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Online-Zeitschrift „IMI-List“
Nummer 0441 ………. 18. Jahrgang …….. ISSN 1611-2563
Hrsg.:…… Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jürgen Wagner / Christoph Marischka
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Archiv: ……. https://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) ein IMI-Text zum anstehenden „Tag der Bundeswehr“;
2.) Hinweise auf weitere neue Artikel auf der IMI-Homepage.
1.) Neue Artikel auf der IMI-Homepage
IMI-Standpunkt 2015/021
Die Grünen: Moralbemäntelte Geopolitik
Jürgen Wagner (29. Mai 2015)
IMI-Standpunkt 2015/020
Selbst-Profilierung im Bürgerkrieg
Grundlage für Verschleppungen und Folter in der Ukraine sind häufig auf den Handys gefundene Bilder politischer Kundgebungen
Bernhard Klaus (29. Mai 2015)
IMI-Standpunkt 2015/019
Prozess gegen Drohnenangriffe über US-Luftwaffenbasis in Ramstein
Kundgebung am 27. Mai in Berlin
Prozess gegen Drohnenangriffe über US-Luftwaffenbasis in Ramstein
Christoph Marischka (11. Mai 2015)
IMI-Analyse 2015/018 – in: Greenville Post, 22.4.2015
Ukraine: The Long Arm of the EU
The Association Agreement and Expansionist Policies
Jürgen Wagner (Translation by Paul Carline) (27. April 2015)
IMI-Standpunkt 2015/018
“Seenotrettung” als Teil des Problems: Dass Menschen ihr Leben riskieren müssen
„Seenotrettung“ als Teil des Problems: Dass Menschen ihr Leben riskieren müssen
Christoph Marischka (21. April 2015)
2.) Text zum „Tag der Bundeswehr“
IMI-Analyse 2015/021
Der „Tag der Bundeswehr“
Kostspieliges Agit-Prop-Happening
Christian Stache (21. Mai 2015)
Am 13. Juni 2015 lässt das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) „anlässlich des 60-jährigen Bestehens“ und des 25-jährigen Jubiläums der „Armee der Einheit“[1] erstmalig in der Geschichte des deutschen Militärs einen „Tag der Bundeswehr“ feiern. Noch ist nicht klar, ob es sich um ein einmaliges Experiment oder um ein zu institutionalisierendes Event handelt.
An den Premierenfeierlichkeiten beteiligen sich laut der Homepage der Armee bundesweit fünfzehn Standorte „von Flensburg im hohen Norden bis Bischofswiesen im tiefen Süden Deutschlands, von Nörvenich im Westen bis Storkow im Osten“. Alle Teilbereiche der Truppe sind in die Aktivitäten involviert.
Die Feierlichkeiten dienen vor allem der Rekrutierung und Propaganda, der Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft und der Konsolidierung der zivilmilitärischen Zusammenarbeit. Insgesamt lässt sich das BMVg das Agit-Prop-Event, einer der zentralen Pfeiler der ideologischen Mobilmachung im Zuge der im letzten Jahr initiierten „Attraktivitätsoffensive“ der Bundeswehr, mindestens eine halbe Million Euro kosten.
Waffen, Werbung und politisches Palaver – 15mal eindimensionale Vielfalt
Während der „Tag der Bundeswehr“ an zwölf der fünfzehn Standorte in den Kasernen begangen wird, gibt es in drei Städten „eine Besonderheit“: in der ehemaligen Hauptstadt Westdeutschlands, Bonn, „am größten Marinestandort“[2] der BRD in Wilhelmshaven und am Sitz des Führungskommando des Sanitätsdiensts in Koblenz werden die Militärs auch „auf dem Rathausplatz“[3] anzutreffen sein.
In Bonn spielt die Big Band der Bundeswehr, in Koblenz tritt der lokal ansässige Comedian Rainer Zufall[4] auf. An der Küste in Wilhelmshaven öffnen Kampfschiffe, wie z.B. die Fregatte Hamburg, ihre Luken für Besucher. „Betreiber des Sonderfeldpostamtes“ warteten auf „fleißige“ Autoren, die Briefe an die Soldaten an der Front schreiben, „und die kleineren Gäste“ könnten „sich in einer Kinder-Spiellandschaft“ vergnügen. Selbstverständlich seien auch Mitarbeiter des „Karrierecenters“ Wilhelmshaven vor Ort.[5] Außerdem gibt es Hafenrundfahrten, Einsatzsimulationen der „Tauchertruppe“ und ein Konzert des Luftwaffenmusikkorps Münster. Auch in Warnemünde werden Schiffsbesichtigungen angeboten.
Das politische Hauptevent findet jedoch in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover statt. Dort wird Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zu Gast sein, „deren Ansprache zum Tag der Bundeswehr an alle anderen Standorte übertragen wird“[6]. In der „Messestadt“ koordiniert das „Kommando Feldjäger der Bundeswehr mit vielen Unterstützern“ aus nahezu allen militärischen und zivilen Teilbereichen des Militärs und ihren Vorfeldorganisationen, wie z.B. dem Reservistenverband, die Aktivitäten. Es bestünden „Möglichkeiten, mit den Jugendoffizieren, der Karriereberatung der Bundeswehr oder an Ausstellungsfahrzeugen mit Soldaten der Bundeswehr ins Gespräch zu kommen“, berichtet der zuständige Offizier, Oberstleutnant Stefan Kisro. Auch hier ist für die Beteiligung von Kindern gesorgt – dank der „Teilnahme des Familienbetreuungszentrums Hannover“. Moderiert wird der Tag durch den Haus- und Hofsender der Bundeswehr Radio Andernach.[7]
Im nordhessischen Fritzlar werde der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zufolge sogar die Autobahn 49 zu einem 26 Kilometer langen Parkplatz in beide Richtungen umfunktioniert und ein Shuttle-Service mit rund 100 Bussen eingerichtet[8], damit die Schaulustigen das Kampfhubschrauberregiment 36, die Fallschirmjäger aus Stadtallendorf, die Feldjäger aus Rotenburg und Soldaten aus Schwarzenborn besuchen können. Wie die Hessisch/Niedersächsische Allgemeine (HNA) berichtet, sorgen zudem über 1.000 Helfer dafür, dass die Besucher etwa an Flugschauen mit dem Kampfhubschrauber Tiger und den Hubschraubern NH90, Bell UH-1D und BO-105 teilnehmen können.[9] Der hessische Rundfunk weiß zudem von „Nahkampfvorführungen“, denen man beiwohnen kann.[10] Flugshows gibt es auch im bayrischen Manching.
Ebenfalls in Bayern, in Bischofswiesen, präsentieren die Gebirgsjäger sich und ihre Panzer Leopard, Marder oder Biber. In Leipzig kommen „Bundeswehrdienststellen aus ganz Sachsen“ zusammen, um für Ausbildungen beim Militär zu werben. Natürlich fehlt auch hier nicht die obligatorische Waffenschau mit Panzerhaubitze, dem Panzer Stryker usw. Hiesiges Special ist die Teilnahme der US-Army, die ihren kampferprobten Hubschrauber Apache vorführt.[11]
Neben den bereits genannten Orten wird es noch in Kasernen in Rostock, Eckernförde, Burg und Laupheim Veranstaltungen geben. Mit Ausnahme der drei Stadtstaaten und Thüringens, in deren unmittelbarer Nähe aber ebenfalls Performances in Tarnfarben stattfinden, beteiligen sich Standorte in allen Bundesländern am Event. Der „Tag der Bundeswehr“ wird also „flächendeckend“ durchgeführt. Countdown und Vorbereitungen liefen, so ist auf dem Internetportal des Militärs zu lesen, auf Hochtouren. Dabei ähneln sich die Programme bundesweit: Neben den klassischen Waffenschauen und nachgestellten Einsätzen setzt die Bundeswehr auf Militärmusik, die Beteiligung der Einheiten zur Nachwuchsgewinnung und auf Familienfreundlichkeit. Im neoliberalen Neusprech der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit heißt das, die Militärs präsentieren „die ganze Vielfalt“[12] der Truppe.
Mindestens eine halbe Million für Bundeswehr-Happening
Laut einer Kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag wendet die Hardthöhe für den „Tag der Bundeswehr“ 550.000 Euro auf. Von den insgesamt für das Jahr 2015 veranschlagten mehr als 2,7 Millionen Euro für die PR-Arbeit der Bundeswehr handelt es sich damit um den größten Posten. Allerdings werden die Gelder auf die Landeskommandos, die Organisationsbereiche der Bundeswehr und die „weiteren Ausgaben“ verteilt.[13] Gegenüber der Tageszeitung junge Welt bezifferte ein Sprecher des BMVg, der namentlich nicht genannt werden wollte, die finanziellen Aufwendungen für den „Tag der Bundeswehr“ sogar auf bis zu 2,375 Millionen Euro. Im „Einzelplan“ für den Militärhaushalt seien flexible Mittel vorgesehen.[14]
Rekrutierung, Propaganda, gesellschaftliche Verankerung und zivilmilitärische Zusammenarbeit
Wofür aber der ganze Aufwand und die enormen Kosten? Die Bundeswehr verfolgt gleichzeitig mehrere Ziele mit dem „Tag der Bundeswehr“.
Es geht, so das Mantra der Bundesverteidigungsministerin, erstens darum, die Bundeswehr „zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland“ zu machen und neue Rekruten für den Kriegsdienst zu gewinnen. Die Reform von einer Wehrpflicht- zu einer Freiwilligen- und Berufsarmee bereitet den Militärs immer noch Probleme bei der Nachwuchsgewinnung. Inszenierungen wie im Juni dienen dazu, Aufmerksamkeit für den Konzern Bundeswehr zu generieren und damit potentielle Soldaten anzuziehen. Das erklärt auch, warum den Kasernenbesuchern an nahezu allen Standorten „Einblicke in die vielfältigen militärischen und zivilen Berufsfelder, die die Bundeswehr anbietet“, gewährt werden. Dazu gehört unter anderem, die mutmaßlich „familienfreundlichen Rahmenbedingungen“ beim Militär hervorzuheben, z.B. durch „Attraktionen für Kinder“.
Zweitens geht es darum, bestimmte Vorstellungen über die Truppe und ihr Tun in den öffentlichen Diskurs zu bringen und sie dort zu verfestigen. Im politisch-militärischen Establishment der Bundesrepublik herrscht die Auffassung vor, es werde in der Zivilgesellschaft zu wenig über „Sicherheitspolitik“ diskutiert. Der „Tag der Bundeswehr“ nötigt einerseits die Medien zur Berichterstattung. Andererseits sind an den 15 Standorten „Diskussionsrunden und Polit-Talk“ fest eingeplant. Dafür engagiert sich sogar die politische Führungsspitze, wie etwa Bundesverteidigungsministerin von der Leyen oder Staatsminister Hoofe.[15] Dass der Diskurs keineswegs kritisch sein wird, d.h. die Institution Bundeswehr oder ihre imperialistischen Einsätze in Frage stellt, versteht sich von selbst.
Drittens dienen die Aktivitäten der „Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft“. Mangelnde Akzeptanz und fehlender Rückhalt für die Armee und ihre militärischen Operationen an der Heimatfront sind ein wesentlicher Pfeiler für eine erfolgreiche Kriegspolitik und zugleich immer noch eines der virulenten Probleme für die herrschende Klasse in Deutschland. Ein Mittel, um es peu à peu aus der Welt zu schaffen, sei das „persönliche Erleben und der unmittelbare Kontakt und Dialog“ – nicht nur, aber auch am „Tag der Bundeswehr“.
Schließlich wird die sogenannte zivilmilitärische Zusammenarbeit mit dem Event bekräftigt und vertieft, d.h. die Kooperation zwischen Militär und zivilen Behörden des Staates und anderen Teilen der Zivilbevölkerung. „Ob Städte, Gemeinden oder Landkreise, ob Vereine, Verbände oder Reservisten – sie alle organisieren die regionale Ausplanung dieses besonderen Tages Seite an Seite.“ Welche Städte, Gemeinden, Vereine usw. sich genau und in welcher Form am „Tag der Bundeswehr“ beteiligen, ist derzeit nicht bekannt.
„Attraktivitätsoffensive“: materielle Zugeständnisse und ideologischer Kitt
Die Bundeswehr hat auf „ihren“ Tag laut eigenen Angaben „sage und schreibe 60 Jahre“ warten müssen. Als die Bundesverteidigungsministerin im vergangenen Jahr ihre Pläne für die Attraktivitätsoffensive „Bundeswehr in Führung – Aktiv. Attraktiv. Anders.“ vorstellte und die Bundesregierung das sogenannte Artikelgesetz beschloss[16], stand er aber nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die materiellen Zugeständnisse, die die politische Klasse ihren Untergebenen für ihre Gefolgschaft machte, wie z.B. die Solderhöhungen, neue Rekrutierungsstrategien und die bessere Ausstattung der Kasernen, dominierten die Schlagzeilen.
Dabei gehören die weichen, ideologisch-symbolischen Elemente zur Steigerung des Ansehens der „Armee im Einsatz“ an der Heimatfront sowie zur Integration und Verankerung des Militärs in der Gesellschaft ebenso zum Programm der Hardthöhe. Im Wesentlichen handelt es um drei „Maßnahmen“: den „Tag der Bundeswehr“, „zeitgemäße, emotional ansprechende“ Ausstellungen an den Militärstandorten über deren Geschichte und einen „neuen, jährlich zu vergebenden Preis ‘Bundeswehr und Gesellschaft’“. Mit den Ausstellungen will die Bundeswehr „ihre eigene Geschichte und besonderen Leistungen (…) sichtbar machen. Der Preis soll „das Engagement von Personen und Institutionen würdigen, die sich auf allen gesellschaftlichen Ebenen in besonderem Maße für die Belange der Bundeswehr oder ihrer Angehörigen“ eingesetzt haben.[17] In diesem Jahr wird der mit 2.500 Euro dotierte Preis erstmalig vergeben.[18] Die drei Initiativen zusammen bilden einen Teil des ideologischen Kitts, mit dem die Risse im kollektiven Bewusstsein gefüllt werden sollen, die insbesondere durch die militärischen Interventionen von deutschem Boden, ihren Folgen seit 1990 und durch die einschlägige Geschichte des aggressiven deutschen Imperialismus entstanden sind.
Anmerkungen
[1] Die Geschichte der Bundeswehr und insbesondere die Periode nach der Annexion der DDR werden hier aufgrund ihrer Komplexität und ihres Umfangs nicht näher behandelt.
[2] Bundeswehr/PIZ Marine (28.4.2015): Tag der Bundeswehr: Abwechslung pur in Wilhelmshaven.
[3] Bundeswehr/Heike Pauli (19.5.2015): Premiere in ganz Deutschland: Tag der Bundeswehr am 13. Juni.
[4] http://www.rainerzufall.com/
[5] Vgl. Fußnote 2.
[6] Landeskommando Niedersachsen: Presseterminhinweis. Tag der Bundeswehr am 13. Juni bundesweit – und bei Ihnen. 28. April 2015. http://www.feldjaeger.de/main/Presseterminhinweis-TdBw-Hannover.pdf
[7] Bundeswehr/Oliver Arning (27.4.2015): „Tag der Bundeswehr“ – hautnah erleben bei den Feldjägern in Hannover.
[8] FAZ (14.04.2015): Tag der Bundeswehr: A49 wird zum Parkplatz.
[9] Maya Yüce/HNA (29.4.2015): 1000 zivile Helfer beim Tag der Bundeswehr: Militär stellt sich vor.
[10] HR-Online (14.4.2015): A49 wird zum Mega-Parkplatz.
[11] Bundeswehr/Andreas Aschert (13.5.2015): Die Ausbildung präsentiert sich in Leipzig.
[12] Vgl. Fußnote 3.
[13] Bundestag Drucksache 18/4525
[14] Susan Bonath/junge Welt (20.4.2015): Pompöses Militärevent.
[15] Bundeswehr/Zentralredaktion der Bundeswehr (11.2.2014): Gerd Hoofe. Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung.
[16] Christian Stache (2.12.2014): „Aktiv. Attraktiv. Anders. – Bundeswehr in Führung“. Die aktuelle Reklame- und Rekrutierungsskampagene der Bundeswehr. IMI-Analyse 2014/037.
[17] Bundeswehr/Presse- und Informationsstab BMVg (17.7.14): Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft.
[18] Im März 2015 wurde die Form des Preises festgelegt. Eine Jury entschied sich für den Entwurf der Künstlerinnen Annika Unger und Anja Lapatsch. Vgl. Bundeswehr/Jennifer Fiebig-Schulze (5.3.15): Vorgestellt: Der Preis „Bundeswehr und Gesellschaft“.