IMI-Analyse 2009/045 - in: AUSDRUCK (Dezember 2009)

Der Europäische Auswärtige Dienst: Imperiale Machtpolitik aus einem Guss


von: Martin Hantke | Veröffentlicht am: 11. Dezember 2009

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Mit dem Vertrag von Lissabon sollte Europa ein Gesicht in der Welt erhalten und unter einer Telefonnummer erreichbar sein. Mit der Benennung von Hermann van Rompuy zum EU-Ratspräsidenten und der Britin Catherine Ashton zum Hohen Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik, werden beide künftig auf internationalen Gipfeltreffen zusammen mit dem Kommissionspräsidenten auftreten.

Ziel der neuen Posten ist es, in Zeiten zunehmender machtpolitischer Auseinandersetzungen, die „Schlagkraft“ der Europäischen Union über die Bündelung von Kompetenzen deutlich zu erhöhen. Gerade die Eifersüchteleien zwischen der Kommission, bei der große Teile der „zivilen“ Außenpolitik angesiedelt waren, und dem Rat, der für zivile und militärische Einsätze zuständig war, hatten eine „Machtpolitik aus einem Guss“ erheblich beeinträchtigt. Dies wird sich nun mit dem neuen Posten des Hohen Vertreters für die Außen- und Sicherheitspolitik ändern, mit dem diese hinderliche Trennung aufgelöst wird. So heißt es in einem parlamentarischen Gutachten vom 3. November 2009: „Damit wird er [der Hohe Vertreter] einerseits für die Festlegung und Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) einschließlich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) zuständig sein, andererseits soll er innerhalb der Kommission mit deren Zuständigkeiten im Bereich der Außenbeziehungen und mit der Koordinierung der übrigen Aspekte des auswärtigen Handelns der EU betraut sein.“

Allerdings sind Rompuy und Ashton wenig profiliert, sie sind Pappkameraden, hinter denen die EU-Bürokratie und die großen EU-Mitgliedstaaten, Deutschland, Großbritannien und Frankreich stehen. Sie werden künftig das Sagen haben und die Apparate unter sich aufteilen. Denn es ist jenseits der politischen Ebene, wo derzeit mit der Umsetzung des Vertrags von Lissabon Nägel mit Köpfen gemacht werden. Vor allem die Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) wird die europäische Außen- und Sicherheitspolitik völlig neu aufstellen. Er soll künftig nahezu sämtliche zivilen und militärischen Machtkapazitäten der EU in sich vereinigen und so als Verstärkung nationalstaatlicher Interessenvertretung fungieren. Dieser Dienst ist eine der Moorleichen des Vertrags von Lissabon, die jetzt auftauchen, nachdem sie, solange das Ratifizierungsverfahren noch nicht abgeschlossen war, jahrelang friedlich im EU-Sumpf schlummerten.

Nach Lissabon

Am 1. Dezember 2009 ist der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten. In den Schubladen von Rat und Kommission lagern die Umsetzungsprojekte. Es ist kein Zufall, dass dem EAD oberste Priorität zukommt. Der Rat hatte auf seiner Tagung vom 17. November 2009 die Erklärung mit dem Titel „Zehn Jahre ESVP – Herausforderungen und Chancen“ verabschiedet, um zu feiern, dass „der Europäische Rat auf dem Kölner Gipfel vom Juni 1999 den historischen Beschluss gefasst“ hat unter Verweis auf die Balkankriege, „die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) als Komponente der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in die Wege zu leiten“. Seitdem, so verkündete man stolz, habe man nicht nur „über 22 ESVP-Missionen und -Operationen in drei Kontinenten eingeleitet, die das gesamte Spektrum der Aufgaben der Konfliktverhütung, der Krisenbewältigung und der Friedenskonsolidierung nach Konflikten abdecken, sondern auch unsere Arbeitsstrukturen reformiert, unsere Planungskapazität ausgearbeitet und weiterentwickelt, unsere Krisenbewältigungs- und Krisenreaktionsfähigkeit verbessert und unsere Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern und beitragenden Drittstaaten intensiviert.“
Ohne Umschweife wird dem Publikum in der Erklärung bedeutet, warum der Vertrag von Lissabon derart wichtig für die Militarisierung der EU ist: „Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wird durch eine weitere Verstärkung des gemeinsamen institutionellen Rahmens ein neues Kapitel in der Geschichte der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU aufgeschlagen.“ Die Herzstücke dieser Militarisierung sind der Hohe Vertreter und der ihm unterstelle EAD: „Das neue Amt des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der durch den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) unterstützt wird, wird die Effektivität, auch im ESVP-Bereich, erheblich verbessern.“ Und dies soll erst der Anfang sein: „Wir werden nunmehr darauf hinarbeiten, der ersten Inhaberin dieses Amtes eine starke, effiziente und sichtbare Rolle zu sichern. Wir werden entsprechend den Erfordernissen konkrete Schritte ergreifen, um alle Bestimmungen und Artikel des Vertrags von Lissabon, die für die GSVP von Bedeutung sind, umzusetzen“, heißt es in dem EU-Dokument.
Sicherheitspolitik soll dabei im Zentrum europäischer Außenpolitik stehen, nicht nur konzeptionell, sondern auch institutionell, und zwar über einen neuen Grad der Verzahnung auch mit dem EAD: „Bei der Errichtung des EAD werden wir auch darauf achten, die Wirksamkeit unserer Arbeitsstrukturen zur Planung und Durchführung unserer Krisenbewältigungsmissionen und -operationen zu verbessern. Der EAD wird unter der Leitung der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auch für engere Verbindungen zu anderen Instrumenten und Maßnahmen der Europäischen Union sorgen.“

Ein Dienst ganz eigener Art

Bereits während der Vorläufer des Vertrags von Lissabon, der EU-Verfassungsvertrag, konzipiert wurde, war die Erstellung des EAD die zentrale Idee für den Umbau der EU-Außen- und Sicherheitspolitik. Als Ideengeber reklamiert das Auswärtige Amt dabei sich selbst. Noch unter Außenminister Fischer machten sich die Deutschen im Konventsprozess für den EAD stark. Ursprünglich sollte er einem starken EU-Außenminister untergeordnet werden, der noch weiter reichendere Vollmachten als der jetzige „Hohe Vertreter“ gehabt hätte. Von vornherein war allerdings die Schaffung einer starken zentralistischen Bürokratie vorgesehen, die als Verstärker nationalstaatlicher Interessen der großen Mitgliedstaaten und damit auch Deutschlands dienen sollte.

Formal ist in Art. 27, Abs. 3 des Vertrags von Lissabon festgehalten: „Bei der Erfüllung seines Auftrags stützt sich der Hohe Vertreter auf einen Europäischen Auswärtigen Dienst.“ Ferner wurde im Vertrag festgelegt, dass der EAD „mit den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten“ zusammenarbeitet und „Beamte aus den einschlägigen Abteilungen des Rates und der Kommission sowie abgeordnetes Personal der nationalen diplomatischen Dienste“ umfasst. Bezüglich des weiteren Fahrplans wurde festgeschrieben: „die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes werden durch einen Beschluss des Rates festgelegt.“ Eben dieser Beschluss soll noch im Dezember 2009 vorformuliert werden und im April 2010 letztendlich gefasst werden. Die nationalstaatlichen Parlamente wie auch das Europäische Parlament haben bei dieser gravierenden Entscheidung nichts zu bestellen, denn bereits im Vertrag von Lissabon wurde festgelegt: „Der Rat beschließt auf Vorschlag des Hohen Vertreters nach Anhörung des Europäischen Parlaments und nach Zustimmung der Kommission.“

Wenn jetzt beispielsweise der EU-Außenpolitiker Elmar Brok, der bei der Erarbeitung des Vertrags von Lissabon mitgewirkt hat, fordert, das Europäische Parlament solle bei der Konzipierung des EAD mitentscheiden, scheint es, als könne er sich nicht mehr an das erinnern, was er damals mit abgenickt hat. Die Parlamente bleiben außen vor. Anhörung ja, aber Mitentscheidung nein. Geradezu klandestin hatte im Sommer 2009 noch vor dem 2. irischen Referendum die Schwedische Ratspräsidentschaft die Vorschläge der großen Drei aufnehmend einen Text zum Aufbau des EAD erarbeitet. Dieser wurde denn auch unmittelbar nachdem Irland grünes Licht gegeben hatte weiter intern bearbeitet und vom EU-Rat schon Ende Oktober abgesegnet.

Alle wesentlichen Grundzüge stehen dabei bereits fest: Es wird ein Dienst „sui Generis“ eingerichtet, d.h. er wird weder dem Rat noch der Kommission untergeordnet werden. Das macht ihn noch unkontrollierbarer. Er wird damit quasi eine eigene Verwaltungsabteilung, wie eine EU-Agentur. Nur dass es jetzt dabei um die größte Agentur geht, die die EU je hatte. Die Planungen für den Stellenbedarf schwanken zwischen 5.000 und über 7.500 Beamten. Das entspricht dem diplomatischen Dienst eines großen Mitgliedstaates. Weshalb der Dienst nicht der Kommission untergeordnet werden soll, verdeutlicht das bereits zitierte parlamentarische Gutachten: „Im Fall der Verankerung des EAD bei der Kommission stünde der EAD unter der Kontrolle des EP, weshalb das EP eine Eingliederung des EAD in die Kommission fordert. Damit würde es auch größere Mitspracherechte bei der Außenpolitik der EU erhalten.“ Da demokratische Mitspracherechte und Gewaltenteilung aus Sicht der Herrschenden aus der Frage von Krieg und Frieden möglichst völlig herausgehalten werden sollen, bot sich die jetzige Lösung als eigenständige Agentur förmlich an.

Das zweite Merkmal, auf das sich die Mitgliedsstaaten bereits geeinigt haben, ist der politisch-militärische Charakter des EAD. Das bedeutet, dass auch die militärischen Strukturen der EU Teil des EAD werden sollen (s.u.). Das wäre in etwa so, als würde man in Deutschland Außen- und Verteidigungsministerium integrieren. Dazu kämen dann noch die wesentlichen Abteilungen des Entwicklungsministeriums. Die dritte entscheidende Festlegung ist, dass Großbritannien und Frankreich sich das Recht gesichert haben, auch Angestellte aus der Privatwirtschaft in die Dienste „hineinzudrücken“. Dafür wird Deutschland offenbar eine wesentliche Rolle bei der Kontrolle der Finanzen spielen. Generell gilt, dass etwa 20% der Angestellten des EAD aus Deutschland kommen sollen. Mit 150plusX stellt man auch ein Fünftel und mehr des höheren Dienstes. Zum EAD werden auch die 130 Auslandsvertretungen der EU gehören, die, wenn es nach dem Willen des großen Drei geht, dann auch Sicherheitsattachées sowie bei Bedarf Terror- und Migrationsabwehrabteilungen bekommen sollen. Eine horizontale Gewaltenteilung wird wie im Amt des Hohen Vertreters selbst aufgehoben, eine zentrale Errungenschaft des bürgerlichen Staates damit mit einem Federstrich zunichte gemacht. Auf EU-Ebene geht es um eine offene knallharte Verschränkung der Apparate, auf eine auch nur scheinbare Trennung der Gewalten wird verzichtet. Es geht um Gewaltverschmelzung zugunsten der internationalen Durchsetzung von Kapitalinteressen der drei großen EU-Mitgliedstaaten.

Selbstverständlich werden und sollen auch die mittleren und kleinen Mitgliedsstaaten profitieren. Aber die werden sich konzeptionell und personell nur unzureichend im EAD wieder finden. Dazu kommt die Gefahr, dass für kleinere Mitgliedstaaten eine eigenständige Außenpolitik mit einem schwergewichtigen EAD immer schwieriger werden wird. Die andere Außenpolitik des kommunistischen Präsidenten der Republik Zyperns, Dimitris Christofias, z.B. gegenüber Lateinamerika dürfte dann auf noch mehr Widerstände stoßen. Die Konzeption des EAD bedeutet insofern einen Souveränitätsgewinn für Deutschland, Frankreich und Großbritannien, verbunden mit der Gefahr eines massiven Souveränitätsverlusts für die anderen und insbesondere die kleinen EU-Mitgliedsstaaten.

Der politisch-militärische Dienst

Aus dem Rat wird berichtet, allein Frankreich habe sich einer Einbeziehung der militärischen Strukturen in den EAD widersetzt. Wer dabei allerdings eine gallische Heldentat in der Tradition der revolution française vermutet, dürfte sich irren. Vieles spricht dafür, dass es der konservativen Regierung Frankreichs, die sich ungefähr genauso sehr dem gaullistischen Erbe verpflichtet fühlt wie die deutsche Sozialdemokratie dem von Karl Marx, allein darum ging, dass der EAD aus besagten Gründen nicht unter die Kontrolle der EU-Kommission gerät.

Alle operativen militärischen und zivil-militärischen Strukturen sollen Teil des EAD und so dem Hohen Vertreter unterstellt werden. So wird der zuvor beim Rat ansässige EU-Militärstab ebenso in den EAD integriert, wie das Situation Centre (SitCen), die Nachrichtensammelstelle der EU. Vor allem aber sollen die gleichsam bisher im Rat angesiedelten Generaldirektionen E-VIII, zuständig für die militärisch-strategische Einsatzplanung und Abteilung E-IX (zivile Einsatzplanung) im EAD aufgehen. Gleichzeitig beabsichtigt man DG-VII und IX im neuen „Crisis Management Planning Directorate“ (CMPD) zu vereinigen. Zivile und militärische Aspekte der EU-Politik werden so institutionell verzahnt und verwischen damit bis zur Unkenntlichkeit – wie gesagt, es geht um imperiale Machtpolitik aus einem Guss.

Dabei ist nicht nur bemerkenswert, mit welcher Selbstverständlichkeit dies geschieht, sondern auch, wie sehr diese Konstruktion künftig eine Vorbildwirkung für Strukturen in den EU-Mitgliedstaaten habe könnte. Der Traum der FDP, das Entwicklungshilfeministerium abzuschaffen, droht in der EU schon aufzugehen. „Vernetzte Sicherheit“ schaffen, das ist die Parole der Stunde, die in Europa bereits ihren „Dienst“ gefunden hat. Während man in Deutschland noch auf die Zusammenstellung von Ministeriumsrunden in punkto Afghanistan angewiesen zu sein scheint, ist man in Brüssel bereits einen Schritt voraus. Der EAD ist als politisch-militärischer Dienst auch deshalb so gefährlich, weil er auf diplomatischer Ebene die Blaupause für eine permanente Vorbereitung von Besatzungsregimen sein wird. Zumindest vereinigt er alles in sich, was hierfür für erforderlich gehalten wird – vom Kolonialkrieger bis zum „zivilen“ Kolonialverwalter (siehe Kasten).

Tausche Deutsch gegen Hegemonie!

Was die Sprachenfrage des EAD angeht, sprechen böse Zungen in Brüssel bereits davon, das Deutsche als Sprache im EAD werde auf dem Silbertablett des deutschen Imperialismus geopfert. Als Dienstsprachen sind bisher, wie im Sicherheitspolitischen und Politischen Komitee, dem PSK, lediglich Französisch und Englisch vorgesehen. Während die Deutsche Bundesregierung den Bundestag beispielsweise animiert, alle Dokumente, die von der EU-Kommission lediglich auf Englisch nach Berlin versandt werden, zurückzuweisen, macht sie bei der Konzipierung des EAD in Brüssel keinerlei Anstalten, um Deutsch als dritte Arbeitssprache, wie in anderen EU-Gremien durchzusetzen. Zu gewichtig scheinen die Zugeständnisse, die Deutschland in punkto politischer Einfluss auf den EAD gemacht wurden, als dass man sich in der Sprachenfrage mit Briten und Franzosen anlegen müsste. Wie das Nachrichtenportal German-Foreign-Policy Mitte November berichtete, habe der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer, gesagt, es sei keineswegs erforderlich, dass Deutschland den Ratspräsidenten oder den Hohen Vertreter stelle – soviel zu den Eingangs erwähnten Pappkameraden. Dort wo die Musik spielt, nämlich auf der unmittelbar darunter liegenden Funktionärsebene, lege man jedoch „großen Wert darauf, entsprechend beteiligt zu sein.“

Fazit: Der weltweite deutsche Einsatz für Kapitalinteressen spricht englisch und französisch. Die deutsche Sprache, auf der man sonst immer so besteht, wenn es um die Frage der EU-Arbeitssprachen geht, gibt man dabei im Rahmen eines – neudeutsch – Packagedeals weg wie einen alten Hund. Wer hätte dies bei einer konservativ-liberalen Regierung für möglich gehalten?

Die Rechnung bitte!

Keiner weiß genau, wie hoch die Rechnung für den EAD sein soll. Allein es ist schon klar, wer die Zeche dafür bezahlen wird. In der Erklärung der Staats- und Regierungschefs zu 10 Jahren Europäischer Sicherheits- und Verteidigungspolitik heißt es dazu lapidar: „Wir erkennen an, dass der GASP-Haushalt den Erfordernissen unserer Politik und den gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen angemessen sein sollte.“ Jetzt erst wird greifbar, was mit der Aufrüstungsverpflichtung des Vertrags von Lissabon gemeint ist. In der ESVP-Erklärung heißt es: „Wir verpflichten uns zur weiteren Verbesserung unserer Kapazität zur Bereitstellung nationaler und multinationaler Fähigkeiten für Krisenbewältigungsmissionen und -operationen der Europäischen Union. Der Ausbau der ESVP erfordert eine größere Verfügbarkeit von zivilem und militärischem Personal und von Ausrüstung.“

Damit wird ein erheblicher Mehrbedarf an Finanzmitteln für den Ausbau der Außen- und Sicherheitspolitik im Allgemeinen, aber auch für den EAD im Besonderen verknüpft. Es gibt zwar auch andere Überlegungen, im EAD-Bericht der schwedischen Ratspräsidentschaft wird aber vorgeschlagen, dass künftig der Hohe Vertreter das Gesamtbudget des Dienstes vorschlagen und er einen eigenen Haushaltstitel erhalten soll – ein sehr nettes Feature, das perspektivisch zu einem sprunghaften Anstieg des Gesamtbudgets führen könnte. Doch woher soll das Geld kommen? Ab 2014 wird ein ganz erheblicher Finanzmehrbedarf für den EAD erwartet. Eine signifikante Steigerung des EU-Haushalts in der nächsten Legislatur ist jedoch nicht zu erwarten. In der EU-Kommission wird deshalb zusammen mit den EU-Mitgliedstaaten diskutiert, die Strukturfonds für die Regionen anzutasten und ab 2013 bestimmte Strukturförderungen, die für die ärmeren EU-Regionen von zentraler Bedeutung sind, einfach auslaufen zu lassen. Die zweite Idee ist nicht minder perfide. Hier geht es um einen Angriff auf die Agrarfonds, die zusammengestrichen werden sollen, um Geld für das Gesicht Europas in der Welt lockerzumachen. Die Richtungsentscheidung ist, inwieweit die freigesetzten Gelder für die Militarisierung der Europäischen Union verwendet werden. In diesem Zusammenhang platzierte Michael Dauderstädt, seinerzeit Leiter der Internationalen Politikanalyse der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung bereits im Januar 2004 einen Artikel in der Financial Times Deutschland, der sich nun auf gruselige Weise als nachgerade prophetisch herausstellt: „Die Europäische Union hat 2002 etwa 46 Mrd. Euro für die Landwirtschaft ausgegeben. […] Die EU sollte dieses Geld besser für die Forschung, Entwicklung und Produktion von Rüstungsgütern einsetzen […] In der offensiven Bekämpfung muss die Rüstung ein Militär ausstatten, dessen Einsatzprinzipien denen einer globalen Polizeitruppe entsprechen. Das Zerstörungspotential muss präzise sein. Das Einsatzgebiet ist oft außerhalb Europas. […] Europa braucht eine gemeinsame Rüstungspolitik statt der Gemeinsamen Agrarpolitik, also Kanonen statt Butter.“

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Kasten: Zurück in die Zukunft: Der EAD als neue EU-Kolonialbehörde

Wer einen Blick in die Zukunft des EAD werfen will, dem sei geraten, sich die Vorbereitung der politischen „Militär“intervention der EU in Somalia in diesen Tagen anzuschauen. Alle diplomatisch-militärischen Dienste werden dort eingespannt, um politische Kräfte am Horn von Afrika zurückzudrängen, die der eigenen Interessensdurchsetzung im Wege stehen. Dabei wird aus dem gesamten Arsenal eines künftigen EAD geschöpft. Während man eine EU-Militärberatungsmission somalischer Soldaten in Uganda und Djibouti auf den Weg bringt, droht man Eritrea diplomatisch, damit es die „Terroristen“, die die EU-Partner in Somalia in die Enge treiben, nicht unterstützt.

Für die EU soll es die so genannte Somalische Übergangsregierung richten, die man auch zur See mit der vorgeblichen Piratenbekämpfungsmission ATALANTA flankiert. Einziger Schönheitsfehler: Die Piratenüberfälle haben seit Anfang der EU-Mission zugenommen. Und intern diskutiert man darüber, dass die Einführung der Scharia durch die unterstützte somalische Übergangsregierung 2009, wie auch die zunehmenden Steinigungen unter ihrer Verantwortung, ein Problem darstellen könnten – natürlich nur im Bezug auf die Akzeptanz des EU-Engagements in der Region.

Angesichts des Schweigens der Massenmedien in Europa über diesen tagtäglichen Skandal, dürfte dieser EU-Gipfel der Heuchelei wohl kein Hindernis für ein noch stärkeres, auch militärisches Eingreifen am Horn von Afrika darstellen. Eines aber ist sicher, dass der schmutzige Krieg der EU am Horn von Afrika bereits begonnen hat und jetzt schon eine gute Übung für das institutionelle Zusammenwachsen des EAD darstellt. Wie es auch immer kommen mag, die neue Afrikapolitik der EU ist ein Blick zurück in die Zukunft. Der EAD wäre nicht die erste Kolonialbehörde, die ihren Sitz in Brüssel hat.