IMI-Standpunkt 2023/017

Forderung nach einem Friedenssteuergesetz

Zum vierzigjährigen Bestehen des Netzwerk Friedenssteuer e.V.

von: Gertie Brammer | Veröffentlicht am: 10. Mai 2023

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„Noch niemals hat mich auf der Straße jemand aufgefordert, für Kernwaffen Geld zu spenden. Offenbar deshalb, weil die Regierungen für Waffen stets genug Geld zur Verfügung haben. Aber unzählige Male haben mich Menschen mit Sammelbüchsen um eine Spende für Arme, Kranke, Alte und Kinder gebeten. Es mag der Fantasie jedes Einzelnen überlassen bleiben, sich auf diese Ungereimtheiten einen Vers zu machen.“ Das schrieb Peter Ustinov (1921-2004).

Steuern sind keine Spenden, wir geben sie nicht freiwillig ab. Wenn wir keine Selbstständigen sind, werden sie uns vorsichtshalber abgenommen, bevor wir es uns anders überlegen können. Wie viel der Staat uns für (Kern-)Waffen abluchst und wie – das ist schon gediegen organisiert. Die Finanzämter brauchen sich keinen Kopf machen. Es sei denn, Selbstständige kommen zu dem Schluss, dass der Steueranteil für Waffen ihnen zu schwer im Magen liegt. Da hat schon mancher diesen Anteil zurückgehalten und auf ein Anderkonto eingezahlt, worüber weder das Finanzamt noch er selber verfügen konnte. Ganz gewiefte Selbstständige haben sogar über Jahre hinweg die vollständigen Steuern verweigert, weil: wenn man nur diesen Waffenteil zurückhält, würde aus dem Rest doch wieder prozentual die Kriegskasse bedient. Und alle zivilen Zwecke bekämen weniger, was nicht beabsichtigt wurde.

Natürlich holte der Gerichtsvollzieher sich die fälligen Beträge dann – meist respektvoll – aus der Betriebskasse, wobei er den angebotenen Kaffee berufsbedingt ausschlagen musste.
Dabei hätten die Finanzämter einen Spielraum, den Kriegssteuerverweigerern entgegenzukommen. Sie dürfen die Gewissensbissen als ‚unbillige‘ oder ‚erhebliche‘ Härte anerkennen. Doch als solche Härte wird nur eine schlechte Finanzlage akzeptiert. Geldminus ist härter als Gewissensplus… Und die Karriere des Dienstleiters könnte darunter leiden, wie der im Landkreis Lüchow-Dannenberg uns ehrlich eröffnete.

Wahlmöglichkeit bei der Einkommenssteuer

Das Netzwerk Friedenssteuer e.V. wird dieses Jahr 40 Jahre alt (…ja, danke sehr! Aber lieber wären wir als Verein längst überflüssig…) und hat all diese Zeit versucht, eine mehr demokratische Steuerregelung politisch durchzusetzen. Das Ziel: Alle Steuerzahlenden können den Anteil ihrer Steuern, der für Rüstung und Militär ausgegeben wird, abwählen, um ihn in Steuern für zivile Zwecke umzuwidmen. Das könnte praktisch einfach umgesetzt werden, indem auf dem Einkommenssteuerformular zwei Kästchen eingeführt werden, wo hinter A) steht: „Nur für zivile Zwecke verwendbar“ und hinter B): „Auch für Militär verwendbar“. Wer weiterhin Militär will, kann das dann ebenfalls demokratisch wählen. Wir wollen niemandem etwas überstülpen!
Es geht uns nicht darum, weniger Steuern zu zahlen. Es geht uns nicht darum, bestimmen zu wollen, wofür dieser Anteil genau ausgegeben wird – es geht uns nur darum, dass unsere Steuern für alle zivilen Zwecke, die im Bundeshaushaltsplan stehen, verwendet werden, nur nicht für Waffen und Militär.
Lobbyarbeit bei den Abgeordneten des Bundestags und – hilfsweise – 90 Steuerverweigerungs-Prozesse vor Finanzgerichten waren nicht von Erfolg gekrönt. Verschiedene Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht wurden als „offensichtlich unbegründet“ nicht zur Behandlung angenommen. Es braucht wohl erst strukturelle Änderungen ‚oben‘, damit es auch welche in den Finanzämtern geben kann.

Chance durch den Ukraine-Krieg?

Nun ist der Krieg uns nähergekommen. Er hat eine lange Vorgeschichte, die in Politik und Medien gerne ausgeblendet wird. Und wer denkt jetzt noch an alle anderen Kriege in der Welt, die zum Teil auch schon lang andauern und für die Betroffenen genau so grausam sind?
Vielleicht bietet genau diese dunkle Zeit, wo aber doch ein großer Teil der Bevölkerung den Krieg ablehnt, ein Zeitfenster, besser gehört zu werden. ‚Unten‘, durch eine Petition. Und bei genügend Unterschriften dann auch ‚oben‘, im Petitionsausschuss des Bundestags.
Wir beziehen uns, wie immer, auf Art.4 GG (Gewissensfreiheit). Wir wollen, um mit der DFG-VK zu sprechen, deren Mitglied wir sind und welche die Petition unterstützt, „dem Militär die Mittel entziehen“. Weil Waffen und Militär das Problem und nicht die Lösung sind. Auch ca. 30 weitere Organisationen unterstützen uns, z.B. BSV, Connection, IPPNW, Versöhnungsbund und Sicherheit neu denken. Und viele örtliche Friedensgruppen, sowie Mennoniten und Quäker.

Wir wollen endlich das Recht bekommen, mit unseren Steuern keine Kriegsverbrechen zu begehen. Wir brauchen 50.000 Unterschriften, damit der Petitionsausschuss sich mit unserer Forderung beschäftigen muss. Den Petitionstext finden Sie hier: https://openpetition.de/!gfcxq.

PS: Vor Kurzem sah ich bei einer Demonstration zwei Transparente: „Wir zahlen nicht für eure Kriege!“ und „Bundeswehr abschaffen!“. Schön – aber leider zahlen wir jeden Tag. Wann hört das auf?