IMI-Analyse 2019/32
Die Bewaffnung des Weltalls
Französische Ankündigungen und deutsche Überlegungen
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 8. Oktober 2019
Die kommerzielle wie auch militärische Bedeutung des Alls nimmt kontinuierlich zu.[1] Aus diesem Grund haben die USA bereits vor einiger Zeit vorgelegt, indem Präsident Donald Trump die Aufstellung eines Weltraumkommandos angekündigt hatte. Das wollte sein französisches Pendant Emmanuel Macron wohl nicht auf sich sitzen lassen und zog Mitte Juli 2019 nach (siehe Ausdruck August 2019). Nur wenig später ging die französische Verteidigungsministerin Florence Parly noch einen Schritt weiter, indem sie vermeldete, Frankreich werde als erstes europäisches Land Waffen im Weltraum platzieren.
Zu allem Überfluss richtete sich Parly dabei außerdem auch noch ganz offensiv an Deutschland, indem sie dazu aufforderte, sich in das Waffenprogramm einzuklinken, während russisch-chinesische Versuche, einen Vertrag zur friedlichen Nutzung des Weltalls auf den Weg zu bringen, gleichzeitig seit Jahren links liegen gelassen werden. Einen „lebendigen“ Eindruck von der generellen Stoßrichtung der Parly-Rede vermitteln die Passagen, mit denen sie ihre Ausführungen abschloss: „Wir sind eine einzige Mannschaft. Die Weltraummannschaft von Frankreich. Wir glauben an Frankreich, die dritte Weltraummacht. Wir waren ein Teil der Pioniere. Und wir werden die Avantgarde sein. Lang lebe die Luft- und Weltraumarmee!“[2]
Bewaffnung oder Militarisierung?
Sowohl wirtschaftliche als auch militärisch: Ohne den Weltraum geht heutzutage fast nichts mehr. Die strategische Bedeutung dieser Domäne wurde in der jüngsten Ausgabe der „Österreichischen Militärischen Zeitschrift“ (ÖMZ) unter freiem Rückgriff auf den Geopolitik-Urahn Halford Mackinder mit den Worten zusammengefasst: „Der Weltraum ist schon jetzt zur Schlüsselregion im Wettlauf um die besten Informationen geworden. […] Wer den Weltraum beherrscht, beherrscht die Welt.“[3]
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zwischen der schon längst erfolgten Militarisierung und der Bewaffnung des Weltraums zu unterscheiden, die noch in den Kinderschuhen steckt. So warnte unlängst ein Papier der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP): „Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurde das All nur militarisiert: Das heißt Anlagen im Weltraum wurden für militärische Zwecke wie Aufklärung und Frühwarnung genutzt. Nun aber stehen wir an der Schwelle zur Bewaffnung, und das beinhaltet die Stationierung von Waffen im All, die gegen andere Anlagen oder womöglich gar Ziele auf der Erde vorgehen können.“[4]
Frankreich geht in die Offensive
Nicht nur die USA haben den Weltraum inzwischen zum fünften offiziellen Schlachtfeld – neben Land, Luft, Meer und Cyber – erklärt, sondern auch von der NATO wird erwartet, dass sie beim Gipfeltreffen im Dezember 2019 nachzieht.[5] Vor diesem Hintergrund kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli wie erwähnt an, der Weltraum sei ein „neuer Bereich der Konfrontation“, weshalb sein Land schon im September ebenfalls ein Weltraumkommando ins Leben rufen werde.[6]
Wenige Tage nach Macrons Rede wurde ein weiterer entscheidender Schritt getan. Denn bei der Vorstellung der „Stratégie spatiale de défense“ kündigte Verteidigungsministerin Florence Parly am 25. Juli 2019 den Bau von Weltraumwaffen an: „Heute militarisieren unsere Verbündeten und Gegner den Raum. […] Mit diesen neuen Überwachungsmöglichkeiten werden wir in der Lage sein, unsere aktive Verteidigung zu organisieren. […] Wir behalten uns Zeit und Ressourcen für die Reaktion vor: Dies kann die Verwendung von Leistungslasern beinhalten, die von unseren Satelliten oder von unseren Nanosatelliten-Patrouillen eingesetzt werden. […] Natürlich hat das alles seinen Preis. Um die budgetären Folgen dieser neuen Raumfahrtkapazitäten zu begrenzen, können wir auf sie zugreifen, indem wir entweder Dienstleistungen von vertrauenswürdigen Betreibern beziehen oder unsere Ressourcen mit unseren europäischen Partnern bündeln. Ich denke dabei insbesondere an Deutschland oder Italien. […] Während der Laufzeit dieses Programms stellt dieser Aufwand weitere 700 Mio. Euro dar, zusätzlich zu den bereits geplanten 3,6 Mrd. Euro für die vollständige Erneuerung unserer Satellitenkapazität.“[7]
Vor allem zwei Dinge sind an Parlys Rede bemerkenswert: Einmal vollzieht Frankreich damit als erster europäischer Staat endgültig den besagten Schritt von der Militarisierung zur Bewaffnung des Weltraums; und zweitens fordert es die europäischen Verbündeten recht unverblümt dazu auf, sich mit einzuklinken.
Deutschland: Auch dabei?
Schon im Weißbuch der Bundeswehr aus dem Jahr 2016 wurde die Bedeutung des Weltraums betont: „Auch Weltraumsicherheit entwickelt sich für die Staatengemeinschaft zu einem zentralen Faktor.“[8] Nun deckt der Begriff „Weltraumsicherheit“ aber potenziell ein weites Feld ab, das von der Überwachung von Weltraumschrott bis hin zu Star Wars ähnlichen Szenarien, wie sie Frankreich vorschweben, reichen kann.
Vor diesem Hintergrund Denken hierzulande Teile der „strategischen Gemeinschaft“ laut darüber nach, ob sich hier nicht für Deutschland eine Gelegenheit bietet, auf den fahrenden französischen Zug aufzuspringen und im Vorbeigehen die Europäische Union gleich auch noch mitzunehmen. Einer davon ist Christian Fischbach, Mitarbeiter der Bundeswehr-Beratungsfirma BwConsulting[9], der kurz nach der Ankündigung des französischen Präsidenten tweetete: „@EmmanuelMacron, wollen wir das zusammen machen? Passt zu EU und zur NATO. Wir haben auch schon was: Weltraumlagezentrum in Uedem. Vielleicht wollen wir das als #PESCO-Projekt machen? Oder als #FNC-Projekt. Dann können auch die USA mitmachen.“[10]
Deutschland forscht ohnehin schon länger an Laserwaffen, betreibt mit Frankreich zusammen die Satelliten-Aufklärungssysteme SAR-Lupe/HELIOS II[11] und ist der wichtigste Geldgeber für die militärisch hochgradig relevanten und milliardenschweren EU-Satellitenprojekte Galileo und Copernicus.[12] Zwar halten sich offizielle Stellen ob der französischen Weltraumavancen noch zurück – allerdings wird ganz offensichtlich auch hierzulande über die „Notwendigkeit“ einer Bewaffnung des Weltraums nachgedacht: „Über die Weltraumlage hinausgehende Gespräche zwischen der Luftwaffe und den französischen Luftstreitkräften zur Weltraumkooperation fanden nicht statt und sind nicht geplant“, antwortete das Weltraumlagezentrum auf eine Anfrage der Welt am Sonntag. Allerdings gelte auch: „Inwieweit die Abwehr von Bedrohungen für kritische Weltrauminfrastrukturen die Fähigkeit eines Wirkens im Weltraum erfordert, ist Gegenstand laufender Untersuchungen.“[13]
Ganz links liegen gelassen werden jedenfalls Versuche, vertraglich eine Bewaffnung des Weltraums zu unterbinden.
Weltraumrüstung außer Kontrolle
Leider wird der im Januar 1967 vereinbarte Weltraumvertrag wenig dazu beitragen können, ein neues Wettrüsten im All zu verhindern. Vielversprechender sind da schon die Versuche, einen Vertrag zur Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum (PAROS, „Prevention of an Arms Race in Outer Space“) auf den Weg zu bringen. Die Verhandlungen darum begannen schon lange davor, aber 2008 legten Russland und China der UN-Abrüstungskonferenz einen Vertragsentwurf vor, der unter anderem vorsah, dass alle Unterzeichner davon absehen Waffen im Orbit zu stationieren (siehe Ausdruck August 2019).
Davon wollten aber die westlichen Staaten nichts wissen. Gleichzeitig dient die Nicht-Existenz von Rüstungskontrollmaßnahmen im All wiederum als Legitimation für eigene Rüstungsbemühungen, wenn etwa der deutsche Oberst der Reserve, Dirk Freudenberg, schreibt, es sei eine doppelte Herangehensweise erforderlich: „wenn es für eine dem Grund nach friedensorientierte Außenpolitik […] darum geht, die Nutzung des Weltraums auf ausschließlich friedliche Zwecke zu beschränken und ein Verteidigungsressort […] die Situation im Auge haben muss, dass entsprechende Abkommen nicht greifen oder gar scheitern und dann aber auf Fähigkeiten zurückgreifen können muss, um für einen solchen Fall gerüstet zu sein.“[14]
Anmerkungen
[1] Einige Rahmendaten: „57 Staaten betreiben heute Satelliten, während elf Staaten mittels Trägersystemen den Weltraum erreichen können. Derzeit gibt es 1957 aktive Satelliten. Fast die Hälfte (849) wird von den USA betrieben. China verfügt über 284, die EU über 218 und Russland über 152 Satelliten. […] 20 bis 25 Prozent der Satelliten werden derzeit militärisch genutzt, wobei dies mit der wachsenden Zahl an Akteuren ebenfalls erheblich zunimmt.“ (Neuneck, Götz: Wettrüsten im All? Stand und Perspektiven der Weltraumbewaffnung, Bundeszentrale für politische Bildung, 12.07.2019).
[2] Madame Florence, Présentation de la stratégie spatiale de défense, Lyon, le 25 juillet 2019. Übersetzung mit https://www.deepl.com/Translator
[3] Freudenberg, Dirk: Weltraumgeopolitik – Sicherheitspolitische Aspekte eines (noch) wenig beachteten Forschungsfeldes, in: Österreichische Militärische Zeitschrift 4/2019, S. 473-477, S. 473 und 476.
[4] Schütz, Torben: Technology and Strategy: The Changing Security Environment in Space Demands New Diplomatic and Military Answers, DGAPkompakt, Nr. 14/Juli 2019, S. 1.
[5] Siehe zur USA und zur NATO Wagner, Jürgen: Iron Sky und die Militarisierung des Weltalls, Telepolis, 15.07.2019.
[6] Macron kündigt Aufbau eines militärischen Weltraumkommandos an, Die Welt, 13.07.2019.
[7] Parly 2019.
[8] Weißbuch zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr 2016, S. 50.
[9] Das Unternehmen beschreibt sich auf seiner Homepage selbst folgendermaßen: „Die BwConsulting ist das Beratungsunternehmen der Bundeswehr: Wir beraten die strategischen Projekte des Verteidigungsministeriums und sind damit treibende Kraft für die kontinuierliche Weiterentwicklung der gesamten Bundeswehr.“ (https://bwconsulting.jacando.com/de/de/job/j2rXCkuU)
[10] https://twitter.com/ChrFischbach/status/1150395757477945345
[11] Frankreich will Satelliten mit Laserwaffen – mit deutscher Hilfe, PCWelt, 26.07.2019.
[12] Ende 2019 sollen die letzten der insgesamt 30 Satelliten des Galileo-Systems in den Orbit verbracht worden sein. Für das System wurden allein zwischen 2014 und 2020 etwa 7 Milliarden Euro EU-Gelder bereitgestellt, es soll unter anderem militärisch nutzbare Aufklärungsdaten liefern und gilt damit als einer der wichtigsten Bestandteile der künftigen europäischen Militärpolitik. Im nächsten EU-Haushalt (2021 bis 2027) sind für Galileo und eine Reihe weiterer militärisch relevanter Weltraumvorhaben (EGNOS, Copernicus und GOVSATCOM) etwa 16 Mrd. Euro vorgesehen.
[13] Jungholt, Thorsten: Unbewaffnet in der Umlaufbahn, Welt am Sonntag, 18.08.2019.
[14] Freudenberg 2019, S. 476.