IMI-Anaylse 2016/37 - in: AUSDRUCK (Dezember 2016)

Drohnenexport: Internationale Standards?

von: Marius Pletsch | Veröffentlicht am: 18. Oktober 2016

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DefenseNews hatte am 25. August 2016 gemeldet, die-US Regierung bemühe sich, internationale Standards für den Export von Drohnen zu schaffen. Ein erster Schritt dahin soll eine gemeinsame Erklärung von Staaten sein. Schon über diesen Entwurf einer gemeinsamen Erklärung hieß es, dass die Sprache in dem Text weit unter dem liegt, was Kritiker von Drohnen und die Rüstungskontrollgemeinschaft gerne sehen würden.[1] Seitdem hat sich der Entwurf aber wieder verändert – und das nicht zum Besseren.

Zunächst sollte sich das Dokument an den Rüstungsexportrichtlinien für Drohnen orientieren, die sich die USA im Februar 2015 selbst auferlegt haben. Die eigenen Richtlinien sind wohl auch unter dem Lobbydruck der US-Rüstungsindustrie zustande gekommen, damit die Unternehmen einen rechtlichen Rahmen haben, in dem Sie ihre Geschäfte abwickeln können. Da es keine klaren Richtlinien gab, entstand keine Planungsunsicherheit für die Firmen, ob exportiert werden kann, denn die US-Regierung stoppte nicht wenige Exporte bis dahin.[2] In den Exportrichtlinien des State Department waren die wichtigsten Punkte: die Empfängerstaaten sollen sich an Internationales Recht, an humanitäres Völkerrecht und an Menschenrechte halten; die Drohnen sollen nur zu „rechtmäßigen“ Zwecken wie der Selbstverteidigung eingesetzt werden; mit den Drohnen soll die Bevölkerung in den Empfängerstaaten nicht unrechtmäßig überwacht oder angegriffen werden; das Bedienpersonal soll so geschult und trainiert werden, dass das Risiko von Verletzungen und weiteren Schäden reduziert wird.[3]

In einem Factsheet des State Department zu den nun geplanten internationalen Richtlinien heißt es, die USA seien führend bei der Entwicklung und dem Einsatz von Drohnen, darum hätten sie auch eine besondere Verantwortung: „Die Vereinigten Staaten haben eine Verantwortung um sicherzustellen, dass der Verkauf, der Transfer und der anschließende Gebrauch aller UAS [Unbemannte Luftfahrtsysteme, Anm. d. Autors] aus den USA verantwortlich und konsistent mit den nationalen sicherheits- und außenpolitischen Interessen, einschließlich der ökonomischen Sicherheit, sowie mit den Werten der USA und den internationalen Standards sind.”[4] Um die Standards bemühe man sich auch (und gerade) deshalb, weil immer mehr Staaten Drohnen entwickeln, produzieren und einsetzen.[5]

„Manchmal ist es besser nichts zu tun“

Im ersten Entwurf der gemeinsamen Erklärung wurden fünf Prinzipien aufgelistet: die Anwendbarkeit von internationalem Recht und Menschenrechten bei der Benutzung von Drohnen; eine Zusage, bestehende Rüstungskontrollregime für den Verkauf von Drohnen in Betracht zu ziehen, wie das Raketentechnologie-Kontrollregime (engl. Missile Technology Control Regime, kurz MTCR); die Exportstaaten sollten ferner die Geschichte und die Verpflichtungen des Empfängerlandes in Bezug auf die Einhaltung von internationalen Normen beachten; Staaten, die bewaffnungsfähige Drohnen exportieren, sollen „angemessene Transparenzmaßnahmen“ ergreifen; und zuletzt eine Resolution, womit sicher gestellt werden soll, dass alle Staaten Drohnen „verantwortungsvoll“ überführen und nutzen.[6]

Der finale Text, wie er nun auch veröffentlicht wurde, ist demgegenüber noch einmal deutlich abgeschwächt. Zunächst steht vor den strukturell beibehaltenen Hauptaspekten, dass keiner davon „aufgefasst werden sollte, das legitime Recht eines jeden Staates zu unterbinden, selbst solche Systeme für legitime Zwecke zu produzieren, zu exportieren oder zu erwerben.”[7] Da der Volltext des früheren Entwurfs der Initiative nicht öffentlich ist, lässt sich nur punktuell ein direkter Vergleich ziehen. Aus den schon sehr vagen „angemessenen Transparenzmaßnahmen“[8] sind zum Beispiel „angemessene freiwillige [Hervorhebung d. Autors] Transparenzmaßnahmen“[9] geworden. Rachel Stohl, Analystin beim Stimson Center, wo sie eine Abteilung zu Drohnen leitet, kritisierte die vorgenommenen Änderungen im Text. So sei das Schriftstück zu einer leeren Hülle geworden. Durch die gemeinsame Erklärung würden bestehende Rüstungskontrollregime unterlaufen, die auf den Export von Drohnen bereits anwendbar seien. Die Obama-Regierung hätte Druck auf andere Regierungen ausgeübt, den USA zu folgen und das Dokument zu unterzeichnen. Einige Regierungen fürchten, durch die Erklärung würde sich die USA der Rechenschaft für ihren bisherigen Gebrauch der Drohnentechnik entziehen wollen und andere Staaten könnten nach der Unterzeichnung so verfahren wie die USA dies getan hat. Auch bezweifelt sie die Hoffnung der US-Administration, nach der Erklärung könnte man weitere Standards auf diesem Gebiet schaffen. Manchmal wäre auch nichts tun besser, schließt sie.[10]

Kurze Liste von Unterzeichnerstaaten

Das US-State Department hat bekannt gegeben, dass 48 weitere Staaten die gemeinsame Erklärung unterzeichnet haben.[11] Auch wurden weitere Gespräche im Frühjahr 2017 angekündigt. Ob hieran auch zivilgesellschaftliche Akteure teilnehmen und sich in den Prozess einbringen können, an dessen Ende ein völkerrechtlich verbindliches Rüstungskontrollregime stehen soll, ist bislang unklar. Dies wird zum Beispiel von Chris Cole von DroneWars.net gefordert.[12] Deutschland hat sich der Initiative ohne großes Aufsehen angeschlossen, nicht einmal eine Pressemitteilung ist zu finden. Die einzige Äußerung der Bundesregierung zu dem Schriftstück kam aus dem Auswertigen Amt noch vor der Unterzeichnung, in der es vorsichtig hieß, man stehe „der Initiative prinzipiell aufgeschlossen gegenüber.“[13] Interessant ist aber, wer sich der Initiative (noch) nicht angeschlossen hat. China, Russland, Israel, Indien, Iran die Vereinigten Arabischen Emirate und die NATO-Verbündeten Frankreich und Türkei fehlen bislang auf der Liste. Allesamt Staaten, die bewaffnungsfähige Drohnen entwickeln, produzieren und auch exportieren und zum Teil auch schon selbst tödlich einsetzen. 60,7% der zwischen 1985 und 2014 exportierten Drohnen wurden in Israel hergestellt, von Frankreich 1,6% (zum Vergleich: die USA exportierten im selben Zeitraum 23,9%).[14] Ob diese Staaten sich noch anschließen ist trotz der sehr schwachen Worte mehr als fraglich, schließlich könnte eine solche Selbstverpflichtung spätere Geschäfte verbauen. Auch in den USA macht man sich um das große Geschäft Gedanken. Da die US-eigenen Standards von 2015 etwas restriktiver sind wie die nun auf der internationalen Bühne präsentierten, wird befürchtet, dass hier ein Nachteil für die heimische Rüstungsindustrie entstehen könnte.[15]

In der Sendung Streitkräfte und Strategien sagte Ulrike Franke, die sich mit Drohnen an der Universität Oxford auseinandersetzt, dass nun zwei Möglichkeiten existieren, wie es mit der US-Initiative weitergeht: „Entweder wir kommen recht schnell zu einer Unterzeichnung allgemeiner Normen. Das würde aber relativ wenig heißen, wenn dort wie derzeit von einem ‚verantwortungsvollen Einsatz‘ die Rede ist. Das ist eine leere Phrase. Wenn die nicht mit mehr gefüllt wird, können da natürlich alle Staaten ihre Unterschrift drunter setzen. Aber das wird nicht viel heißen. Die andere Version ist, und das wäre wünschenswerter, dass es tatsächlich zu einer Diskussion kommt und man sich zumindest auf gewisse Standards einigt.“[16]

Letzteres würde die jetzige US-Administration sicherlich gerne erreichen, auch um zum Ende der Amtszeit Obamas ein positiveres Image zu schaffen. Weg vom Drohnenpräsidenten, der Hochzeitsgesellschaften in den Stammesgebieten in Pakistan beschießen lässt, hin zu dem Präsidenten, der immerhin internationale Standards und Beschränkungen schafft, die jedoch für seine Amtszeit gar nicht galten. Wie dann der oder die Amtsnachfolger_in weiter verfährt und was sich dann aus der Initiative ergibt, bleibt abzuwarten.

Aber auch die ökonomischen und sicherheitspolitischen Aspekte können den nun gewählten Zeitpunkt für den Vorstoß erklären. Immer mehr Staaten produzieren Drohnen und bringen sie in Umlauf, so entstand eine neue Konkurrenz für die US-Industrie in diesem Rüstungsindustriesegment. Und auch die Gefahr vor Angriffen gegen US-Ziele mit Hilfe von Drohnen, ob nun durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure, nimmt zu, weshalb nun vermehrt in Abwehrwaffen investiert wird. So plant das DARPA, die Rüstungsforschungsabteilung des Pentagon, eine auf Trucks und Schiffen montierbare Laserwaffe, um Drohnen damit zum Absturz bringen zu können, bis 2020 einsatzbereit zu haben.[17]

Wenn die Standards so niedrig sind und auch bleiben, ist die Gefahr, dass Staaten im Prinzip mit einem Blankoscheck versorgt werden, so dass die „Regierungen ungestraft handeln können und behaupten können, sie handelten verantwortungsvoll“, so Rachel Stohl.[18]

Anmerkungen

[1] Aaron Mehta (DefenseNews.com, 25.8.2016): US Seeking Global Armed Drone Export Rules.

[2] Andreas Flocken (NDR.de, 8.10.2016): Streitkräfte und Strategien. Sendungsmanuskript vom 8.10.2016, S. 15.

[3] Aaron Mehta (DefenseNews.com, 25.8.2016): US Seeking Global Armed Drone Export Rules.

[4] Office of the Spokesperson (state.gov, 17.2.2016): U.S. Export Policy for Military Unmanned Aerial Systems. Englisches Original, Deutsche Übersetzung durch Autor: „the United States has a responsibility to ensure that sales, transfers, and subsequent use of all U.S.-origin UAS are responsible and consistent with U.S. national security and foreign policy interests, including economic security, as well as with U.S. values and international standards.”

[5] Ebd.

[6] Aaron Mehta (DefenseNews.com, 25.8.2016): US Seeking Global Armed Drone Export Rules.

[7] Office of the Spokesperson (state.gov, 5.10.2016): Joint Declaration for the Export and Subsequent Use of Armed or Strike-Enabled Unmanned Aerial Vehicles (UAVs). Im Englischen Original, Deutsche Übersetzung durch Autor: „should be construed to undermine the legitimate interest of any State to indigenously produce, export, or acquire such systems for legitimate purposes.”

[8] Zitiert nach Aaron Mehta (DefenseNews.com, 25.8.2016): US Seeking Global Armed Drone Export Rules. Im Englischen Original, Deutsche Übersezung durch Autor: „appropriate transparency measures.”

[9] Office of the Spokesperson (state.gov, 5.10.2016): Joint Declaration for the Export and Subsequent Use of Armed or Strike-Enabled Unmanned Aerial Vehicles (UAVs). Im Englischen Original, Deutsche Übersetzung durch Autor: „appropriate voluntary transparency measures.”

[10] Rachel Stohl (DefenseNews.com, 29.9.2016): New Draft on Drone Export Rules ‚More Problematic‘ Than Original.

[11] Office of the Spokesperson (state.gov, 5.10.2016): Joint Declaration for the Export and Subsequent Use of Armed or Strike-Enabled Unmanned Aerial Vehicles (UAVs).

[12] Chris Cole (DroneWars.net, 14.10.2016): Armed drones control process must be opened to civil society groups and drone victims.

[13] Maria Böhmer (Antwort auf Schriftliche Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE.). Bundestag.de, 9.9.2016): Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 5. September 2016 eingegangenen Antworten der Bundesregierung.

[14] George Arnett (The Guardian, 16.3.2016): The numbers behind the worldwide trade in drones.

[15] Jaqueline Klimas (Washington Examiner, 7.10.2016): New drone export rules could give foreign firms an edge over U.S. industry.

[16] Andreas Flocken (NDR.de, 8.10.2016): Streitkräfte und Strategien. Sendungsmanuskript vom 8.10.2016, S. 16.

[17] Kelsey D. Atherton (PopularScience.com, 18.08.2016): DARPA Wants A New Anti-Drone Weapon By 2020.

[18] Aaron Mehta (DefenseNews.com, 5.10.2016):  White House Rolls Out Armed Drone Declaration. Englisches Original, Deutsche Übersetzung durch Autor: „they provide a blank check to governments to act with impunity and claim they have acted responsibility.”