IMI-Analyse 2017/19

Eine EU-Drohne für Europas Kriege

von: Marius Pletsch | Veröffentlicht am: 5. Mai 2017

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Diese Analyse erschien in der IMI-Broschüre „Kein Frieden mit der Europäischen Union“. Sie beschäftigt sich sowohl mit der inneren wie auch äußeren Militarisierungsdynamik sowie linken Perspektiven angesichts der immer aggressiver agierenden EU-Politik.

Die Broschüre (64S A4) kann hier gratis heruntergeladen oder in zum Preis von 3,50 Euro (zzgl. Porto) bzw. 3 Euro (ab 10 Ex. zzgl. Porto) bestellt werden. Bestellungen bitte an imi@imi-online.de

Die Verteidigungsministerin hat am 17. Februar 2017 in ihrer Rede bei der 53. Münchener Sicherheitskonferenz mehrere Aufrüstungsprojekte genannt, die kein einzelner Mitgliedsstaat der NATO sowie der Europäischen Union (EU) mehr alleine stemmen könne, weshalb an diesen Vorhaben nun gemeinschaftlich gearbeitet werde.[1] Zu diesen Projekten zählt auch die europäische Drohne, die von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien entwickelt wird. Bevor jedoch näher auf dieses Projekt eingegangen wird, sollen zunächst die nationalen Pläne des Bundesverteidigungsministeriums (BMVg) bezüglich Drohnen betrachtet werden. Denn der europäische Eigenbau ist frühestens 2025 für Kriegseinsätze bereit, doch die „Fähigkeitslücke“, die mit einer bewaffnungsfähigen Drohne der MALE-Klasse (mittlere Höhe lange Ausdauer, engl. Medium Altitude Long Endurance) gefüllt werden soll, wurde schon 2013 von Thomas De Maizière – damals noch in der Rolle des Bundesverteidigungsministers der Koalition aus CDU/CSU und FDP – benannt und beklagt.[2]

Lückenfüller Heron TP

Das BMVg plant drei bis fünf Heron TP Drohnen des israelischen Rüstungsunternehmens Israel Aerospace Industries (IAI) über den Hauptauftragnehmer Airbus DS Airborne Solutions zu leasen. Ähnlich funktioniert auch das Leasing des Vorgängermodells Heron 1, die in seit 2010 Afghanistan und in Mali seit dem 1. November 2016 zum Einsatz kommen. Eigentlich sollte der Vertrag Anfang 2017 unterzeichnet werden, die ersten Drohnen 2018 einsatzbereit sein. Doch eine Klage des amerikanischen Rüstungsunternehmen General Atomics – der Herstellerfirma der Predator (Raubtier) und Reaper (Sensenmann) Drohnen, die im Drohnenkrieg der USA hauptsächlich zum Einsatz kommen – verzögert den Zeitplan wohl. Der US-Hersteller beanstandet den Vergabeprozess, ein Nachprüfungsantrag vor der 1. Vergabekammer des Bundes wurde am 17. August 2016 zurückgewiesen, kurz darauf wurde vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf geklagt, am 15. Februar 2017 war erster Verhandlungstag, der nächste Termin findet am 8. März statt. Mit einer Indienststellung der Drohne ist vor 2019 kaum mehr zu rechnen.

Die Heron TP Drohnen würden nicht in Deutschland stationiert und gewartet werden, sondern auf dem Stützpunkt Tel Nof der israelischen Luftstreitkräfte, der in direkter Nähe zum Hersteller IAI liegt. Von dort aus starten nicht nur israelische Drohnen, auch einige Nuklearwaffen sollen hier lagern. Für die Steuerung wird wie bei der Heron 1 auch das Taktische Luftwaffengeschwader 51 Immelmann aus Jagel verantwortlich sein. Da das BMVg plant, die Drohnen auch zu bewaffnen, hat die Linksfraktion des Bundestags gefragt, welche Bewaffnung denn zum Einsatz kommen soll. Die Bundesregierung konnte die Informationen nicht herausgeben, da sie als geheim eingestuft seien.[3] Die Kommunikationstechnologie zur Steuerung und zur Verteilung der anfallenden Daten, z.B. des Videofeed, soll von Airbus kommen. Wert wird auch auf „nationale Kryptierung“ der Daten gelegt. Zum einen traut man den israelischen Partner_innen zu, dass Hintertüren eingebaut sind.[4] Zum anderen ist bekannt, dass Datenverbindungen von israelischen Drohnen bereits in der Vergangenheit kompromittiert wurden. The Intercept hatte im Januar 2016 berichtet, dass der britische GCHQ und die amerikanische NSA Videostreams und Positionsdaten israelischer Drohnen, darunter die Heron TP, die via Satellitenverbindung zur Bodenstation gesendet werden, von einem Berggipfel auf Zypern aus abgefangen haben. Dieser Bericht erschien wenige Tage nach der Bekanntgabe des BMVg, dass man sich für die Heron TP entschieden hatte.[5]

Belastbare Aussagen über die entstehenden Kosten kann das BMVg noch nicht machen. Für die Leasingkosten der Heron TP plus Sensorik sind erst einmal mindestens 580 Mio. Euro vorgesehen, und dies allein bis 2025. Dem Jahr, in dem das BMVg hofft, dass die gemeinsam mit den Partnernationen geplante EU-Drohne zur Verfügung stehen wird. Für die Entscheidung der Heron TP und damit gegen die amerikanische Konkurrenz sprach aus Regierungssicht die frühere Verfügbarkeit und der geringere Ausbildungsaufwand, da ja schon Bedienpersonal für die ähnliche Heron 1 Drohne vorhanden sei. Ein weiterer Grund ist, dass sich die Wahl der Heron TP günstig auf die Pläne für den Bau einer europäischen Drohne auswirke, so formulierte es zumindest Hans-Peter Bartels, der Wehrbeauftragte des Bundestages. Auch die Bundesregierung sprach davon, wie wichtig die Entscheidung für die Heron TP im Hinblick auf die europäische Drohne sei: „Die Entscheidung für das System Heron TP führt zum Aufbau realen industriellen Know-hows bei europäischen Unternehmen. Dies ist eine zentrale Voraussetzung für die angestrebte Eurodrohne.“[6]

Andere Staaten, auch jene, die am gemeinsamen Drohnenprojekt beteiligt sind, haben sich in den letzten Jahren ausschließlich für Drohnen aus dem Hause General Atomics entschieden. So hat Frankreich zwölf MQ-9 Reaper Drohnen bis 2019 bestellt, fünf davon sind in Niger im Rahmen der Opération Barkhane stationiert, das Operationsgebiet zieht sich von Mauretanien im Westen der Sahelregion bis in den Tschad im Osten.[7] Spanien hat vier Reaper bestellt, die Lieferung soll ebenfalls bis 2019 abgeschlossen sein.[8] Italien hatte sich als erster europäischer Staat für die Drohnen aus dem Hause General Atomics entschieden und hat die ersten Fluggeräte 2005 im Rahmen der „Operation Iraqi Freedom“ eingesetzt. Auch in Afghanistan, dem Kosovo, Kuwait und Dschibuti sind die italienischen Drohnen eingesetzt worden, ebenso wie sie während der Marinemissionen „Mare Nostrum“ über dem Mittelmeer kreisten. Aktuell werden die Drohnen auch bei der EU-Mission „EUNAVOR MED“ eingesetzt, die sich gegen vermeintliche Schlepper und damit auch gegen die Migrationsbewegung über das Mittelmeer richten soll. Die italienische Regierung hatte im November 2015 die Genehmigung aus den USA erhalten, ihre sechs Reaper Drohnen zu bewaffnen.[9]

Eingeforderte Konjunkturspritze für die Rüstungsindustrie

Es gab bereits in der Vergangenheit mehrere Anläufe, eine Drohne mit mehreren Nationen gemeinsam zu entwickeln. Die einzige Konstante bei den unternommenen Versuchen war Frankreich. Talarion wurde damals noch von Cassidian (heute Airbus) von Frankreich, Spanien, Deutschland und mit großem Beteiligungsinteresse der Türkei versucht, doch dieses Projekt scheiterte. Da aber ca. 500 Mio. Euro an Eigenmitteln von Cassidian investiert wurden, wollte man das Projekt retten. Druck wurde auf die deutsche Politik ausgeübt, dabei waren auch die Gewerkschaften behilflich. So versuchte die IG Metall über den damaligen Wirtschaftsminister Philipp Rösler einen Stopp für die „Sparpläne“ des Verteidigungsministers Thomas de Maizière durchzusetzen, die auch die Drohne Talarion betreffen sollten. Bernhard Stiedl, EADS Beauftragter der IG Metall deutete gegenüber dem Handelsblatt an, dass – wenn Talarion gestoppt würde – die gesamte Entwicklung und Produktion aller militärischen Flugzeugen nicht länger in Deutschland stattfinden würde. Daran hingen damals angeblich 25.000 Arbeitsplätze.[10] Doch das Aus für Talarion konnte trotz der Werbung von Industrie und Gewerkschaft nicht verhindert werden. Als Folge daraus entließ Airbus etwa die Hälfte seiner Ingenieur_innen, die bei der Drohnenentwicklung beschäftigt waren. Von 600 Mitarbeiter_innen hätten 250 bis 300 ihre Anstellung verloren. 2014, nachdem sich Verteidigungsministerin von der Leyen für die Anschaffung von bewaffneten Drohnen ausgesprochen hatte, hieß es von Stiedl, würde nun die Entwicklung einer europäischen Drohne begonnen, könnten alleine am Standort Manching 1.500 Arbeitsplätze gesichert werden.[11]

2013 hatte sich Airbus mit den Firmen Dassault Aviation aus Frankreich und Alenia Aermacchi (heute: Leonardo Finmeccanica) aus Italien im Rahmen der Pariser Air Show zusammengeschlossen, um bei ihren jeweiligen Regierungen für eine gemeinsame Produktion einer Drohne zu werben. Die europäische Souveränität und Unabhängigkeit bei der Verarbeitung von Daten würde bei einer Entwicklung durch die drei Firmen gewahrt bleiben, es würden gute Jobs erhalten und geschaffen und die Firmen versprachen, sich mit Lobbyarbeit einem der bislang schwierigsten Probleme beim Betrieb von Drohnen anzunehmen: Sie würden die zuständigen Stellen auf nationaler wie europäischer Ebene überzeugen, dass sich Drohnen in Zukunft im selben Luftraum bewegen können, in dem auch der zivile Flugverkehr stattfindet.[12] Am 18. Mai 2015 unterschrieben die Verteidigungsminister_innen Deutschlands, Frankreichs und Italiens dann eine Absichtserklärung (Declaration of Intent, kurz DoI) am Rande eines EU-Verteidigungsminister_innentreffens in Paris zur Erstellung einer Definitionsstudie für eine zukünftige europäische Drohne. Konkreter wurde dies dann mit der Vertragsunterzeichnung über die Definitionsstudie am 26. August 2016, mittlerweile hatte sich auch die spanische Regierung dem Projekt angeschlossen und ist somit auch Vertragspartner. Wenig überraschend sind die drei mit der Definitionsstudie beauftragten Unternehmen die drei oben genannten Unternehmen. Die Definitionsphase soll zwei Jahre dauern, nach dem ersten Jahr soll das „Systems Requirements Review“ vorliegen, also was für Anforderungen die Bestellerstaaten an die Drohne stellen. Viel ist deshalb über die Fähigkeiten noch nicht bekannt. Die Bundesregierung schrieb zu dem Thema auf eine kleine Anfrage folgendes: „Erst [nach der ‚Systems Requirements Review‘] werden auch die Forderungen bezüglich Bewaffnung, Low-Observability-(„Stealth“) Eigenschaften, Selbstschutz und weiterer Eigenschaften des Systems konkretisiert. Die Fähigkeit zum Einsatz von Luft-Boden-Waffen ist aber bereits jetzt als zentraler Bestandteil der Systemfähigkeiten zu erkennen.“[13]

Mit dem Management der Studie wurde die in Bonn sitzende multinationale Organisation Conjointe de Coopération en Matière d‘Armement (OCCAR) beauftragt. Sie wurde 2001 ins Leben gerufen, um die gemeinsamen Rüstungsprojekte der Mitgliedsstaaten Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien und der sogenannten teilnehmenden Staaten Finnland, Niederlande, Luxemburg, Polen, Schweden und der Türkei, die jedoch keinen Mitgliederstatus innehaben, zu koordinieren. Die bisherige Erfolgsbilanz der Organisation ist wohl durchwachsend zu nennen. So wurden viele der Projekte verspätet und viel teurer als geplant geliefert, das Transportflugzeug A-400M ist hier nur ein Beispiel unter vielen.

Die Kosten für die Definitionsstudie teilen sich nun, nach dem Einstieg Spaniens in das Projekt, wie folgt auf: Deutschland wird den Löwenanteil mit 18,6 Mio. € übernehmen, was 31 % der Gesamtkosten ausmacht. Frankreich, Italien und Spanien tragen mit je 13,8 Mio. € je 23 % der Kosten. 2018 soll dann nach Abschluss der Definitionsphase die Entwicklungsphase beginnen. 2023 soll der erste Prototyp fliegen und 2025 dann die ersten Modelle des fertigen Produktes ausgeliefert werden. Langfristig plant das BMVg 16 MALE Drohnen zu beschaffen.[14]

Dieses militärische Aufrüstungsprojekt, mit dem die bereits laufende Rüstungsspirale mit unbemannten Systemen intensiviert wird, und in der man sich auch als Exporteur gegen die amerikanische, israelische und ostasiatische Konkurrenz auf dem Markt positionieren möchte – der in den nächsten zehn Jahren mit saftigen Gewinnen lockt[15] – wird mit den großen Chancen für die zivilen Nutzungsmöglichkeiten der Drohnentechnologie beworben und der Schritt damit auch gerechtfertigt. Nicht nur zur Kriegsführung in den Einsatzgebieten der Bundeswehr soll die Drohne also eingesetzt werden. Mit diversen der gepriesenen zivilen Nutzungsmöglichkeiten sind Überwachung und Repression gemeint, gerade an den europäischen Außengrenzen, an denen auch heute schon Drohnen Migrant_innen aufspüren und ihre Bewegungen verfolgen. Die EU und insbesondere die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) schafft mit der Finanzierung für nötige Technologien und der Schaffung von Standards, damit sich Drohnen im allgemeinen Luftraum bewegen können, günstige Bedingungen, sowohl für die Ausführung solcher Aufgaben, wie auch für die Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie.[16]

Anmerkungen

[1] Von der Leyen, Ursula (bmvg.de, 17.2.2017): Rede der Bundesministerin der Verteidigung Dr. Ursula von der Leyen zur Eröffnung der 53.Münchner Sicherheitskonferenz.

[2] Biermann, Kai (Neusprech.org, 9.2.2013): Fähigkeitslücke.

[3] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Zeitplan zur Beschaffung von fünf bewaffnungsfähigen Drohnen der MALE-Klasse. Drucksache 18/9431 (19.08.2016), S. 5.

[4] Monroy, Matthias (netzpolitik.org, 5.10.2016): Kampfdrohnen der Bundeswehr: Verteidigungsministerium hält Hintertüren in israelischer Verschlüsselung für möglich.

[5] Currier, Cora; Moltke, Henrik (The Intercept, 29.1.2016): Spies in the Sky: Israeli Drone Feeds Hacked By British and American Intelligence.

[6] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Auswahlentscheidung zur Beschaffung von bewaffneten Drohnen. Drucksache 18/7725 (26.2.2016), S. 13.

[7] Tran, Pierre (DefenseNews.com, 12.1.2017): Additional Reaper Drones to Arrive in France in 2019.

[8] General Atomics (GA.com, 17.2.2016): Spain to Acquire Predator B.

[9] Defense Security Cooperation Agency (DSCA.mil, 4.11.2015): Italy – Weaponization of MQ-9s.

[10] Neuerer, Dietmar (Handelsblatt.de, 24.11.2011): IG Metall kämpft für Rüstungsprojekt

[11] Tauber, Andre (DieWelt.de, 8.7.2014): Europas Drohnen sind jetzt schon veraltet.

[12] Colin, Clark (BreakingDefence.com, 19.6.2013): European Firms – But Not British — Plead For Help To Build UAVs.

[13] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Auswahlentscheidung zur Beschaffung von bewaffneten Drohnen. Drucksache 18/7725 (26.2.2016), S. 13.

[14] Biermann, Kai; Fuchs, Christian (Zeit.de, 31.8.2015): Neue Drohnen für Heer und Marine gesucht.

[15] Für Prognosen siehe z.B. Jane’s Editorial Staff (ihs.com, 21.2.2017): Militaries ramping up use of unmanned ground, sea and air vehicles.

[16] Für eine ausführliche Analyse siehe Pletsch, Marius (imi-online.de, 26.1.2016): Eine Drohne für Europa.