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Online-Zeitschrift „IMI-List“
Nummer 0507 ………. 21. Jahrgang …….. ISSN 1611-2563
Hrsg.:…… Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ……. https://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) Der Hinweis auf eine neue IMI-Studie: „Die PESCO der Großmächte: Die EU auf dem Weg zur Aufrüstungs- und Interventionsunion“;
2.) Eine IMI-Analyse zum Entwurf für einen neuen Traditionserlass der Bundeswehr.
1.) Studie „Die PESCO der Großmächte“
Vor nicht allzu langer Zeit hat die IMI die Broschüre „Kein Frieden mit der Europäischen Union“ veröffentlicht. Sie bietet u.E. einen guten Überblick über die wichtigsten aktuellen Entwicklungen im EU-Militärbereich.
Seither ist an neuen Entwicklungen vor allem die Aktivierung der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (PESCO) hinzugekommen. Insofern ist die soeben erschienene IMI-Studie „Die PESCO der Großmächte“ auch eine gute Ergänzung zu dem bereits veröffentlichten Material.
Wie immer können Broschüre und PESCO-Studie natürlich gratis von der IMI-Seite heruntergeladen werden.
Wir geben die EU-Broschüre (64S A4) und PESCO-Studie (12S A4) aber auch gerne in Print für zusammen 2,50 Euro (plus Porto) ab. Die PESCO-Studie allein kann in Print in 10er Packen zum Preis von 10 Euro (inkl. Porto) bezogen werden.
Bestellungen bitte an: imi@imi-online.de
IMI-Studie 2018/02
Die PESCO der Großmächte
Die EU auf dem Weg zur Aufrüstungs- und Interventionsunion
https://www.imi-online.de/download/IMI-Studie2018-2-PESCO.pdf
Florian Nesch (2. Februar 2018)
INHALTSVERZEICHNIS
- Einleitung
- Der Weg zu PESCO im Vertrag von Lissabon
- Die Debatte um die Aktivierung der PESCO
- Die Interessen hinter PESCO
4.1. Avantgarde statt Konsens
4.2. Aufrüstungsdruck
4.3. EU-subventionierter Rüstungsmarkt?
- Militärische PESCO-Projekte und beschleunigte Handlungsfähigkeit
- Europäisierung oder Oligopolisierung der Europäischen Verteidigung?
Ganze Studie zum download: https://www.imi-online.de/download/IMI-Studie2018-2-PESCO.pdf
Bereits die am 13. November 2017 formell bekundete Bereitschaft zahlreicher EU-Mitgliedsstaaten, an der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ – englisch abgekürzt PESCO – teilzunehmen, löste regelrechte Begeisterungsstürme unter anderem bei den daran beteiligten deutschen Verantwortlichen aus: „Heute ist ein großer Tag für Europa. Wir gründen heute die europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion“[1], kommentierte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Unterzeichnung der Notifizierungsurkunde zur PESCO. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel stimmte ebenfalls in die Lobeshymnen mit ein und bezeichnete die Notifizierung als „Meilenstein der europäischen Entwicklung.“[2] Und auch die Presse zeigte sich völlig von der Tragweite des auf den Weg gebrachten Vorhabens überzeugt, wenn etwa die Morgenpost schrieb: „Das Projekt nennt sich Pesco und könnte für das Militär der EU einmal so bedeutend werden, wie der Euro für die Wirtschaft.“[3]
Obgleich PESCO rechtlich bereits mit In-Kraft-Treten des Vertrags von Lissabon (EUV) im Dezember 2009 verankert worden war und sie als eines der wichtigsten Elemente zum Ausbau der EU-Militärkomponente gilt, wurde ihre Aktivierung lange blockiert. Die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen der letzten Jahre, wie die Wahl des US-Präsidenten Donald Trump, die zunehmenden Konflikte an den östlichen wie südlichen Grenzen und vor allem der bevorstehende Ausstieg Großbritanniens aus der EU bildeten nun aber den Nährboden für das schwindelerregende Tempo, mit dem seit einiger Zeit neue Vorhaben im Bereich der „Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ (GSVP) der EU durchgepeitscht werden. Unter anderem scheinen die europäischen Entscheidungsträger nun nach jahrelangem Feilschen am Ziel ihrer Träume angekommen zu sein, nachdem der formellen Meldung am 8. Dezember 2017 ein offizieller Ratsbeschluss zur Begründung der PESCO und drei Tage später dessen Unterzeichnung folgte.
Handlungsleitend ist dabei die im Juni 2016 verabschiedete EU-Globalstrategie (EUGS), die die Europäische Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2003 ersetzt. Sie legt dar, dass in einer instabilen Welt „Soft Power“ – also zivile Machtmittel – allein nicht mehr ausreichen würden. Aus diesem Grund müsse man „die Glaubwürdigkeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung verbessern“. Diese Glaubwürdigkeit, wie sie hier genannt wird, soll mit der gemeinsamen militärischen Aufrüstung EUropas und seiner Staaten gewährleistet werden und somit das militärische Handeln wieder in den Vordergrund rücken. In der EUGS heißt es hierzu: „Wir werden höhere Investitionen und Qualifikationen in allen Mitgliedsstaaten durch gemeinsame Forschung und Entwicklung, Ausbildung, Übungen und Beschaffungsprogramme fördern. [Hierfür] benötigen die Mitgliedsstaaten bei den militärischen Spitzenfähigkeiten alle wichtigen Ausrüstungen, um auf externe Krisen reagieren und die Sicherheit Europas aufrechterhalten zu können.“[4]
Diese Ziele definieren das Ambitionsniveau, das die Mitgliedsstaaten erreichen wollen und für das zivile und im Besonderen militärische Mittel gestellt werden müssen.[5] Um dies zu bewerkstelligen, seien höhere – und effizientere – Investitionen in den militärischen Bereich notwendig, wofür wiederum eine ehrgeizige PESCO vonnöten sei, wie unter anderem die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 22. und 23. Juni 2017 festhielten.[6]
Die am 11. Dezember 2017 auf der Ratssitzung – auf Grundlage des Vertrags von Lissabon – offiziell beschlossene PESCO soll hierfür vor allem militärische Fähigkeiten und Kapazitäten bündeln, den Bedarf im Verteidigungsbereich harmonisieren, einen gemeinsamen Rüstungsmarkt schaffen und demnach gemeinsame EU-Militärstrukturen aufbauen.[7] Militärische Kooperationsprojekte mehrerer Mitgliedsstaaten sollen künftig innerhalb der PESCO entwickelt und umgesetzt werden und damit offiziell unter dem Dach der EU erfolgen.
Ziel ist es, hierüber „militärische Spitzenfähigkeiten“ zu generieren und gleichzeitig ein militärisches Kerneuropa zu etablieren. Denn mit PESCO können Teile der EU-Militärpolitik per Mehrheitsentscheidung auf Kleingruppen ausgelagert werden, wodurch das bisher geltende Konsensprinzip einfach umgangen wird. Kleinere und mittlere EU-Länder drohen so Mitsprache- und Einflussrechte über substanzielle Teile der EU-Militärpolitik einzubüßen, da die Mitgliedsstaaten bindende (Rüstungs-)Verpflichtungen erfüllen müssen – z.B. die Erhöhung der Verteidigungshaushalte oder die Bereitstellung von Truppenverbänden –, um überhaupt an PESCO-Projekten teilnehmen zu dürfen. Wie im Folgenden dargestellt werden soll, wird hierüber ein immenser Aufrüstungsdruck erzeugt, während die Einführung qualifizierter Mehrheitsentscheidungen gleichzeitig Macht und Einfluss der EU-Großmächte weiter vergrößert. Darüber hinaus wurden mittlerweile bereits die ersten PESCO-Projekte auf den Weg gebracht, die den Verdacht erhärten, dass sich die EU hierüber einen erheblichen Schritt weiter in Richtung einer Aufrüstungs- und Interventionsunion begibt.
Ganze Studie zum download: https://www.imi-online.de/download/IMI-Studie2018-2-PESCO.pdf
Anmerkungen
[1] Spiegel Online: 23 EU-Staaten gründen Militärunion. 13.11.2017.
[2] Tagesspiegel: Ein Meilenstein dank Donald Trump. 13.11.2017.
[3] Morgenpost: Wie sich Europa für die Zukunft rüstet. 8.11.2018.
[4] Vgl. Gemeinsame Vision, gemeinsames Handeln: Ein stärkeres Europa. Eine Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, Brüssel, 28.6.2016. (S.38f.)
[5] Vgl. Council of the European Union: Council conclusions on implementing the EU Global Strategy in the area of Security and Defence. 14.11.2016.
[6] Vgl. Mitteilung des Europäischen Rates. 23.6.2017. (S.6)
[7] Vgl. Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich: Rat begründet die ständige strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) mit 25 teilnehmenden Mitgliedsstaaten. 11.12.2017.
2.) IMI-Analyse zum Entwurf für einen neuen Traditionserlass der Bundeswehr
IMI-Analyse 2018/01
Kontinuität oder Bruch?
Der Entwurf zu einem neuen Traditionserlass der Bundeswehr
Lucius Teidelbaum (2. Februar 2018)
Rechte in und außerhalb der Bundeswehr sind unzufrieden mit der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Beispielsweise klagt Philip Kraft in seinem Beitrag „Das Militärische im Modernen Staat“, der in den extrem rechten „Burschenschaftlichen Blättern“ 4/2017 erschien: „Die bundesdeutschen Streitkräfte mußten in diesem Jahr einiges durchmachen. Von Workshops zur sexuellen Vielfalt, großangelegten Kasernendurchsuchungen, die Ausbildung von Wochenendsoldaten im Schnelldurchlauf bis hin zur Erstellung eines Sex-Ratgebers mit dem Fokus auf unterschiedlichen Orientierungen, Identitäten und Lebensmodellen.“ (Seite 152) Der Burschenschafter und Referatsleiter in der Rechtsabteilung des Deutschen Bundeswehrverbandes fordert: „Es ist allerhöchste Zeit, daß Deutschland ein realistisches und respektvolles Verhältnis zu seinen Streitkräften erlangt.“ (Seite 154)
Es handelt sich um einen Streit zwischen zwei verschiedenen Linien. Einerseits der alte deutsche Militarismus, der Traditionen und Kontinuitäten bewahren will. Er wird auf parlamentarischer Ebene von der AfD und Teilen der Union und FDP vertreten. Auch innerhalb der Bundeswehr hat er seine AnhängerInnen.
Dagegen (re)präsentiert die Bundesverteidigungsministerin einen neuen deutschen Militarismus, der auch bereit ist alte, störende Zöpfe abzuschneiden. Ziel ist eine effektive, also kriegsfähige, moderne Bundeswehr, die möglichst frei ist von allen Skandalen. So ordnete sie etwa in Reaktion auf den Fall Franco A. ein Großreinemachen in den Kasernen an, in dessen Zug problematische Devotionalien entfernt wurden. Diese Säuberungsaktion wurde von rechten KritikerInnen als Bildersturm gesehen und es gab entsprechend empörte Kommentare.
Vor diesem Hintergrund wurde gleichzeitig mit den Kasernen-Beräumungen offenbar auch in Reaktion auf den Fall Franco A. eine Überarbeitung des Traditionserlasses der Bundeswehr von 1982 beschlossen, der seit einiger Zeit als Entwurf vorliegt.
Neuentwurf und auch Neuanfang?
Der im November 2017 vorgestellte Entwurf für einen neuen Traditionserlass ist mit knapp neun Seiten eher kurz gehalten. Von vielen Medien wurde er als Bruch mit allen deutschen Armeetraditionen interpretiert. So heißt es in dem Entwurf: „2.1 Die deutsche (Militär-)Geschichte ist geprägt von tiefen Zäsuren. Insbesondere aufgrund des folgeschweren Missbrauchs militärischer Macht, vor allem während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, gibt es keine ungebrochene deutsche Militärtradition.“
Zum Thema „Deutsche Streitkräfte bis 1945“ heißt es: „Bis zum Ende des Kaiserreichs waren deutsche Streitkräfte loyale Machtinstrumente ihrer feudalen Landesherren und stabilisierender Bestandteil einer vornehmlich kleinstaatlichen und dynastischen Ordnung. Sie leiteten daraus eine herausgehobene Stellung in Staat und Gesellschaft ab. […] In der Weimarer Republik gab es erstmals gesamtdeutsche Streitkräfte. Die Reichswehr legte ihren Eid auf die Verfassung ab, sicherte sich jedoch eine weit gehende innere Autonomie und blieb Zeit ihres Bestehens zu großen Teilen einem vor- und antidemokratischen Geist verhaftet. Der demokratisch verfassten Weimarer Republik blieb sie fremd und ein ‚Staat im Staate‘. Mit Wiedereinführung der Wehrpflicht 1935 ging aus der Reichswehr die Wehrmacht hervor. Ihr Eid unbedingten Gehorsams galt allein Adolf Hitler als ‚Führer‘ und ‚Oberstem Befehlshaber‘. Die Wehrmacht diente dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und war in dessen Verbrechen schuldhaft verstrickt, die in ihrem Ausmaß, in ihrem Schrecken und im Grad ihrer staatlichen Organisation einzigartig in der Geschichte sind.“
Spielräume für reaktionäre „Traditionspflege“
Trotz manch kritischer Absätze offenbart eine genauere Lektüre des Entwurfs, dass beileibe nicht alle Traditionslinien zu früheren deutschen Armeen gekappt werden. Zu den vordemokratischen deutschen Armeen heißt es zwar, wie bereits zitiert, diese seien „loyale Machtinstrumente ihrer feudalen Landesherren und stabilisierender Bestandteil einer vornehmlich kleinstaatlichen und dynastischen Ordnung“ gewesen. Aber: „Dessen ungeachtet entwickelten deutsche Streitkräfte zahlreiche fortschrittliche und richtungsweisende Verfahren, Strukturen und Prinzipien, etwa die moderne Stabsarbeit, das Führen mit Auftrag, das Führen von vorne oder das Generalstabswesen.“ Das kann man durchaus als positiven Bezug auf die preußische Militärtradition verstehen.
Außerdem werden wohl auch in Zukunft weiterhin einzelne Wehrmachtssoldaten als Vorbilder präsentiert werden: „Die Aufnahme einzelner Angehöriger der Wehrmacht in das Traditionsgut der Bundeswehr ist dagegen grundsätzlich möglich.“ Auch gilt laut Entwurf „das Eiserne Kreuz als nationales Hoheitszeichen und als Sinnbild für Tapferkeit, Freiheitsliebe und Ritterlichkeit“ und „das Lied vom guten Kameraden als letztem Abschiedsgruß und Herzstück jeder militärischen Trauerfeier.“ Sowohl das Eiserne Kreuz als auch das Lied vom guten Kameraden fanden auch im Nationalsozialismus starke Verwendung, auch wenn sie einer älteren Tradition entspringen.
Ein weiterer kritischer Blick offenbart zudem, dass offensichtlich auch darüber hinaus noch Spielräume gelassen werden. Die früher häufig anzutreffenden Patenschaften zwischen Bundeswehr-Einheiten und Veteranenverbänden werden – um Jahrzehnte verspätet –untersagt: „4.7 Traditionen von Verbänden ehemaliger deutscher Streitkräfte werden an Truppenteile und Dienststellen der Bundeswehr nicht verliehen. Fahnen und Standarten früherer deutscher Streitkräfte werden in der Bundeswehr nicht mitgeführt oder begleitet.“ Zudem heißt es auch: „Dienstliche Kontakte mit Nachfolgeorganisationen der ehemaligen Waffen-SS oder der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger sind untersagt.“
So positiv das klingen mag, hier werden in den neuen Traditionserlass nur die ergänzenden Verfügungen eingeschrieben, die nach diversen Skandalen bereits erlassen worden waren. Interessanterweise werden Veteranenorganisationen der Wehrmacht nicht benannt. Das dürfte kein Zufall sein. Zwar ist der Einfluss der Traditionsverbände der Wehrmacht stark zurückgegangen, doch noch immer existieren Kontakte zwischen ihnen und einzelnen Bundeswehr-Soldaten und -Einheiten. So organisieren sich beispielsweise bis heute im „Kameradenkreis der Gebirgstruppe“ sowohl ehemalige Gebirgsjäger der Wehrmacht und Waffen-SS, als auch der Bundeswehr. Außerdem wird auch zu den aktiven Gebirgsjägern, etwa am Standort Mittenwald, Kontakt gehalten. Beispielsweise heißt es im Verbandsblatt „Die Gebirgstruppe“ 2/2016 über die Feier des Veteranenverbandes auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald in Bayern: „Die Brendtenfeier an einem Wochentag und als ein Teil des ‚Tages der Gebirgssoldaten‘. Das Konzept ist aufgegangen: Obwohl das Wetter überhaupt nicht mitspielte, der Salzburger Schnürlregen den Tag fest im Griff hatte, haben erstaunlich viele Kameraden nebst Angehörigen den Weg auf den Brendten gefunden. Besonders erfreulich war die große Zahl von Soldaten aus der Gebirgsjägerbrigade 23.“ (Seite 3) Weiter heißt es: „Dass so viele Angehörige der Truppe in Uniform an der Feier teilnehmen, zeigt, dass ehemalige und aktive Gebirgsjäger gemeinsam in der Trauer um unsere Toten vereint sind.“ (Seite 4) Ganz selbstverständlich kommen hier seit Jahrzehnten Veteranen von Wehrmacht, Waffen-SS und Bundeswehr sowie aktive BundeswehrsoldatInnen zusammen. Eine erweiterte Formulierung in einem neuen Traditionserlass hätte solche Kontakte in Frage stellen können, unterbleibt aber.
Es stellt sich ohnehin die Frage inwiefern ein neuer Traditionserlass in der Lage ist, inoffizielle Traditionsbildungen zu unterbinden. Die vielen Spielräume, die er lässt, nähren zudem den Verdacht, dass dies letzter Konsequenz auch gar nicht beabsichtigt wird. Denn viele Vorfälle haben gezeigt, dass zwischen dem offiziellen Traditionsverständnis und dem internen Traditionsverständnis in einigen Einheiten eine eklatante Lücke klafft. Im KSK gab beispielsweise der ehemalige Kommandeur nach seiner Absetzung vor einigen Jahren in einem Bildband bekannt, seine Truppe habe sich in einer Wehrmachts- und Waffen-SS-Tradition verstanden. Ähnliches gilt offenbar weiterhin für viele Gebirgsjäger- und Fallschirmspringer-Einheiten.
Fokus Bundeswehr
Das Verteidigungsministerium scheint mit dem Traditionserlass gleich mehrere Interessen zu verfolgen: Erstens geht es darum, gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Skandale, eine möglichst weit reichende Distanzierung von „problematischen“ früheren deutschen Armeen zu signalisieren. Dies geschieht aber zweitens nicht ohne dass genügend Spielräume gelassen werden, um die einflussreichen „Traditionalisten“ nicht komplett zu verärgern. Vor allem scheint es aber drittens darum zu gehen, einen positiven Traditionsbezug auf die Bundeswehr zu etablieren.
So wird in dem neuen Entwurf betont, die Bundeswehr sei ihr eigener Traditionsgeber und dementsprechend seien auch hier die positiven Bezüge zu suchen, um sinn- und identitätsstiftend zu wirken: „In dem überarbeiteten Regelwerk wird die eigene Geschichte der Bundeswehr als ‚zentraler Bezugspunkt der Tradition‘ genannt; eine Neuerung gegenüber dem bisherigen Erlass aus dem Jahr 1982. In den 35 Jahren seiner Gültigkeit hat sich die Armee durch das Ende des Kalten Krieges, die Wiedervereinigung, mehrere Auslandseinsätze und die Aussetzung des Wehrdienstes stark verändert.“ (taz, 22.11.2017)
Weiter gilt aber natürlich auch die Bundeswehr bis 1990 als positiver Bezugspunkt, nämlich, wie es im Entwurf heißt, in ihrer Rolle bei der „Bewahrung von Freiheit und Frieden im Kalten Krieg und das Eintreten für die deutsche Einheit,“ Das ist aber schon allein deswegen problematisch, weil in der Bundeswehr in den 1950er und 1960er Jahren durch personelle Kontinuitäten im Offizierskorps noch der ‚alte Geist‘ vorherrschte. Hinzu kommt ein virulenter Antikommunismus, der häufig mit antislawischen Versatzstücken versehen war und der während des gesamten Kalten Krieges wirksam war und von dem in dem Entwurf natürlich keine Rede ist.
Vor allem scheint das Ziel aber darin zu bestehen, mit dem Erlass ein „neues“ Traditionsverständnis zu etablieren, das sich aus der gewandelten Rolle der Bundeswehr hin zu einer Einsatzarmee ableitet. So wird als ein weiterer „zentraler Bezugspunkt der Tradition der Bundeswehr“ der „Beitrag der Bundeswehr zum internationalen Krisenmanagement sowie ihre Bewährung in Einsätzen und im Gefecht“ angeführt: „Diese Geschichte zu würdigen und zu entfalten, ist Aufgabe aller Angehörigen der Bundeswehr. Sie bietet eine breiten Fundus, um Tradition zu stiften. Daraus gewinnt das Selbstverständnis unserer Bundeswehr Sinn und Stolz.“