Der langjährige Präsident und Potentat des Tschad, Idriss Déby, ist tot. Das Militär gab am Dienstag, den 20. April 2021, bekannt, dass Déby seinen Verletzungen erlegen sei, die er sich zuvor im Norden des Landes „an vorderster Front“ im Kampf gegen Rebellen zugezogen hätte. Unmittelbar teilte das Militär mit, dass der Sohn des bisherigen Machthabers für eine Übergangsphase von 18 Monaten die Amtsgeschäfte übernehmen werde. Nach der Verfassung des Landes sollte in einem solchen Fall eigentlich der Präsident des Parlaments diese Rolle für einen deutlich kürzeren Zeitraum übernehmen, bevor Neuwahlen stattfinden. Doch das Parlament wurde durch die Militärführung aufgelöst, die Grenzen wurden geschlossen und eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.
Unklar ist, warum der Präsident überhaupt „an vorderster Front“ war und nicht in der Hauptstadt seinen Wahlsieg feierte, der unmittelbar zuvor verkündet worden war. Zwar hatte der Langzeit-Potentat immer wieder seine Rolle auch als militärischer Führer spektakulär unter Beweis zu stellen versucht, dass er jedoch inmitten der von ihm geführten Armee lebensgefährlich verletzt werden konnte, wirft – gerade in Verbindung mit der prompt anschließenden Machtübernahme der Militärführung – gewisse Fragen auf.
Wenige Stunden nach der Bekanntgabe dieser Machtübernahme ist auch die Nachrichtenlage über die Kräfteverhältnisse zwischen Armee und Rebellen unübersichtlich und widersprüchlich. Dabei fallen große Unterschiede zwischen anglophoner und francophoner Berichterstattung auf, die sich bereits in den letzten Tagen zeigten. Die anglophone Berichterstattung wird v.a. von der Nachricht dominiert, dass die USA und Großbritannien bereits am Wochenende bekannt gegeben hätten, dass die Rebellen auf die Hauptstadt vorrücken würden, und ihren Staatsbürgern und Teilen des Botschaftspersonals die Ausreise empfohlen hätten. Die francophone Berichterstattung hingegen orientiert sich an den Meldungen des tschadischen Militärs, wonach die Rebellen am Wochenende fern der Hauptstadt vernichtend geschlagen worden wären. Selbst nach dem Tod des Präsidenten äußerte sich die französische Botschaft sehr zurückhaltend: Sie kondolierte dem tschadischen Volk zu dessen Verlust, beschrieb die Lage in der Hauptstadt als „ruhig“ und gab lediglich bekannt, dass die französische Schule dort vorzeitig die Ferien einläute, also mit sofortiger Wirkung schließe. Auf nicht dringend notwendige Reisen außerhalb der Hauptstadt sollte verzichtet werden.
Unklar ist auch, ob und wie das in Tschad stationierte französische Militär eingegriffen hat bzw. warum es diesmal nicht eingegriffen hat. Auf dem Flughafen in N’djamena hat Frankreich u.a. Kampfflugzeuge stationiert, die von hier aus im Rahmen der Operation Barkhane in den sog. G5-Sahel-Staaten (Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad) operieren. Sowohl die USA, als auch Frankreich haben in der Region außerdem bewaffnete und unbewaffnete Aufklärungsdrohnen im Einsatz. In der Vergangenheit gab es im Tschad bereits öfter Vormärsche von Rebellen auf die Hauptstadt, die mithilfe der französischen Luftwaffe schnell zurückgeschlagen werden konnten. Auch das tschadische Militär selbst gilt auf dem ganzen Kontinent und darüber hinaus als erfahren und kampfstark. Es wurde und wird in großem Maßstab in Drittstaaten wie der Zentralafrikanischen Republik und Nigeria eingesetzt. Vor allem in Mali kämpft es nicht nur eng eingebunden in die frz. Barkhane-Mission, sondern ist es auch mit 1.400 Kräften an der UN-Mission MINUSMA beteiligt. Alleine im Rahmen dieser Mission sind bereits 68 malische Soldaten in Mali gefallen.
Auch wenn die Lage noch ziemlich unklar ist, kann man durchaus die These in den Raum werfen, dass Déby noch am Leben wäre, wenn er weiterhin Rückhalt in allen Teilen seiner Armee und von Frankreich hätte. Zu betrauern sind allerdings vielmehr die vielen Opfer seiner drei Jahrzehnte währenden Gewaltherrschaft. Ob von seinem Sohn, der wie sein Vater Militär ist und als solcher auch in Frankreich ausgebildet wurde, ein weniger gnadenloses Vorgehen gegen Opposition und Konkurrenten zu erwarten ist, steht eher zu bezweifeln. Die Macht im Tschad stützt sich auf das Militär und dieses verschlingt entsprechend große Teile der Öleinnahmen – während die Bevölkerung in großer Armut lebt.