[0377] Rüstungsexportoffensive / EU-Einsätze / Falkland

von: 17. Juli 2012

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Online-Zeitschrift „IMI-List“
Nummer 0377 ………. 15. Jahrgang …….. ISSN 1611-2563
Hrsg.:…… Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ……. https://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1) der Hinweis auf zwei neue Texte zu drei neuen EU-Einsätzen sowie dem Konflikt um die Falkland-Inseln;

2) eine IMI-Analyse über die Planungen zur „Vereinfachung“ deutscher Rüstungsexporte.

1) Artikel zu EU-Einsätzen und dem Falkland-Konflikt

IMI-Analyse 2012/014 – in: Telepolis (16.7.2012)
Drei neue EU-Missionen auf dem afrikanischen Kontinent
Schutz kritischer Infrastrukturen, Aufstands- und Pirateriebekämpfung

Drei neue EU-Missionen auf dem afrikanischen Kontinent


Christoph Marischka (17. Juli 2012)

IMI-Analyse 2012/012
Britische „Falkland Islands“ oder argentinische „Islas Malvinas“?
Geopolitik im Südatlantik

Britische „Falkland Islands“ oder argentinische „Islas Malvinas“?


Mirko Petersen (12. Juli 2012)

2.) Deutsche Rüstungsexportoffensive

IMI-Analyse 2012/013
Rüstungsexportoffensive
Das EU-Verteidigungspaket führt zu einer Absenkung der Rüstungsexportbeschränkungen

Rüstungsexportoffensive


Jürgen Wagner (17. Juli 2012)

Für viel Wirbel sorgte Mitte Juli 2012 ein Bericht des Spiegel, demzufolge die Bundesregierung plane, den Export von Rüstungsgütern zu vereinfachen. Daraufhin hagelte es selbst aus Reihen der CDU harsche Kritik: „Waffen sind kein Gut wie jedes andere“, merkte etwa der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, an. „Aus guten Gründen sollte unsere Rüstungsexport-Politik restriktiv bleiben.“[1] Obwohl die jetzt anvisierte Gesetzesnovelle bereits im schwarzgelben Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2009 angekündigt worden war, beeilte sich die Bundesregierung angesichts der zahlreichen kritischen Stimmen zu versichern, es gehe ihr dabei keineswegs darum, den ohnehin florierenden deutschen Waffenhandel noch weiter anzukurbeln. Man setze lediglich EU-Recht um, was ausschließlich Auswirkungen auf innereuropäische Rüstungstransfers hätte – die „restriktiven“ Exportregelungen mit Bezug auf Staaten außerhalb der Europäischen Union blieben hiervon unberührt.[2]

Diese Aussage ist zwar nicht vollkommen falsch, erzählt allerdings nur die halbe Wahrheit, was in der gegenwärtigen Debatte aber leider zumeist übersehen wird. Denn tatsächlich zielt die Umsetzung des EU-Verteidigungspaketes („Defence Package“) vordergründig lediglich auf die Frage innereuropäischer Rüstungstransfers. In der Praxis soll damit aber erreicht werden, dass sich die europaweiten Regelungen für Rüstungsexporte in Drittländer faktisch dem kleinsten gemeinsamen Nenner annähern. Davon erhoffen sich die EU-Staaten, ihre Position als Rüstungsexportweltmeister weiter festigen zu können – vor allem die deutsche Rüstungsindustrie soll hiervon extrem profitieren. Denn im Ergebnis droht dadurch, dass die ohnehin schon extrem durchlässigen, im Verhältnis aber noch halbwegs hohen deutschen Exporthürden faktisch noch weiter abgesenkt werden.

„Der dritte Platz ist eine Schande“

Die Länder der Europäischen Union können auch 2011 zum wiederholten Mal den zweifelhaften Erfolg für sich reklamieren, den Titel des Rüstungsexportweltmeisters errungen zu haben. Allein die deutschen Rüstungsexporte sind zwischen 2007 und 2011 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2002 bis 2006 nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) um 37% angestiegen.[3] Hinter den USA und Russland reiht sich Deutschland 2011 erneut als drittgrößter weltweiter Waffenlieferant ganz oben auf der Liste der Staaten ein, deren Konzerne vom Geschäft mit dem Tod am meisten profitieren: „Der dritte Platz ist eine Schande“, titelte die Berliner Zeitung (20.03.2012).

Viele dieser Exporte werden an Länder mit – vorsichtig formuliert – zweifelhafter Menschrechtsbilanz und/oder in Krisengebiete exportiert. In den letzten zehn Jahren genehmigte etwa Deutschland Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien in Höhe von 675 Mio. Euro, nach Bahrain in Höhe von 22 Mio. Euro, in den Jemen in Höhe von 12 Mio. Euro und nach Ägypten in Höhe von 268 Mio. Euro. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum deutsche Exporte im Umfang von 3,5 Milliarden Euro in die Länder im Nahen Osten und Nordafrika genehmigt.[4] Mathias John, Rüstungsexperte von Amnesty International, äußerte sich hierzu folgendermaßen: „Diese Waffenlieferungen sind genehmigt worden, obwohl schon damals ein erhebliches Risiko bestand, daß damit Menschenrechtsverletzungen begangen werden.“[5]

Doch diese „Erfolge“ gehen Politik und Rüstungsindustrie augenscheinlich noch nicht weit genug, wie die jüngsten Versuche zeigen, die Rüstungsexporttätigkeiten noch weiter anzukurbeln.

„Rüstungsexporte sind überlebenswichtig“

„Experten“ aus Wirtschaft, Politik und Militär sind sich einig: Aufgrund angeblich drastischer Kürzungen des Verteidigungsetats sinke die Inlandsnachfrage nach Militärgütern, weshalb der Export angekurbelt werden müsse. Nur so könne die vor sich hindarbende Rüstungsindustrie vor dem Ruin bewahrt werden. So äußerte sich etwa Heinz Marzi, bis Ende 2010 Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV): „Mit einem zurückgehenden nationalen Budget werden für die deutsche wehrtechnische Industrie die Exporte ihrer Produkte zunehmend immer wichtiger und notwendiger.“[6] Der aktuelle BDSV-Geschäftsführer Christian-Peter Prinz zu Waldeck erklärte die Ausweitung der Exporttätigkeiten sogar zu einer existenziellen Angelegenheit: „Es ist eine Frage des Überlebens: Wollen wir diese Industrie erhalten oder wollen wir sie nicht erhalten.“[7]

Tatsächlich basieren solche Aussagen – ganz abgesehen von ihrer moralischen Fragwürdigkeit – auf einer grottenfalschen Grundannahme: In Wahrheit steigt der Rüstungshaushalt ungeachtet aller Lippenbekenntnisse ebenso weiter an, wie auch dessen investitiver Anteil.[8] Dennoch kam auch der „Bericht der Strukturkommission der Bundeswehr“, eine der wesentlichen Vorarbeiten zum derzeit ablaufenden Umbau der Truppe, zu folgender Einschätzung: „Angesichts der konsequenten Einsatzausrichtung und der damit verbundenen Straffung der internen Prozesse und Strukturen wird die deutsche wehrtechnische Industrie nicht mehr durch den ‚Hauptkunden Bundeswehr‘ ausgelastet sein. […] Die deutsche wehrtechnische Industrie wird mehr noch als bisher vom Export und der zivilen Verwertbarkeit der Produkte abhängig sein.“[9]

Der anvisierten Ausweitung der Rüstungsausfuhren stünden aber, so die einhellige Meinung, die allzu restriktiven deutschen Exportbeschränkungen im Wege. Aus diesem Grund, so etwa Rüstungsmann Heinz Marzi, müssten die „im europäischen Vergleich [in Deutschland] immer noch restriktiven Rüstungsexportbestimmungen […] auf europäischer Ebene harmonisiert werden.“[10] Ganz ähnlich forderte auch die Strukturkommission der Bundeswehr: „Die Angleichung der nationalen Rüstungsexportrichtlinien an europäische Standards.“[11] Vollkommen ungeniert gibt auch der deutsche CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn – früher u.a. in der Pressestelle von Krauss-Maffei Wegmann tätig – zum Besten, er halte es “für denkbar, die deutschen Rüstungsexportrichtlinien etwas zu lockern.”[12]

Neufassung der Exportregelungen

Tatsächlich wurde die nun vorgelegte und von vielen Stellen geforderte Novellierung des Außenwirtschaftsrechts bereits im schwarzgelben Koalitionsvertrags von 2009 angekündigt – insofern ist die nun allseits geäußerte Überraschung hierüber – nun ja: überraschend: „Das Außenwirtschaftsrecht (Außenwirtschaftsgesetz [AWG] und Außenwirtschaftsverordnung [AWV]) wird entschlackt und übersichtlicher ausgestaltet. Es werden Vorschriften gestrichen, die deutsche Exporteure gegenüber ihren europäischen Konkurrenten benachteiligen. Bei der Anwendung des Außenwirtschaftsrechts muss der internationalen Wettbewerbssituation der deutschen Wirtschaft mehr als bisher Rechnung getragen werden. Es wird hier ein ‚level-playing-field‘ geschaffen. Es bleibt bei der verantwortungsbewussten Genehmigungspolitik für die Ausfuhr von Rüstungsgütern. Um faire Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Wirtschaft zu gewährleisten, wird eine Harmonisierung mit der Genehmigungspolitik der anderen EU-Staaten auf hohem Niveau angestrebt.“[13]

Von einer „Genehmigungspolitik auf hohem Niveau“ kann allerdings hinsichtlich der beiden Ende Juni 2012 vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Referentenentwürfe zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Außenwirtschaftsverordnung keine Rede sein. Im Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts“ werden die Passagen aus dem schwarzgelben Koalitionsvertrag von 2009 wortgleich aufgegriffen: „Umsetzung der Vorgabe des Koalitionsvertrags, das Außenwirtschaftsrecht zu vereinfachen und deutsche Sondervorschriften aufzuheben, die deutsche Exporteure gegenüber ihren europäischen Konkurrenten benachteiligen.“[14]

Primär geht es also hier in der Tat vordergründig um die Frage innereuropäischer Rüstungsexporte – die allerdings nun verniedlichend „Verbringungen“ genannt werden. Entscheidend ist aber, dass die Bundesregierung glauben machen will, dies hätte keinerlei Einfluss auf Exporte in Länder außerhalb der Europäischen Union: „Durch die im Koalitionsvertrag vereinbarte und jetzt vorgelegte Novelle des Außenwirtschaftsrechts werden die Regelungen über den Export von Rüstungsgütern ausdrücklich nicht berührt.“[15]

Von derartigen Versicherungen sollte man sich aber keinen Sand in die Augen streuen lassen: Denn im Wesentlichen setzt die Bundesregierung nun die Vorgaben des sog. EU-Verteidigungspaketes um, dessen mehr oder weniger verstecktes Ziel genau darin besteht, die europaweiten Rüstungsexporthürden möglichst weit abzusenken.

Verbringungsrichtlinie als versteckte Rüstungsexportoffensive

Der große „Rüstungsexportwurf“ gelang der Europäischen Union mit der Verabschiedung der „Richtlinie zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern“ (kurz: Verbringungsrichtlinie) im Mai 2009. Sie ist Teil des EU-Verteidigungspaketes zur Stärkung der EU-Rüstungsindustrie und soll im August 2012 europaweit in Kraft treten. Das offizielle Ziel der Verbringungsrichtlinie besteht darin, das Genehmigungssystem für innereuropäische Exporte zu vereinfachen. Hiervon verspricht man sich Einsparungen von jährlich etwa 400 Mio. Euro, v.a. sollen damit aber existierende Ausfuhrbeschränkungen aufgeweicht bzw. umgangen werden.

Vereinfacht formuliert wird mit der Verbringungsrichtlinie das Zertifizierungssystem für innereuropäische Waffentransfers von Vorabkontrollen auf Nachkontrollen umgestellt, die noch nicht einmal bindend erfolgen müssen. Salopp gesagt werden damit Persilscheine ausgestellt, innerhalb der Europäischen Union Rüstungsgüter nahezu beliebig „verbringen“ zu können. Dies ist besonders deshalb problematisch, da die Regelungen, was den möglichen Re-Export anbelangt, vollkommen ungenügend sind. Strenge nationale Exportbeschränkungen könnten sich somit relativ einfach durch einen Vorabexport in ein „großzügigeres“ EU-Land aushebeln lassen: „Besonders wenn sie re-exportiert werden, können Intra-EU-Verbringungen zum Streitpunkt werden (zB Export Belgien – Frankreich – Tschad). Die Angst, dass solche Transfers nahezu unmöglich nachgewiesen werden können, ist wohlbegründet.“[16] Eine ähnliche Befürchtung äußern auch Marc von Boemcken und Bernhard Moltmann im aktuellen Friedensgutachten: „Die Umsetzung der EU-Verbringungsrichtlinie [kann] den Weiterexport aus einem anderen EU-Staat mit weniger restriktiven Exportkontrollen ermöglichen. Für außereuropäische Ausfuhren lehnt der Gemeinsame Standpunkt der EU zum Rüstungsexport [Verhaltenskodex] die Weitergabe von Kriegsgerät in Drittstaaten nicht grundsätzlich ab.“[17]

Damit droht, dass sich die Rüstungsexportbeschränkungen europaweit faktisch dem kleinsten gemeinsamen Nenner annähern. Zumal die Verbringungsrichtlinie bezüglich der Bewertung, ob ein Weiterexport von Rüstungsgütern möglicherweise gegen die Bestimmungen des Ursprungslandes verstoßen würde, den Bock zum Gärtner macht: „Das Verfahren der Richtlinie rückt die Unternehmen, die ein endgefertigtes Produkt aus dem Gebiet der EU exportieren wollen, selbst in die Berichtspflicht über mögliche Vorbehalte gegenüber einem Empfängerland. Das aber setzt Loyalität und Wohlverhalten der am Rüstungsgeschäft beteiligten Unternehmen voraus.“[18] Ohnehin nimmt man es in der Europäischen Union mit der Dokumentation der Rüstungsexporte nicht allzu genau. Besonders dreist wurde dabei mit dem aktuellen EU-Rüstungsexportbericht für das Jahr 2010 verfahren. Er erschien erst Ende 2011 – ausgerechnet am letzten Arbeitstag des Jahres und ohne dass vorab über die anstehende Veröffentlichung informiert worden wäre. Darüber hinaus weisen die Daten von acht Mitgliedsländern (darunter Deutschland und Großbritannien) extreme Lücken auf und sind somit völlig irreführend. Deutlicher kann wohl kaum signalisiert werden, dass an Transparenz in diesem Bereich wenig bis kein Interesse besteht.[19]

Dies ist umso problematischer, weil das existierende Rüstungsexportkontrollsystem auf EU-Ebene mehr als unzureichend ist und es wohl auf absehbare Zeit auch bleiben wird.

Zahnloser Verhaltenskodex

In den frühen 1990ern billigte der Europäische Rat acht Kriterien, die zur Erteilung einer Rüstungsexportlizenz erfüllt sein sollten. Diese Kriterien wurden schließlich 1998 in den „Verhaltenskodex für Rüstungsexporte“ aufgenommen. Dazu gehört der Verweis, Waffen weder in Krisengebiete (Kriterium 3) noch in Staaten zu exportieren, in denen die Menschenrechte verletzt werden (Kriterium 4). Die Sache hatte nur einen Haken: Bei dem Kodex handelte es sich eher um Richtlinien als um Regeln, er war nicht bindend. Insofern verwundert es nicht, dass auch nach Verabschiedung des Verhaltenskodex munter weiter Waffen in Konfliktregionen exportiert wurden. So förderte eine im November 2011 veröffentlichte Untersuchung zu Tage, dass europäische Länder im Zeitraum zwischen 2001 und 2009 Rüstungsgüter im Wert von über 50 Mrd. Euro in die Krisenregion Nordafrika und Mittelost exportiert haben.[20]

Im Dezember 2008 verabschiedete der Europäische Rat zwar schließlich eine Gemeinsame Position zum Verhaltenskodex, mit der die Kriterien rechtlich bindend wurden. Allzu viel änderte dies an der bisherigen Exportpraxis leider aber nicht: „Der Verhaltenskodex hat seine Grenzen. Zuallererst deckt er lediglich einen begrenzten Teil von Rüstungsexportkontrollen ab: zB die acht Kriterien und Bestimmungen zum Austausch von Informationen und zur Transparenz. Andere Aspekte werden den Mitgliedsstaaten zur Entscheidung überlassen, einschließlich der Strukturen der nationalen Behörden, die Ausfuhrlizenzen erteilen sowie die von ihnen implementierten Prozeduren. Zweitens beruht der Kodex stark auf der Implementierung und Interpretation jedes Mitgliedslandes: Die Entscheidung, eine Exportlizenz zu gewähren, verbleibt in nationaler Zuständigkeit.“[21]

So sind viele EU-Staaten der Auffassung, Waffenexporte in Länder wie Saudi Arabien, Israel oder den Tschad seien problemlos mit den acht Kriterien vereinbar. Auch die deutschen Rüstungsexporte in Länder, die mindestens vier der Kriterien verletzen, nehmen sprunghaft zu: Waren es im Jahr 2009 noch 269,2 Mio. Euro, beliefen sie sich im Folgejahr bereits auf 510,3 Mio. Euro.[22] Somit ist der Verhaltenskodex vollkommen ungeeignet, die sich anbahnende Rüstungsexportoffensive in die Schranken zu weisen – im Gegenteil: „Alle bis auf die fragwürdigsten Waffenexporte (und manchmal sogar die) erhalten eine Fassade formaler Legitimität.“[23]

Spiel über die Brüsseler Bande

Gerade für die deutsche Rüstungsindustrie ist das Spiel über die Brüsseler Bande wie so häufig auch im Fall der Neufassung der deutschen Exportregelungen überaus attraktiv. Die Verbringungsrichtlinie könnte es nun ermöglichen, die vergleichsweise strengen deutschen Rüstungsexportbestimmungen zu umgehen, was über eine offizielle Aufweichung der Ausfuhrbestimmungen angesichts der Stimmung in der Bevölkerung wohl nur schwer möglich wäre. So ergab eine repräsentative Umfrage unter der deutschen Bevölkerung im Oktober 2011, dass überwältigende 78% generell gegen jegliche Rüstungsexporte sind, weitere 11% wollen sie für Ausfuhren in Krisengebiete verbieten und gerade einmal 7% sprechen sich generell für solche Exporte aus.[24]

Anmerkungen

[1] Reformvorschlag: Bundesregierung will Rüstungsexporte vereinfachen, Spiegel Online, 15.07.2012.

[2] Wirtschaftsministerium bestreitet Erleichterung für Rüstungsexporte, Tagesspiegel Online, 15.07.2012.

[3] Trends in International Arms Transfers, 2011, SIPRI Fact Sheet, March 2012, S. 3.

[4] Vgl. Amnesty-International: Arms Transfers To The Middle East And North Africa: Lessons For An Effective Arms Trade Treaty, 19.10.2011.

[5] Deutsche Waffen gegen arabischen Frühling, jungen Welt 21.10.2011.

[6] Marzi, Heinz: Die Bedeutung des Rüstungsexports für Deutschland, Geopower.com, 11.09.2010.

[7] Eine Frage des Überlebens, German-Foreign-Policy.com,27.10.2011. Ganz ähnlich erklärt auch der „Friedensforscher“ Hartmut Küchle: „Da aber die Bundeswehr und ihr Bedarf nochmals heruntergefahren werden, braucht man den Export dringender denn je als Ausgleich für die fehlende Inlandsnachfrage. In der hochtechnologischen Rüstungsproduktion gibt es nämlich bestimmte Mindestgrößen, bei deren Unterschreiten eine Produktion kaum möglich ist. Schon deshalb wird der deutsche Rüstungsexport weiter steigen müssen.“ Siehe Küchle, Hartmut: Einflussnahme durch Rüstungsexport It’s about Realpolitik, stupid, The European, 04.02.2011.

[8] Vgl. Wagner, Jürgen: Rüstungshaushalt: Von der Schmierenkomödie zur Farce, IMI-Standpunkt 2012/036.

[9] Bericht der Strukturkommission der Bundeswehr: Vom Einsatz her denken, Oktober 2010, S. 36.

[10] Marzi 2010.

[11] Bericht der Strukturkommission 2010, S. 37.

[12] Fischer, Sebastian: Deutsche Rüstungsexporte: Kanonen für die Konjunktur, Spiegel Online, 11.11.2010.

[13] Koalitionsvertrag zitiert bei Nassauer, Otfried: Rüstungsexporte: Neues Außenwirtschaftsrecht, bits.de, 15. Juli 2012.

[14] Referentenentwurf: Gesetz zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts – Vereinfachung, Straffung

und zielgenauere Fassung des Außenwirtschaftsrechts unter Beibehaltung

seiner bewährten Grundstrukturen, URL: http://augengeradeaus.net/wp-content/uploads/2012/07/Aussenwirtschaftsgesetz_Referentenentwurf_jun2012.pdf

[15] Bundesregierung dementiert Vereinfachung von Rüstungsexporten, Handelsblatt Online, 15.07.2012.

[16] Depauw, Sara: Risks of the ICT-directive in terms of transparency and export control, in: Flamish Peace Institute (Hg.): Export controls and the European defence market: Can effectiveness be combined with responsibility? Brüssel 2011, S. 67- 74, S. 71.

[17] Boemcken, Marc von/Moltmann, Bernhard: Der eingebildete Kranke. Rüstungsindustrie in Zeiten

klammer Kassen, in: Friedensgutachten 2012, S. 124-136, S. 133.

[18] Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE): Rüstungsexportbericht 2009, Bonn/Berlin 2009, S. 70.

[19] Steaman, Kaye: Hidden from view, debarred from debate – EU report on arms exports, Open Democracy, 25.01.2012.

[20] Vranckx, An u.a.:,Lessons from MENA – Appraising EU transfer of military and security equipment to the Middle East and North Africa’, Gent, November 2011, S. 17.

[21] Poitevin, Cédric: A European export control regime: balancing effectiveness and responsibility, Flemish Peace Institute 2011, S. 47-51, S. 50.

[22] GKKE: Rüstungsexportbericht 2011, Bonn/Berlin 2011, S. 5.

[23] Bromley, Mark: The EU common position on arms exports and national export control policies, in: Flemish Peace Institute 2011, S. 39-51, S. 44.

[24] Aken, Jan van: Umfrage Rüstungsexporte, 20.10.2011, URL: http://www.jan-van-aken.de/aktuell/umfrage-ruestungsexporte.html (22.11.2011).