Bundeswehr betont bereits seit mehreren Jahren die zentrale Rolle Deutschlands als militärische „Drehscheibe“ für die Verlegung von NATO-Truppen nach Osteuropa. Konkret beinhaltet der Host Nation Support die Sicherung der Verlegungsrouten sowie die Betankung, Versorgung und Unterbringung verbündeter Streitkräfte. Dafür soll die Bundeswehr auch mit Privatunternehmen zusammenarbeiten.7

Fließende Übergänge

Die Übergänge zwischen beiden Bereichen sind teilweise fließend. Manche Aufgaben wie z.B. die Bekämpfung von Ausspähung, Sabotage und Cyberangriffen betreffen im Grunde beide Bereiche. Geplant ist auch die Stationierung von Soldat*innen an allen wichtigen Straßen, Häfen, Bahnhöfen und sonstiger kritischer Infrastruktur, z.B. im Bereich der Energieversorgung. Auch hier werden bereits Kontakte zu den betreffenden Unternehmen geknüpft.

Generalleutnant Bodemann erklärte außerdem, dass das Territoriale Führungskommando derzeit am Aufbau einer neuen Operationszentrale arbeitet, die für die zivil-militärische Komponente der Landes- und Bündnisverteidigung zuständig sein soll. Eine ähnliche Einrichtung gibt es bereits für den Bereich der Amts- und Katastrophenhilfe.8 Wo die neue Zentrale angesiedelt sein wird, ist bislang noch unklar, ebenso mögliche Überschneidungen mit dem Joint Support and Enabling Command (JSEC) in Ulm, das für die schnelle Verlegung von Truppen innerhalb des gesamten NATO-Gebiets zuständig ist.

Weitere Maßnahmen, die mit dem Operationsplan Deutschland in Verbindung gebracht werden, sind die Einführung eines Freiwilligendienstes für Bürger*innen und die vermehrte Einrichtung von Schutzräumen.9

Zeitplan:

Das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr richtete am 25. Januar 2024 das Symposium „Deutschland.Gemeinsam.Verteidigen“ zum Operationsplan Deutschland in Berlin aus. An der Veranstaltung nahmen 300 Vertreter*innen von Landesregierungen, Sicherheitsbehörden, Bevölkerungsschutzbehörden und Wirtschaft teil.10 Die Anregungen aus dem Symposium sollen nun in den Operationsplan übernommen werden. Im März soll die erste Fassung des Dokuments fertig sein. Anschließend soll es laufend aktualisiert und angepasst werden.

Fazit: Krisenzustand?!

Beunruhigend ist, dass im Zusammenhang mit dem Operationsplan Deutschland immer wieder die Rede von einem (bereits eingetretenen) Krisenzustand zwischen Krieg und Frieden ist, der von hybrider Kriegsführung geprägt sei.11 Inwiefern der Operationsplan auch in diesem Fall greifen soll, bleibt intransparent. Im Bericht der Bundeswehr über das Symposium heißt es z.B., „hybriden Bedrohungen könne wirksam nur gemeinsam begegnet werden – gegebenenfalls bereits vor Eintritt eines Spannungs- oder Verteidigungsfalls.“12 Der sächsische Innenminister Armin Schuster betont, der Grundsatz „Der Krieg gehört dem Bund, der Frieden den Ländern“ sei überholt. Inwiefern die Bundeswehr Grundgesetzänderungen hinsichtlich der föderalen Struktur oder der rechtlichen Verankerung eines Spannungs- oder Krisenfalls (unterhalb der Stufe des Spannungs- und Konfliktfalls) anstrebt, bleibt zu beobachten.

Ein Ziel des Operationsplans scheint es auch zu sein, die alarmistischen Bedrohungsanalysen der Bundeswehr in andere staatliche Institutionen und den Rest der Gesellschaft zu tragen. Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert formulierte das zum Ende des Symposiums so: „Sie werden als Multiplikatoren fungieren und dazu beitragen, dass sich das gesamtgesellschaftliche Bewusstsein für die gewandelte sicherheitspolitische Realität weiter erhöht.“13 Etwas klarer äußert sich dazu die Ministerialdirigentin des Bundesinnenministeriums Jessica Däbritz: „Deutschland muss unverkrampfter etwa über Krieg sprechen.“14
Völlig unverkrampft werden im Rahmen des Operationsplans Deutschland verfassungsrechtliche Grundsätze und Lehren aus der NS-Zeit wie die föderale Struktur der BRD oder das Trennungsgebot zwischen Militär, Polizei und Geheimdiensten kritisiert und deren Aufweichung gefordert.

Anmerkungen:

1    YouTube.de: Nachgefragt: Das Kommando zum Schutz Deutschlands / Bundeswehr. 27.10.2023.

2     Tagesschau.de: Michael Götschenberg, Holger Schmidt: Bahnchaos im Oktober. Keine Sabotage, sondern Gier. 28.7.2023.

3     YouTube.de: Nachgefragt: Das Kommando zum Schutz Deutschlands / Bundeswehr. 27.10.2023.

4     Ebd.

5     Ebd.

6     Deutscher Bundeswehrverband: Katja Gersemann: Bundeswehr stellt Grundzüge des Operationsplans Deutschland vor. 30.1.2024; Spiegel.de: Vernetzung mit Sicherheitsbehörden Bundeswehr stellt »Operationsplan Deutschland« vor. 25.1.2024.

7     Ebd.; YouTube.de: FURCHT VOR RUSSLAND: Operationsplan! Boris Pistorius will Deutschland kriegstüchtig machen. 27.1.2024.

8     Ebd.

9     Ebd.

10    Bundeswehr.de: Michael Wils-Kudiabor: Symposium: Deutschland.Gemeinsam.Verteidigen. 26.1.2024.

11    YouTube.de: Nachgefragt: Das Kommando zum Schutz Deutschlands / Bundeswehr. 27.10.2023.

12    Bundeswehr.de: Symposium: Deutschland.Gemeinsam.Verteidigen. 26.1.2024.

13   Deutscher Bundeswehrverband: Katja Gersemann: Bundeswehr stellt Grundzüge des Operationsplans Deutschland vor. 30.1.2024.

14    Deutscher Feuerwehrverband: TFK-Symposium zum Operationsplan Deutschland. 26.1.2024.