IMI-Standpunkt 2013/036 - in: junge Welt, 02.08.2013
Forschen für den Krieg
Universitäten in Deutschland erhalten jährlich Millionenbeträge vom Verteidigungsministerium. Widerstand dagegen nimmt zu
von: Michael Schulze von Glaßer | Veröffentlicht am: 2. August 2013
Rund 19 Millionen Euro hat das Verteidigungsministerium in den Jahren 2007 bis 2012 für die Erforschung neuer Wehrtechnik ausgegeben, 15 Millionen für wehrmedizinische Forschung. Bekannt wurde dies Ende Juli durch Antworten des Ministeriums auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur dpa. Hinzu kamen Millionenaufträge in anderen für das Militär relevanten Wissenschaftsbereichen. Insgesamt widmeten sich in besagtem Zeitraum 124 durch das Ministerium finanzierte Hochschulprojekte der wehrtechnischen Forschung und Technologie, 30 Projekte wurden allein 2012 vergeben.
Besonders die Universität Kiel bekam in den letzten Jahren Geld vom Verteidigungsministerium. Mit den vier Millionen Euro wurde etwa eine Studie zur »Aufstandsbekämpfung« finanziert. Dabei ging es vor dem Hintergrund des Afghanistan-Einsatzes um Empfehlungen an die Politik für eine effektivere ressortübergreifende Zusammenarbeit.
Dem Kieler Studenten Ruben Reid gefällt das gar nicht: »Die Studierenden in Kiel haben sich vor kurzem mehrheitlich gegen Militärforschung an der Uni ausgesprochen«, so Reid. Der 22jährige setzt sich für eine sogenannte »Zivilklausel« ein, mit der Forschung und Lehre für Krieg und Militär an Hochschulen unterbunden werden soll: »Wir haben ein großes Transparenzproblem und wissen gar nicht genau, wo die Gelder des Ministeriums überall verwendet werden und ob auch die Rüstungsindustrie hier forschen läßt«, erklärt Reid ein aktuelles Problem an der Universität.
Doch schon haben sich die Zivilklauselgegner in Kiel in Position gebracht. Das von einem ehemaligen Korvettenkapitän der Bundeswehr geleitete »Institut für Sicherheitspolitik« lehnt eine Zivilklausel ab. Der Direktor des Instituts, Professors Joachim Krause, reagierte sogar mit einem Brandbrief auf die Zivilklauselinitiative an der Hochschule: Es handele sich bei der Zivilklausel um eine vor allem von »linksextremen Gruppen« geforderte »Mogelpackung«, um »den Betrieb an der Universität entweder in ihrem Sinne zu steuern oder diesen zu stören«. Krause scheint eine Verschwörung hinter der aktuellen Zivilklauselbewegung an Universitäten zu sehen: »Derzeit sind vor allem Universitäten dran, die in Orten sind, die mit K anfangen, wie Kiel, Köln oder Kassel. Ein Schelm, wer sich dabei was Böses denkt.« Die Stellungnahme, die an der Universität kursiert, endet mit einem Nazivergleich. Das durch Zivilklauseln festgeschriebene Verbot der Zusammenarbeit von Hochschulen und Militär erinnere »fatal an Zeiten, in denen Universitäten in Deutschland nicht mit Menschen oder Institutionen kooperieren durften, weil diese jüdisch waren.«
»Der Institutsdirektor kann froh sein, daß gerade Semesterferien sind, sonst sähe er sich wohl mit Rücktrittsforderungen konfrontiert«, konstatiert Student Ruben Reid. Er sieht die Befürworter einer Zivilklausel in Kiel und auch bundesweit auf einem guten Weg: »Die Vernetzung könnte noch besser sein, aber wir haben die besseren Argumente, und es geht voran.«
Auch Monty Schädel, politischer Geschäftsführer der »Deutschen Friedensgesellschaft«, sieht die Bewegung im Kommen: »Die Zivilklauselgruppen könnten zu einer neuen Friedensbewegung führen.« Viele junge Menschen hätten in letzter Zeit entdeckt, daß Frieden nicht von irgendwoher komme, sondern sie dafür aktiv etwas tun müssen. Daß die engagierten Studenten dabei auch auf Widerstand treffen, sei vorhersehbar: »Konservative und Militärs wollen immer an dem festhalten, was sie haben und dem Frieden nichts geben«, so Schädel.
Das mußten zuletzt Studierende der Uni Köln erfahren, wo eine Zivilklausel vom Senat vorerst abgelehnt wurde. Auch in Kassel stockt die Diskussion. Zwar soll es an der nordhessischen Universität bald eine Zivilklausel geben, um die Ausformulierung wird aber schon seit Monaten gestritten. Immerhin: Der Senat der Universität Münster hat vor wenigen Wochen eine Zivilklausel beschlossen. Damit haben sich mittlerweile bundesweit rund ein Dutzend Universitäten die Selbstverpflichtung auferlegt, keine Kriegs- und Militärforschung mehr zu betreiben – nicht alle Hochschulen lassen sich ihre Unabhängigkeit vom Verteidigungsministerium abkaufen.