IMI-Standpunkt 2011/004 - in: junge Welt, 27.01.2010
»Nur Kriegsgerät, das nicht gekauft wird, ist gut«
Bundeswehr bekommt lediglich 40 statt 60 Transportflugzeuge A 400 M – die Kosten bleiben aber gleich. Gespräch mit Claudia Haydt
von: Interview / junge Welt /Claudia Haydt / Frank Brendle | Veröffentlicht am: 27. Januar 2011
— Die Beschaffung des neuen Militärtransporters ist eine unendliche Geschichte von Industriepolitik und Geldverschwendung. Jetzt wird gemeldet, die Bundeswehr werde 53 Flugzeuge anschaffen, aber 13 davon schnellstmöglich weiterverkaufen. Was ist der Sinn dieses Deals?
Die Regierungsfraktionen und die SPD haben Mehrkosten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zugestimmt. Das heißt, zum ursprünglichen Preis von 60 Flugzeugen werden nur 53 gekauft. Dreizehn davon werden dann in Drittstaaten exportiert. Durch diesen Weiterverkauf sollen die Mehrkosten annähernd wieder hereinkommen. Mit diesem Taschenspielertrick wurde nun die Zustimmung der FDP zur Vertragsänderung eingekauft. Vom Koalitionsvertrag, demzufolge die Industrie den Vertrag vollständig erfüllen muß, ist die Regierung meilenweit entfernt.
— Warum sagen Sie »Taschenspielertrick«?
Die Industrie kann über Preisgleitklauseln mehr Geld einfordern, Deutschland verzichtet auf Vertragsstrafen und gibt dem Hersteller EADS einen Exportkredit, der nicht weniger als ein Knebelvertrag für Berlin ist: Die EADS zahlt den Kredit nur zurück, wenn mindestens 280 Maschinen exportiert werden. Das aber ist fraglich, und die Chancen dafür sinken, weil die Regierung ja selbst 13 exportieren will. Das ist doch Wahnsinn! Wenn einer der Vertragsstaaten nach Unterzeichnung des Änderungsabkommens doch noch aussteigt, behält die EADS das Geld. Aber auch wenn einer von ihnen nicht zahlt, bleibt Deutschland auf dem Kredit sitzen.
Die Steuerzahler tragen damit das volle Risiko für die Vermarktung. Die deutschen Gesamtkosten für das Projekt werden sich nach wie vor auf circa zehn Milliarden Euro belaufen. Jetzt eben für 40 Flugzeuge statt ursprünglich für 60. Ein echtes Schnäppchen!
— Hält EADS denn wenigstens seine technischen Versprechen?
Nein. Die größten Probleme liegen bei den Triebwerken. Nach wie vor weiß niemand, ob das Transportflugzeug wirklich die gewünschte Reichweite mit den versprochenen Lasten fliegen kann. Zudem verzichtet Deutschland im neuen Vertrag auf die anfangs zugesagte Fähigkeit der Maschinen zum vollautomatischen Tiefflug. Ursprünglich sollten die ersten Flugzeuge 2010 an die Luftwaffe ausgeliefert werden. Jetzt wird es wohl 2016 werden.
— Wieso beharren die Besteller nicht auf konsequenter Vertragserfüllung?
Das ursprüngliche Abkommen sah vor, 180 Flugzeuge an Deutschland und andere EU-Staaten zum Festpreis von 20 Milliarden Euro zu liefern. Aber wenn die Vertragsnationen nicht viele Milliarden nachschießen, würde die EADS aus dem Deal aussteigen. Das wäre für den Konzern immer noch günstiger, als durch die Produktion die Verluste weiter in die Höhe zu treiben.
— Was würde es bedeuten, wenn der Vertrag platzen würde?
Das wäre auf jeden Fall ein harter Schlag für den Rüstungsstandort Europäische Union. Der Imageschaden würde auch die aufstrebende Militärmacht Europa empfindlich treffen. Beides sind Ergebnisse, über die ich alles andere als traurig wäre, die aber einen Mißerfolg für die deutsche und EU-Militärpolitik darstellen würden.
— Trotzdem – unter dem Strich bekommt die Bundeswehr ein Drittel weniger Militärtransporter. Freuen Sie sich, daß ihre Einsatzfähigkeit schwächer ausfällt als geplant?
Natürlich. Nur Kriegsgerät, das nicht gekauft wird, ist gut. Allerdings liegt genau hier das Problem: Die EADS verzichtet ja nicht auf den Verkauf von Kriegsgerät. Die Flugzeuge, die nicht bei der Bundeswehr landen, sollen exportiert werden. Vielleicht nach Indien, vielleicht in den Nahen Osten oder nach Afrika. Die Rüstungsexporte müssen beendet werden und dürfen nicht noch weiter gefördert werden. Der einzige Ausweg ist, den Airbus-Deal platzen zu lassen und damit auch die EADS zu zwingen, aus der Produktion auszusteigen. Deutschland könnte dies, der Vertrag sieht bis jetzt noch ein außerordentliches Kündigungsrecht vor. Was fehlt, ist der politische Wille.