IMI-Standpunkt 2019/056

Rheinmetall und der menschenfeindliche Grenzschutz

von: Jacqueline Andres | Veröffentlicht am: 25. November 2019

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Die Produktpalette aus der Rüstungssparte (Rheinmetall Defence) ist breit angelegt. Verkauft wird alles: von Waffen, Munition, militärischen Rad- und Kettenfahrzeugen bis hin zu Aufklärungstechnologien, Trainingssystemen, Reizgasen und Pyrotechnik.

An 120 Standorten weltweit erwirtschafteten Rheinmetalls insgesamt fast 25.000 Mitarbeiter*innen im Jahr 2018 einen Umsatz von rund 6,1 Mrd. Euro – exportiert wird in etwa 140 Kundenländer auf allen Kontinenten. Während in der Vergangenheit die Automobilsparte des Konzerns profitabler war, ist es nun seit drei Jahren in Folge der Rüstungssektor. Tendenz steigend.

Neu im Sortiment ist der „Mission Master“, ein bewaffneter Drohnenpanzer, der auf einer Militärmesse in Polen auch mit Kamikazedrohnen des makaber benannten Typs „Warmate“ der polnischen WB Group ausgestattet wurde. Diese können als Drohnenschwarm eingesetzt werden. Sie dienen der Aufklärung und können sich nach der Zielerkennung selbst sprengen und damit zerstören. [1] Sollte der Mission Master, den Rheinmetall auch zur Aufklärung und Überwachung anpreist, mit Kameras ausgestattet werden, dürfte er auch für die Grenzüberwachung interessant werden. Tatsächlich finden sich einige Produkte bei Rheinmetall, die zum Grenzschutz bereits eingesetzt oder zumindest beworben werden.

Füchse und Marder

Auch wenn es im ersten Moment nicht unbedingt naheliegend erscheint, so zählen Panzer zu den Grenzschutzprodukten. Dies geschieht u.a. in Algerien und Jordanien. In Algerien gründete Rheinmetall (5%) gemeinsam mit dem algerischen Unternehmen zur Entwicklung der Autoindustrie (51%), welches dem Verteidigungsministerium untersteht, sowie dem Investmentfond „Aaber“ aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (24,5%) und Ferrostaal (19,5%) das Unternehmen „Rheinmetall Algerié“. Fast Tausend Fuchs 2 Radpanzer im Wert von 2,7 Milliarden Euro sollen zwischen 2011 und 2021 in Algerien montiert werden – die ersten Panzer wurden noch aus Kassel importiert, dann wurde 2014 mit der Errichtung einer eigenen Panzerfabrik, bzw. „Fertigungsstraße zur Montage“ begonnen. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage zu Rüstungsexporten nach Algerien, betonte die Bundesregierung im Jahr 2013, die „Fuchs-Radpanzer werden unter anderem zur Bekämpfung von Terrorismus und zur Sicherung von Grenzen eingesetzt“. [2]

Nach Angaben „Der Welt“ soll die Produktion im kommenden Jahr auf den Radpanzer Boxer ausgeweitet werden. [3] Auch in Jordanien setzt das Militär seit 2016 Panzer von Rheinmetall an den Grenzen ein. Geliefert wurden die fünfzig ehemals von der Bundeswehr genutzten und nun überholten Schützenpanzer „Marder“ im Rahmen der so genannten „Ertüchtigungsinitiative“ von der Bundesregierung – als Unterstützung beim Aufbau des Sicherheitssektors und zum Grenzschutz Jordaniens. Bereits im Juni 2016 erklärte die jordanische Regierung die nördliche Grenze zu Syrien als Militärzone und verweigert seither weiteren Geflüchteten die Einreise nach Jordanien. Der Kommandeur des jordanischen Grenzschutzes, General Barakat Aqeel, betonte noch im März 2017, die Grenzen seien für Flüchtlinge komplett dicht. [4] Im Niemandsland von Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze bildete sich ein Camp in Mitten der Wüste mit zeitweise mehr als 100.000 Geflüchteten – im Februar 2019 waren es noch rund 19.000. Erst Ende September 2019 sank die Zahl auf rund 380 Personen. [5] Der Einsatz der Marder-Panzer von Rheinmetall sicherte jahrelang die Grenzen vor den Geflüchteten aus Rukban, die dort unter menschenunwürdigen Bedingungen leben mussten. Vor der geschlossenen Grenze mussten auch immer wieder dringend benötigte Hilfslieferungen nach Rukban Halt machen. Auf die genannten Panzer könnte theoretisch noch der Fieldranger 20 angebracht werden. Diese „hoch präzise, stabilisierte 20mm Waffenstation zur Verwendung auf gepanzerten Mannschaftstransportfahrzeugen oder Fahrzeugen von Spezialkräften […] kann auch auf fixen Installationen zum Schutz der Infrastruktur oder für den Grenzschutz verwendet werden. [6]

Ob dieses Waffensystem tatsächlich von Grenzschutzeinheiten Verwendung findet, bleibt zunächst unklar. Auch bei weiteren Produkten Rheinmetalls bleibt die Frage offen, ob Grenzschutzeinheiten diese tatsächlich nutzen oder ob der aktuelle run auf Grenzüberwachungstechnologien es für Unternehmen attraktiv macht, die Eignung ihrer militärischen Produkte zur Grenzkontrolle zu betonen. Oder vielleicht erleichtert es den Export und den Import, wenn die Produkte zum so genannten zivilen Grenzschutz benutzt werden?

Sensoren und Aufklärungstechnologien

In einer Pressemitteilung im Jahr 2013 zur Gründung der Unterdivision Electro-Optics verkündete Rheinmetall Nachtsichtgeräte entwickelt zu haben (Nachtsichtbrillen GN sowie das Nachtsichtzielgerät KN 200/250), die „besonders gut zur Grenzkontrolle und für Sicherheitsoperationen geeignet seien.“ [7]

Um die Sehfähigkeit bei Nacht zu stärken, warb Rheinmetall im gleichen Jahr mit dem Stabilized Illumination Device (SID – Stabilisierte Beleuchtungsvorrichtung), die für die Campsicherheit oder den Grenzschutz geeignet sei. Erhältlich ist diese Beleuchtungsvorrichtung als sichtbarer oder Infrarotlicht-Feldbeleuchtung, die das ganze Jahr „bei allen Wetterbedingungen“ standhält. [8]

Was bei der Grenzüberwachung nicht fehlen darf, sind die Wärmebildkameras, die es den Grenzschutzeinheiten bei allen Wetterlagen erlauben, die Wärmestrahlung mittels Infrarot von Körpern zu sehen. Von Rheinmetall werden solche Wärmebildkameras u.a. in dem Fernüberwachungs-, Beobachtungs- und Aufklärungssystem VINGTAQS 2 installiert, welches u.a. zur Grenzüberwachung beworben wird. Mit diesem Multisensorensystem, welches entweder auf einem Masten, auf einem Fahrzeug oder auf einem Tripod installiert und aus der Ferne bedient werden kann, behauptet Rheinmetall, könne u.a. dank der guten Videoaufnahme- und Streamingqualität, sowie der guten optischen und Radar-Bildgebungssyteme Informationsüberlegenheit erlangt werden. [9]

Rheinmetall zählte laut der im Jahr 2018 erschienen Studie „Expanding the Fortress“ von Mark Akkermann zu den größten Profiteuren der Externalisierung der EUropäischen Außengrenzen. [10] Damit ist Rheinmetall auch als Ort des Protests gegen den menschenfeindlichen Grenzschutz, der entlang der inneren, äußeren und den vorverlagerten Grenzen der EU betrieben wird, sehr geeignet.

Anmerkungen

[1] Matthias Monroy: Rheinmetall zeigt Drohnenpanzer mit Kamikazedrohne, netzpolitik.org, 7.9.2019

[2] Drucksache 17/12802, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan van Aken, Andrej Hunko, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Rüstungsexporte nach Algerien – Kooperation, Finanzierung und Waffenausfuhrkontrolle, dip21.bundestag.de, 19.3.2013

[3] Gerhard Hegmann: Deutsche Panzerproduktion in Algerien soll ausgeweitet werden, welt.de, 12.5.2019

[4] Leilah Azzeh: Army rises to Rakban camp challenge, security threats. jordantimes.com, 16.3.2017

[5] Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten: Syrian Arab Republic, RUKBAN Humanitarian Update, reliefweb.int, 25.9.2019

[6] Rheinmetall: Turmsysteme und Waffenstationen, rheinmetall-defence.com

[7] Rheinmetall: Optimum effectiveness and comprehensive protection, Pressemitteilung, rheinmetall-defence.com, 10.4.2012

[8] Rheinmetall: Reliable weapon systems and pyrotechnics for infantry, dismounted troops and special operation forces, rheinmetall-defence.com, 10.9.2013

[9] Rheinmetall: VINGTAQ2, rheinmetall-defence.com,

[10] Mark Akkermann: Expanding the fortress, tni.org, 11.5.2018