IMI-Analyse 2017/15

Republik Moldau: Spielball zwischen Ost und West

von: Claudia Haydt | Veröffentlicht am: 4. Mai 2017

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Diese Analyse erschien in der IMI-Broschüre „Kein Frieden mit der Europäischen Union“. Sie beschäftigt sich sowohl mit der inneren wie auch äußeren Militarisierungsdynamik sowie linken Perspektiven angesichts der immer aggressiver agierenden EU-Politik.

Die Broschüre (64S A4) kann hier gratis heruntergeladen oder in zum Preis von 3,50 Euro (zzgl. Porto) bzw. 3 Euro (ab 10 Ex. zzgl. Porto) bestellt werden. Bestellungen bitte an imi@imi-online.de

 

Europäische Union als Friedensmacht? Diese Zeiten sind definitiv vorbei – wenn dieses Konzept überhaupt jemals Realität war. Die Europäische Union (EU) hat mit den Nachbarschaftsräumen, die sie definiert hat, de facto keine Räume der Sicherheit geschaffen, sondern – wie es zwischenzeitlich wiederholt formuliert wurde – einen „Ring of fire” (Feuerring). Sie hat einen Ring der Unsicherheiten, der Destabilisierung, aber auch einen Ring der Verarmung, des Bürgerkriegs und der Flucht durch ihre Politik maßgeblich mitverursacht. Betrachtet man die relevanten Strategiepapiere der Europäischen Union, dann fällt auf, dass jede Form der Selbstkritik ausbleibt. All das was in der Nachbarschaft der EU geschieht, wird von den schreibenden Strategen so behandelt, als wäre es eine Art Naturkatastrophe, die nichts mit dem Handeln der EU, nichts mit der Interessenpolitik der EU zu tun hat. Das gilt auch für die EU-Globalstrategie, die im Juni 2016 veröffentlicht wurde. Die EU formuliert darin lediglich ihre Absicht, die Politik der Vergangenheit noch intensiver und umfassender fortzusetzen.

Die EU kündigt in ihrer Globalstrategie an, ihre Bemühungen auf Regionen südlich und östlich der EU zu konzentrieren. Im Folgenden sollen die destabilisierenden Auswirkungen dieser EU-Nachbarschaftspolitik auf die Republik Moldau beschrieben werden.

Strahlende EU – finsteres Russland?

Die EU bleibt trotz ökonomischer und politischer Krise ein mächtiger Wirtschaftsraum, der sowohl in der Lage ist Kooperationsbedingungen gegenüber ärmeren Regionen durchzusetzen, als auch – zumindest relativ – bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bietet als die meisten benachbarten Regionen. Allerdings verändert sich diese Wahrnehmung in der jüngsten Vergangenheit und zahlreiche Menschen, teils ganze Länder, suchen nach einer Zukunft jenseits der EU. Dennoch formuliert die EU in ihrer Globalstrategie: „Unsere anhaltend starke Attraktion kann die Transformation in diesen Ländern vorantreiben.“[1]

Dies ist eine grundlegende Fehlanalyse. In vielen Ländern ist die Attraktion der EU-Vergangenheit. Die schillernde Blase ist geplatzt. Dennoch scheint dies in der EU kaum wahrgenommen zu werden.

In diesem Kontext muss auch das Verhältnis zu Russland diskutiert werden. Einen guten Einblick in den Diskussionsstand gibt eine Studie[2] des regierungsnahen Think Tanks SWP, in der auch diskutiert wird, wie aus Sicht der EU die Politik Russlands beurteilt werden sollte: „Der militärische Konflikt um die (Ost-)Ukraine ist ein Ausdruck der russischen Strategie, jede Expansion von europäischen und transatlantischen Kooperationsmodellen in seine ‚Interessensphäre‘ zu verhindern, wenn nötig, dann mit militärischen Mitteln.“ Ganz offensichtlich haben diejenigen, die das formuliert haben, mehr als zwanzig Jahre der jüngeren Geschichte ausgeblendet. Es wird ausgeblendet, dass russische Regierungen, die Ausdehnung der EU und der NATO nach Osten, sehr lange hingenommen haben und dass aus Moskau immer wieder Hinweise darauf kamen, dass dies im Widerspruch zu früheren Absprachen und Verträgen wie dem 2+4 Vertrag stehe. Fast zwanzig Jahre lang gab Russland darauf keine militärische Antwort. Es ist deswegen gewagt zu formulieren, dass Russland „jede Expansion“ des Westens als Anlass für scharfe – auch militärische – Reaktionen nimmt. Ohne jetzt die völkerrechtswidrige Annexion der Krim zu rechtfertigen, ist dies doch ganz nüchtern eher als Reaktion auf einen jahrzehntelangen Prozess zu sehen, bei dem aus russischer Sicht mit dem Putsch in der Ukraine eine rote Linie überschritten wurde und nicht als grundsätzlich aggressive Außenpolitik. Wenn der Grundsatz stimmt, dass sich Frieden nur auf Dauer erhalten lässt, wenn die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden, dann ist weder die NATO- noch die EU-Politik friedensfähig.

Es lohnt sich, einen Blick auf diejenigen zu werfen, die für die Ausgestaltung der EU-Ostpolitik verantwortlich sind. Kurz vor Veröffentlichung der EU-Globalstrategie wurde im Mai 2016 auch eine Umfrage unter den Machern unter Macherinnnen der EU-Außenpolitik, die im „European Leadership Network“ organisiert sind, publiziert. 85% der Befragten stützen die Haltung, dass nicht das eigene Agieren, sondern die russische Politik das Problem darstellt: „Das Ziel der EU sollte eine Transformation der russischen Politik und nicht Zugeständnisse an Moskau sein.“[3] Entsprechend wird von einer großen Mehrheit die Wiederaufnahme von Beziehungen, das Ende der Sanktionen und eine eventuelle Vertiefung der Beziehungen von einer Änderung der russischen Politik abhängig gemacht. Selbstkritik spielt in den Befragungsergebnissen so gut wie keine Rolle.

Interessant ist, dass die Befragten neben ihrem ideologisch aufgeladenen Antagonismus gegen Russland außenpolitische Felder identifizierten, in denen ihnen trotz aller Gegensätze eine Kooperation sinnvoll erscheint. Explizit erwähnt wurden hier die Krise im Mittleren Osten, der Kampf gegen Terrorismus und der Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen.

Ob gemeinsame Bombardements und gemeinsame Überwachungspolitik wirklich ein Schritt zu Friedenspolitik ist, das sei hier nur am Rande gefragt.

Republik Moldau zwischen Ost und West

Die kleine Republik Moldau hat seit 1994 ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU. Politisch gilt die Lage in diesem Land als „Frozen Konflikt“, also als eingefrorener Konflikt. 1990 hat sich mit „Transnistrien“ ein kleiner Teil der Republik abgespalten. Ein kurzer Bürgerkrieg konnte über ein Drei-Parteienabkommen beendet werden, in dessen Folge wurden russische Truppen auf Bitten aller Beteiligten in Transnistrien stationiert. Das restliche Territorium pflegt traditionell enge Beziehungen zum EU-Mitgliedsland Rumänien. Neben Albanien gilt die Republik Moldau als Armenhaus Europas. Das Bruttoinlandsprodukt des Landes liegt pro Kopf bei 2.233 US-Dollar (2015). Das Land ist de facto ein Auswanderungsland. Jeden Tag emigrieren Hunderte von Menschen, obwohl dort mit 3,5 Millionen ohnehin relativ wenige Menschen leben. Für die EU ist Moldau vor allem als Teil ihrer vorgelagerten Grenzsicherung und wegen seiner geostrategischen Lage von Bedeutung. 2005 begann deswegen eines der ersten und zugleich umfangreichsten Kooperationsprojekte mit der EU, die so genannte Mission „EUBAM Moldau“. Diese Operation zur Unterstützung der Grenzkontrolle in Moldau (European Union Border Assistance Mission) ist eine Ausbildungs- und Ausstattungsmission, in der Grenzpolizisten aus EU-Ländern gemeinsam mit ihren moldawischen Kollegen nach EU-Standards Grenzbefestigungen aufbauen, Grenzkontrollen einüben und die entsprechende Infrastruktur einrichten. Dazu gehört zum Beispiel der Aufbau umfassender Grenzposten an der Grenze zur Ukraine. Faktisch wurde so die Grenzpolizei der Republik Moldau zum Türsteher der Europäischen Union. Sie erhielt dafür eine gewisse finanzielle Hilfe, musste aber gleichzeitig akzeptieren, dass auch sie im wahrsten Sinne vor den Türen der EU verbleiben musste. Gerade für ärmere Moldawierinnen und Moldawier war es nahezu unmöglich, legal in die EU einreisen zu können, um dort zu arbeiten, selbst Visa für Besuche waren nur schwer zu bekommen. Das hohe Armutsniveau brachte Viele dazu, auf andere – häufig illegale – Wege in die EU auszuweichen. Dies führte viele Frauen in die (Zwangs-)Prostitution und stärkte kriminelle Netzwerke.

Die Situation stärkt zudem politische Prozesse im Nachbarland und EU-Staat Rumänien, die auf ein Groß-Rumänien unter Einschluss der Republik Moldau abzielen. Um die materielle Grundlage für diese Ausweitung des rumänischen Staatsgebietes zu vergrößern, vergibt der rumänische Staat schon seit Jahren großzügig die rumänische Staatsbürgerschaft an moldawische Bürgerinnen und Bürger. Mit einer solchen Staatsbürgerschaft erhalten zwischenzeitlich hunderttausende moldawische Staatsangehörige auch rumänische Pässe[4] und damit zumindest theoretisch Zugang zum EU-Arbeitsmarkt. Voraussetzung dafür ist aber unter anderem die rumänische Sprache, was etwa für russisch- oder ukrainisch-sprachige Menschen in Moldawien keine Option ist. Nach wie vor arbeiten übrigens die meisten moldawische Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter in Russland.

Umstrittenes EU-Assoziierungsabkommen

Vor etwa drei Jahren hat sich die Situation auch für Menschen ohne rumänischen Pass geändert. Am 27. Juni 2014 wurde in Brüssel das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Republik Moldau unterzeichnet. Am 1. Juli 2016 trat es vollständig in Kraft. Doch bereits zuvor wurden die Regelungen zur visafreien Einreise von Menschen aus Moldawien in die EU umgesetzt. Voraussetzung für die visafreie Einreise ist ein – teurer – biometrischer Pass. Dieser Pass ermöglicht Besuche in der EU, ermöglicht jedoch nach wie vor nicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Dies führt dazu, dass Viele nach wie vor illegal in EU-Ländern arbeiten und entsprechend der Willkür von Arbeitgebern und Behörden ausgesetzt sind. Dennoch haben sich nun die Bedingungen bei der Ausreise aus der Republik Moldau deutlich verbessert, was ein wesentlicher Grund für die anfangs mehrheitliche Unterstützung des EU-Assoziierungsabkommens war. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass dieser individuelle Fortschritt mit einem hohen Preis für das ganze Land bezahlt wurde. Eine der Konsequenzen der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens war, dass Russland bereits im Vorfeld seine wirtschaftliche Kooperation mit der Republik Moldau durch Handelsrestriktionen massiv einschränkte. Davor hatte das kleine Land viele seiner Agrarprodukte, wie Erdbeeren oder Wein, an Russland verkauft. Diese Einnahmen fallen nun weg. Gleichzeitig sind zwar auch die Exporte in die EU um etwa fünf Prozent gestiegen, was jedoch die Verluste im Außenhandel mit Russland nicht kompensiert hat. Wegen der steigenden Armut in Moldawien sanken im Übrigen auch die Importe aus der EU in das Land.

Diese ökonomischen Probleme zusammen mit einem massiven Korruptionsfall sorgten in den letzten zwei Jahren für massive Unruhen in dem Land.

Warum hatte Russland eigentlich so scharf auf das Assoziierungsabkommen reagiert? Es ist in weiten Teilen identisch mit dem Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine. Es ist nicht „nur“ ein Handelsabkommen, das neoliberale Gesetze implementiert, es ist darüber hinaus ein politisches Abkommen, das eine Integration der Republik Moldau in die EU und auch in die NATO vorsieht. Diese politische und militärische Westorientierung ist nicht versteckt in irgendwelchen Anhängen zu finden, sondern zieht sich durch den gesamten Vertrag. Beispielhaft sei hier der Artikel drei angeführt. Dort wird als Ziel des politischen Dialogs deutlich formuliert, dass die Vertragsparteien in allen Bereichen von beiderseitigem Interesse, „einschließlich der außen- und sicherheitspolitischen Fragen“[5] die Kooperation weiterentwickeln und verstärken. „Dadurch wird … die Konvergenz in außen- und sicherheitspolitischen Fragen gefördert.“

Was erst einmal abstrakt klingt, bedeutet auch konkret eine engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit. Angestrebt wird neben einem „einen Dialog … im Bereich Sicherheit und Verteidigung“ auch die „Zusammenarbeit in diesem Bereich zu vertiefen“.

In Artikel fünf wird dies noch einmal bekräftigt: „Die Vertragsparteien intensivieren … ihre Zusammenarbeit und fördern die schrittweise Konvergenz im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik, einschließlich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP).“ Es geht faktisch um die Integration der Republik Moldau in das Militärbündnis Europäische Union und damit auch in die NATO.

Diese Kooperation hat eine Reihe von konkreten Auswirkungen, so beteiligen sich moldawische Soldaten etwa an der EU-Militärmission (EUTM) in Mali und an der EU Advisory Mission (Militärberatungsmission) in der Zentralafrikanischen Republik. Das moldawische Militär ist auch Teil der NATO-Präsenz in Afghanistan. Bis jetzt handelt es sich jeweils nur um eine kleine Anzahl von Soldaten, die in die internationalen EU- und NATO-Missionen eingebunden sind, aber für die Zukunft erhoffen sich beide Bündnisse bei dieser konkreten Zusammenarbeit noch deutlich mehr von der Republik Moldau, in der übrigens nach wie vor die Wehrpflicht herrscht.

Es gibt wiederholt NATO-Manöver in der Republik Moldau oder in der Region, mit der Beteiligung moldawischer Truppen. Zum Beispiel die Operation „Windspring 15“ oder „Joint Effort 2015“. Noch ist sowohl das Training als auch die Ausrüstung der moldawischen Armee kaum kompatibel mit den NATO-Standards. Gewünscht werden von EU- und NATO-Seite umfangreiche Investitionen in diesen Sektor, die jedoch für das Land nicht finanzierbar sind. Es investiert im Moment etwa 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in das Militär. Diese, im Vergleich zu den meisten NATO-Staaten, erfreulich niedrige Quote, ist jedoch für eine „Konvergenz“ in Richtung NATO und EU deutlich zu niedrig. Sowohl für diese militärpolitische Annäherung an den Westen als auch für die entsprechenden Änderungen der Prioritäten im Budget des Landes gibt es jedoch wenig Unterstützung.

Lange Zeit hat die EU eng mit korrupten Eliten in Moldawien kooperiert. Die EU legte zwar Programme zur „Korruptionsbekämpfung“ vor, die jedoch vor allem auf kleine Beamte und untere Verwaltungsstrukturen abzielten. Erst als bei einem besonders weitreichenden Skandal Ende 2014 etwa 1 Milliarde US-Dollar (rund ein Siebtel der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes) aus dem moldawischen Bankensystem „verschwanden“, hat die EU begonnen, das Thema ernst zu nehmen. Sie musste zur Kenntnis nehmen, dass die gravierendsten Korruptionsprobleme an der Spitze von Verwaltung und Politik zu finden sind und fror daraufhin einen Teil ihrer Finanzhilfen ein.

Massenproteste und politischer Umbruch

Dieser Bankenskandal führte dazu, dass wiederum aus Steuergeldern ein „Bail-Out“ stattfinden musste und die ökonomische Situation der Bevölkerung noch prekärer wurde. Die Wut darüber löste Massenproteste aus. Die ausgelöste politische Krise lässt sich auch daran ablesen, dass innerhalb kürzester Zeit fünf Ministerpräsidenten versuchten, das Land in den Griff zu bekommen und regelmäßig daran scheiterten. Ende 2016 fanden Präsidentschaftswahlen statt. Bereits im Vorfeld war die Aufregung in den deutschen Medien über die Wahl auf diese Position, die überwiegend repräsentativen Charakter hat, sehr groß. Hier einige beispielhafte Zeitungsüberschriften, die erschienen, als ein Kandidat gewählt wurde, der seinen Wahlkampf weder prorussisch noch proeuropäisch gestaltete, sondern versuchte sein Land auf einen neutralen Kurs zwischen diesen beiden Polen hinzusteuern: „Roter Stern über der Republik Moldau“ (Stern), „Prorussischer Kandidat gewinnt Präsidentenwahl in Moldau“ (Die Zeit), „Putins Fanclub wächst“ (Huffington Post), „Die Europäische Idee verliert an Reiz“ (Der Standard) und „Direkter Draht nach Moskau“(Sat1, Berner Zeitung, Stern usw.). Igor Dodon hatte in seinem Wahlkampf keineswegs nur freundliche Worte für Russland gefunden, er hatte zum Beispiel auch Kritik am russischen Umgang mit moldawischen Gastarbeitern geäußert und angekündigt, er werde sich dafür einsetzten, dass sich deren rechtliche und soziale Situation verbessert. Offenbar traute ihm eine Mehrheit der moldawischen Bevölkerung eher zu, diese sensiblen Verhandlungen zu führen als seinen Mitbewerbern, die allesamt auf einem einseitigen Pro-EU-Ticket antraten.

Woher kam die westliche Aufregung? Der siegreiche Präsidentschaftskandidat Igor Dodon forderte eine Aufkündigung des EU-Assoziierungsabkommens und eine Annäherung an die von Russland ins Leben gerufene Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft. Sein Ziel ist es, die Handelsbeziehungen seines Landes nicht einseitig nach Osten oder nach Westen auszurichten, sondern die Kontake zu allen Nachbarregionen auszubauen. Unter den momentanen globalpolitischen Gegebenheiten scheint eine Umsetzung dieses Planes schwierig – auch wenn er für das kleine Land sicher die beste Option wäre. Genauso verhält es sich mit einer politischen Lösung des eingefrorenen Konfliktes um Transnistrien, die scheint den Vorzeichen eines halbwegs neutralen Kurses wohl ebenfalls wahrscheinlicher wäre.

Vorprogrammierte Eskalation

Wenn die westlichen Staaten weiterhin darauf bestehen, die Konflikte in ihrem östlichen Nachbarschaftsraum unter der Prämisse betrachten, ob diese Entwicklungen „prorussisch“ oder „proeuropäisch“ (womit immer Pro-EU gemeint ist) sind, dann ist eine weitere politische und eventuell auch militärische Eskalation in der Region nahezu vorprogrammiert. Die wesentlichen Fragen in Moldawien – wie in den meisten anderen Ländern auch – sind Fragen nach sozialer Gerechtigkeit, nach Armutsbekämpfung, nach der Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen und danach wie Frieden gesichert oder hergestellt werden kann. In der Form der politischen Debatte und der medialen Berichterstattung gehen diese Fragen zumeist unter.

Das EU-Modell der Ausdehnung, der Kontrolle von Nachbarschaftsräumen, der Umsetzung der eigenen Interessenpolitik funktioniert offensichtlich nicht mehr oder nur zu einem sehr hohen Preis. Wenn die EU nicht wie zum Beispiel in der Ukraine versucht die politischen Prozesse in ihrer Nachbarschaft durch Regimechange oder ähnliches zu „gestalten“, dann können diese Umbrüche auch einen politischen Raum öffnen. Es gilt alles dafür zu tun, dass dieser Raum für demokratische politische Prozesse offen bleibt.

Anmerkungen

[1] Shared Vision, Common Action: A stronger Europe, 6/2016.
[2] „European Security Strategy – The transatlantic factor“,SWP 6/2015.
[3] „What  is the Future of EU-Russia relations?“, The European Leadership Network, Mai 2016
[4] „Hintertürchen ins Gelobte Land“, Spiegel Online, 14.7.2010
[5] Amtsblatt der Europäischen Union 30.8.2014: ASSOZIIERUNGSABKOMMEN zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits