IMI-Standpunkt 2011/35 - in: AUSDRUCK (August 2011)
Das eine ‚Hand-wäscht-die-andere‘ – Prinzip
Die Kooperation Deutschlands mit den saudi-arabischen Repressionsorganen
von: Jonna Schürkes | Veröffentlicht am: 19. Juli 2011
https://www.imi-online.de/download/01aug2011_schuerkes.pdf
„Wenn sie mit einem Land im Bereich Terrorismusbekämpfung zusammenarbeiten wollen, dann müssen sie auch investieren. Für mich ist das das eine Hand-wäscht–die-andere-Prinzip“, erklärte der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster auf die Frage, ob es denn angebracht sei, die saudischen Repressionsorgane zu unterstützen. Er bezog sich damit auf einen Deal zwischen dem europäischen Rüstungsunternehmen EADS, der deutschen Bundespolizei (BPol) und dem saudischen Regime, der vor wenigen Wochen von der Nachrichtensendung FAKT publik gemacht wurde (s.u.).[1]
Die deutsche Regierung hat insgesamt ein starkes Interesse daran, mit dem saudischen Regime zu kooperieren, Menschenrechtsverletzungen hin oder her. Als Beleg für die Bedeutung dieser Zusammenarbeit wird häufig die Verschickung einer Bombe aus dem Jemen genannt, die aufgrund von Hinweisen, die der saudi-arabische Geheimdienst an den in Riad stationierten Verbindungsbeamten des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA) weitergegeben hatte, vernichtet werden konnte. Wie der saudische Geheimdienst allerdings an die genauen Informationen (bis hin zur Sendungsnummer) über das Paket gekommen ist, ist unbekannt. Das BKA entsendet im Rahmen der Zusammenarbeit im „Kampf gegen den Terrorismus“ nicht nur einen Verbindungsbeamten, dessen Aufgabe es ist, enge Kontakte zu den Sicherheitskräften vor Ort zu pflegen, Informationen auszuwerten und weiterzuleiten sowie sich an der Arbeit der lokalen Polizei direkt zu beteiligen (Anwesenheit bei Vernehmung und Durchsuchungen, Mithilfe bei Fahndungen etc.).[2] Zusätzlich organisierte es 2008 und 2009 Fortbildungen in Riad zum Thema „Internetkriminalität im Terrorismusbereich“.[3]
Saudi-Arabien als „Stabilitätsfaktor“
Es ist nicht nur die Zusammenarbeit bei der „Bekämpfung des internationalen Terrorismus“, die für Deutschland von Interesse ist, vielmehr gilt Saudi-Arabien – so war es zumindest in den unterschiedlichen Reden von Vertretern der Regierungsparteien in einer Aktuellen Stunde des Bundestags zu dem offenbar geplanten Verkauf von 200 Panzern des Typs „Leopard 2“ (Leo2) zu entnehmen – als stabiles Regime in der Region, auf das sich Deutschland angesichts der drohenden Veränderungen im Nahen Osten stützen könnte. So erklärte beispielsweise Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion: „Das heißt, in der jetzigen Situation [Umbrüche in Nordafrika und im Nahen Osten] müssen wir uns überlegen, wer ein potenzieller starker Verbündeter ist, ein Stabilitätsfaktor, der helfen kann, diese Region einigermaßen im Lot zu halten“.[4] Die Zeit der „Begeisterung“ für demokratische Bewegungen in der Region ist nun offenbar endgültig vorbei.
Tatsächlich ist Saudi-Arabien einem Artikel der Zeitschrift „Foreign Affairs“ zufolge “die führende Kraft in der Konterrevolution gegen den arabischen Frühling“, was das Land vor allem mit der Entsendung saudischer Soldaten zur Niederschlagung der Proteste in Bahrain im Februar diesen Jahres unter Beweis gestellt hätte.[5] Die bestellten Leo2 hätten das saudische Militär bei der Niederschlagung der bahrainischen Demonstranten wohl unterstützen können, denn sie sind – so ist es der Homepage des Herstellers Krauss-Maffai Wegmann zu entnehmen – die richtige Antwort auf „Asymmetrische Bedrohungen, zum Beispiel Terroristen, IED´s oder Einzelpersonen“. Aufgrund des „Upgrade-Kit“, zu dem auch beispielsweise ein Räumschild oder die „Nicht-letale“ Bewaffnung gehören, ist der Panzer auch gut zum Wegräumen von Demonstranten geeignet. Wenn der Leo2 mit diesen „Upgrade-Kits“ bestückt ist, heißt er dann auch „Leopard 2 PSO“ – also ein Panzer für Friedenseinsätze (Peace Support Operation), der speziell für den „Ortskampf“ entwickelt wurde.[6]
Für die deutsche Rüstungsbranche
Jenseits der Bekämpfung von Terrorismus und der Herstellung von „Stabilität“ durch die Niederschlagung von Protesten sind es natürlich auch wirtschaftliche Interessen Deutschlands, die die intensive Kooperation mit dem saudischen Regime begründen. Dabei handelt es sich zum einen um das langfristige Interesse an den Rohstoffen der Region. Vor einem Jahr erschien eine Studie zu „Peak Oil“ vom „Zentrum der Transformation der Bundeswehr“, in der die Unterstützung autoritärer Regime zur Gewährleistung der Energiesicherheit Deutschlands gerade im Nahen Osten und Nordafrika offen eingestanden wird: „Das Spannungsverhältnis zwischen Interessen- und Wertepolitik, die in unterschiedlichen Zeithorizonten wirksam werden, tritt besonders deutlich im Zielkonflikt zwischen kurzfristig notwendigen Kooperationen mit autoritären Regimen im Energie- und Sicherheitssektor einerseits und dem langfristigen Interesse an einem Wandel dieser Regime zutage. Dies könnte abhängig von der Energieversorgungslage zu Kompromissen bei Demokratisierungsbemühungen und politischer Konditionalität gegenüber den Staaten der Region bis hin zur Unterstützung autoritärer Regime führen.“[7]
Zum anderen sind es vor allem die Interessen der Rüstungsindustrie, die hier bedient werden. In ungewohnt deutlicher Weise – wohl auch weil ihnen kaum gute Argumente für den Panzerdeal einfielen – betonten die Abgeordneten der Regierungskoalition in der bereits erwähnten Aktuellen Stunde die Bedeutung des Geschäfts für die Rüstungsindustrie. Joachim Pfeiffer, CDU, erklärte die Notwendigkeit solcher Exporte mit dem vermeintlich abnehmenden Bedarf des deutschen Militärs an solchen Gütern: „Fakt ist außerdem, dass es auch im deutschen sicherheits- und außenpolitischen Interesse ist, langfristig unsere technologischen Fähigkeiten im Wehrtechnikbereich zu erhalten. Die Umgestaltung in Deutschland, etwa die Verkleinerung der Bundeswehr, ist sehr positiv. Ich will nicht, dass wir von anderen Technologien in dieser Welt abhängig werden, dass Deutschland importieren muss. […] [Es ist] ganz klar im deutschen Interesse, dass wir auch unseren Beschäftigten in der Wehrindustrie dauerhaft eine Perspektive bieten und diese Technologien nicht aus der Hand geben. […]“.[8] Auch die Autoren des der Rüstungsindustrie nahe stehenden „Newsletter Verteidigung“ freuen sich offensichtlich über den Riesendeal: „Mit der Genehmigung des Bundessicherheitsrats, Kampfpanzer des Typs LEOPARD 2 nach Saudi-Arabien zu verkaufen, fällt auch eine wichtige Exportentscheidung für diesen Markt. […] Der LEOPARD 2 führt seit Jahren die Liste der besten Kampfpanzer der Welt an und seine Beschaffung in Saudi-Arabien könnten für die Generalunternehmer Krauss-Maffei Wegmann und für den Konzern Rheinmetall, der unter anderem Waffe, Munition und Feuerleitanlage liefert, zu einem echten Mega-Deal werden – zumal das Geschäft auch einen gewissen Signaleffekt hat und Saudi- Arabien nur neue Kampfpanzer des Typs LEOPARD 2 haben will. Auch der Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) interessieren sich schon längere Zeit für deutsche Panzerfahrzeuge, wie den neu entwickelten Schützenpanzer PUMA. Politisch gesehen ist dies ein Durchbruch bei den Exportbemühungen für die deutsche Industrie, die Landwaffensysteme entwickelt und herstellt. Erstmals kommen damit nicht französische, britische oder amerikanische Konzerne zum Zuge, sondern deutsche Unternehmen, die damit auch ihre Arbeitsplätze in den kommenden Jahren erhalten können, um Wehrtechnik fertigen zu können.“[9]
Die Priorisierung der Interessen der Rüstungsbranche gegenüber den Bedürfnissen der Menschen in Saudi-Arabien und der Region war schon bei dem bereits erwähnten Deal zwischen EADS, Bundespolizei und dem saudischen Regime deutlich geworden. 2009 erhielt der europäische Rüstungskonzern EADS vom saudi-arabischen Regime den Auftrag, eine Grenzsicherungsanlage rund um das Königreich aufzubauen. Allerdings wäre der Deal nicht zustande gekommen, wenn die Bundesregierung nicht gleichzeitig die Entsendung von Bundespolizisten zur Ausbildung der saudi-arabischen Grenzpolizei offensiv angeboten hätte. Seither sind gleichzeitig bis zu 44 Bundespolizisten vor Ort, die bis heute 1674 saudi-arabische Grenzpolizisten fortbildeten, laut FAKT jedoch weniger in für Grenzpolizisten typischen Bereichen wie „Pass- und Gepäckkontrollen“, sondern vielmehr im „Umgang mit sogenannten Großlagen, wie Demonstrationen und Aufständen“ sowie „im Besetzen und Durchsuchen von Häusern“. Faszinierend an diesem Deal ist auch, wie sehr sich die Bundesregierung und EADS verrenken, um die Unterstützung durch die Bundespolizei überhaupt erst möglich zu machen. EADS kann die BPol nicht direkt bezahlen, da Polizisten vonseiten Dritter keine Entlohnung annehmen dürfen. Daher zahlt EADS die Honorare der BPol ausgerechnet an die Durchführungsorganisation der deutschen Entwicklungshilfe (GIZ), die diese dann wiederum an die Polizisten auszahlt: „Die Deckung der […] auslandsbedingten Mehrkosten der BPOL erfolgt, indem EADS die erhaltenen Mittel im Rahmen einer Zahlungsvereinbarung an die GIZ weiterleitet. Die GIZ leistet – wie im Vertrag zwischen dem Bundesministerium des Innern und der GIZ geregelt – die Zahlungen an die Trainer der BPOL […]“, erklärt die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Bundestag zum Thema.[10]
Eingefädelt wurde der Deal offenbar vom ehemaligen Bundespolizisten Udo Hansen, der nach seinem Ausscheiden für EADS in Saudi-Arabien arbeitete und nun Polizeichef von Berlin werden sollte.[11]
Geheim ist, ob’s geheim bleiben muss
Auch wenn die Bundesregierung in Antworten auf Anfragen im Bundestag die Fortbildung von saudischen Grenzpolizisten durch die Bundespolizei erwähnte, waren sowohl der Öffentlichkeit als auch dem Parlament das Ausmaß und vor allem die Verbindung mit EADS nicht bekannt. Erst nach dem Bericht von FAKT sah sich die Bundesregierung gezwungen, nähere Informationen über den Deal preiszugeben. Ganz legal geheim hingegen ist die Entscheidung über die Exportgenehmigung des Leo2, denn solche Entscheidungen werden vom Bundessicherheitsrat getroffen und erst nach einem Jahr im Rüstungsexportbericht der Bundesregierung bekannt gemacht. Ebenfalls geheim ist, ob die Bundeskanzlerin die Geheimhaltung aufheben könnte, da die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates geheim ist, wie Regierungssprecher Seibert auf einer Pressekonferenz erklärte.[12]
Die Kooperation mit den Repressionsorganen Saudi-Arabiens beschränkt sich allerdings nicht auf die beiden jetzt stark in der Öffentlichkeit diskutierten Fälle. Saudi-Arabien ist seit Jahren ein wichtiger Importeur deutscher Rüstungsgüter. Der Wert der Güter, für die eine Ausfuhrgenehmigung erteilt wurde, hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen (Angaben in Mio €: 1999: 26,1; 2000: 37,1; 2001: 38,1; 2002: 26,5; 2003: 43,7; 2004: 58,8; 2005: 29,9; 2006: 56,9; 2007: 45,5; 2008: 170,4; 2009: 167,9; 2010 (vorläufig): 152,5).[13] Exportiert wurde neben Kleinwaffen vor allem auch Kommunikations- und Überwachungstechnologie. Zudem wurde dem saudischen Regime die Genehmigung für die Lizenzproduktion des Sturmgewehres G36 von Heckler & Koch erteilt, die Produktionsanlage ist derzeit im Bau.
Viele der Rüstungsexporte und auch die Vergabe der Lizenz fallen in die Zeit der rot-grünen Regierung, weswegen die derzeitige Aufregung beider Parteien im Bundestag kaum nachzuvollziehen ist. Die deutschen Regierungen aller Couleurs zeigen immer wieder, dass Menschenrechte und Demokratien – geht es um die ökonomischen und sicherheitspolitischen Interessen – nichts wert sind.
Anmerkungen
[1] Vgl. Heikles Know-How aus Deutschland, Fakt vom 30.05.2011.
[2] Vgl. Schenk, Dieter: Jemand muss das Schweigen brechen, in: Möllers, M. / van Ooyen, R.: Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2010/2011, Frankfurt.
[3] Vgl. BT-Drs 16/10252 vom 17.09.2008, BT-Drs 16/13897 vom 14.08.2009.
[4] Plenarprotokoll 17/119 vom 06.07.2011.
[5] Haykel, B: Saudi Arabia’s Yemen Dilemma, Foreign Affairs, 14.06.2011.
[6] Vgl. Eintrag in Wikipedia zum Leopard 2.
[7] Zentrum für Transformation der Bundeswehr: Peak-Oil – Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen, in: Streitkräfte, Fähigkeiten und Technologien im 21. Jahrhundert – Umweltdimensionen von Sicherheit (Teilstudie 1).
[8] Plenarprotokoll 17/119 vom 06.07.2011.
[9] Kampfpanzer für Saudi-Arabien?, in: Newsletter Verteidigung, Ausgabe 26, Juli 2011.
[10] BT-Drs. 17/6102 vom 06.06.2011.
[11] Vgl. Panzerdeal: Dr. Jekyll und Mr. Saud, Zeit-online, 06.07.2011.
[12] Vgl. Regierungspressekonferenz vom 08.07.2011; http://www.bundesregierung.de.
[13] Rüstungsexportberichte der Bundesregierung 1999-2009, eine Zusammenstellung der Exporte nach Saudi-Arabien findet sich hier: http://www.waffenexporte.org/?p=1243