IMI-Standpunkt 2020/062
„Lockdown für Rüstung und Krieg“
Rede zum bundesweiten Aktionstag „Abrüsten statt Aufrüsten!“, Stuttgart, 5. Dezember 2020
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 5. Dezember 2020
Liebe Freundinnen und Freunde,
ich finde es unheimlich wichtig, dass wir trotz der Rahmenbedingungen heute hier unseren Protest gegen die seit Jahren durch die Decke schießenden Rüstungsausgaben zum Ausdruck bringen.
Denn während das soziale Leben weitgehend eingefroren wurde, geht der Rüstungswahnsinn ungebremst weiter – ja er verschärft sich sogar.
Was mich maßlos ärgert ist in diesem Zusammenhang eine Falschmeldung, die seit Jahren die Runde macht: Es ist die Falschmeldung von einer angeblich kaputtgesparten Bundeswehr. Sie wird nicht nur von Politik und Militär, sondern eben auch von den Medien gebetsmühlenartig munter verbreitet.
Allein die nackten Zahlen geben das nicht her: Im Jahr 2000 belief sich der Rüstungshaushalt noch auf 24,3 Mrd. Euro. Bereits bis 2014 stieg er auf 32,5 Mrd. Euro an, nur um danach dann richtig durch die Decke zu gehen: 38,5 Mrd. Euro waren es 2018 und in diesem Jahr kletterten die Militärausgaben auf 45,1 Mrd. Euro.
Trotz dieses rasanten Anstieges, soll nächste Woche im Bundestag noch einmal draufgesattelt werden: Für den Haushalt für 2021 sind 46,93 Mrd. Euro vorgesehen!
Wir haben es also nahezu mit einer Verdopplung des Rüstungshaushalts innerhalb der letzten 20 Jahre zu tun – selbst inflationsbereinigt stieg er um über 40 Prozent!
Liebe Freundinnen und Freunde,
von einer kaputtgesparten Bundeswehr kann also keine Rede sein – das Gegenteil ist der Fall!
Von den knapp 47 Mrd. Euro, die das Militärbudget im kommenden Jahr umfassen soll, werden wohl 1,2 Mrd. aus dem Corona-Hilfspaket der Bundesregierung stammen.
Bis 2024 sollen Bundeswehr und Rüstungsindustrie sogar insgesamt 3,73 Mrd. Euro Coronahilfen zugeschanzt werden.
Liebe Freundinnen und Freunde,
pandemiebedingt braucht es gerade Vieles, aber Gelder für die Rüstung gehören ganz bestimmt nicht dazu!
Und das ist sogar nur die Spitze des Eisbergs. In Wahrheit sind die deutschen Rüstungsausgaben deutlich höher als die offiziellen Zahlen. Gegenüber der NATO wurden für 2020 zum Beispiel Zahlen gemeldet, die 6,5 Mrd. Euro über dem offiziellen Haushalt liegen und in anderen Budgets versteckt werden.
Kommendes Jahr werden auch noch die deutschen Anteile für die geplanten EU-Rüstungstöpfe von etwa 1 Mrd. Euro jährlich hinzukommen, die nicht etwa dem Verteidigungshaushalt, sondern dem Allgemeinen Haushalt entnommen werden sollen.
Über diese EU-Töpfe sollen vor allem große europaweite Rüstungsprojekte finanziert werden: Zum Beispiel die waffenfähige Eurodrohne (erst diese Woche kam im Übrigen heraus, dass über eine Bewaffnung der als „Brückenlösung“ gedachten Heron TP noch in diesem Jahr entschieden werden soll). Noch voluminöser soll der geplante deutsch-französische Kampfpanzer mit einem Gesamtumfang von bis zu 100 Mrd. Euro werden. Und das wird noch durch den Plan getoppt, ein deutsch-französisch-spanisches Kampfflugzeug zu entwickeln, das ein Gesamtvolumen von bis zu 500 Mrd. Euro umfassen könnte.
Liebe Freundinnen und Freunde,
am 17. November hielt Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eine Grundsatzrede, in der sie betonte, zur Finanzierung der Rüstungsgroßprojekte müssten die Militärausgaben – Corona hin oder her – auch in den kommenden Jahren weiter steigen.
Dass auch die Grünen als möglicher Koalitionspartner hier nicht abgeneigt wären, hat Parteichefin Annalena Baerbock kürzlich in einem Interview überdeutlich gemacht.
Kein Wunder also, das sich die Rüstungsindustrie kräftig die Hände reibt – und das, obwohl sie seit Jahren nur Schrott produziert. Selbst die bundeswehreigenen Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Rüstungsprojekte eine durchschnittliche Verspätung von 52 Monaten aufweisen und Kostensteigerungen von zusammen aktuell 12,8 Mrd. Euro zuwege gebracht haben.
Liebe Freundinnen und Freunde,
nicht dass ich hier falsch verstanden werde: Jeder Panzer, der nicht fährt, jedes Kampfflugzeug, das nicht fliegt und jedes Kriegsschiff, das im Hafen bleibt, ist mir lieber, als wenn das Zeug funktioniert.
Aber wir brauchen dieses Geld an anderen Stellen wirklich dringender als dafür, schlechte Witze über um die Ecke schießende Gewehre machen zu können.
Liebe Freundinnen und Freunde,
deshalb fordern wir: „Lockdown für die Rüstungsindustrie!“ – „Gesundheit und Entwicklung, statt Rüstung und Krieg!“